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Vier Opfer identifiziert

Die norwegische Polizei hat am Dienstag begonnen, die Namen von Opfern der Terroranschläge vom vergangenen Freitag zu veröffentlichen. Sie nannte zunächst vier Namen. Die anderen Namen der insgesamt mindestens 76 Toten sollen nach und nach freigegeben werden, sobald die Opfer identifiziert und die Angehörigen unterrichtet wurden.

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Drei der nun erstmals genannten Opfer waren bei der Explosion im Osloer Regierungsviertel ums Leben gekommen. Es handelte sich um zwei Frauen im Alter von 61 und 56 Jahren sowie um einen 32 Jahre alten Mann. Ebenfalls genannt wurde der Name eines 23 Jahre alten Mannes, der bei dem Massaker auf der Insel Utöya von dem mutmaßlichen Attentäter Anders Behring Breivik getötet worden war. In Norwegen ist nach größeren Katastrophen die Veröffentlichung von Namenslisten der Opfer üblich.

Zwei junge Frauen stehen Arm in Arm und blicken auf Blumen und Kerzen.

AP/Ferdinand Ostrop

Trauer um die Opfer auf Utöya

Attentäter in Isolationshaft

Breivik selbst befindet sich derzeit in Isolationshaft. Er ergab sich nach dem Massaker auf der Insel Utöya der Polizei. Derzeit befinde sich der 32-Jährige unter „permanenter Beobachtung“, sagte der Osloer Kriposprecher Paal Hjort Kraby. „Der Inhaftierte wird mit Blick auf einen möglichen Selbstmord kontinuierlich überwacht.“ Der Polizeisprecher wollte nicht angeben, in welches Gefängnis der rechtsradikale Attentäter nach Verhängung von acht Wochen Untersuchungshaft am Montag gebracht wurde.

Kontakt ist ihm ausschließlich mit seinem Anwalt Geir Lippestad und der Polizei erlaubt. Lippestad fällt damit auch die Aufgabe zu, die Öffentlichkeit über die wirre Gedankenwelt seines Mandanten zu informieren. Es falle ihm manchmal selbst nicht leicht, den Gedankengängen Breiviks zu folgen, so der Anwalt. „Die ganze Sache deutet darauf hin, dass er geisteskrank ist." Auch glaube Breivik, er sei in einem Krieg, und in einem Krieg könne man derartige Dinge tun.“

In einer Stunde 68 Menschen erschossen

An Kriegsszenen erinnerten auch die Vorgänge auf der kleinen Insel Utöya. Fast eine Stunde lang schoss Breivik auf alles, was sich dort bewegte. Insgesamt tötete er 68 Jugendliche, die sich dort in einem sozialdemokratischen Ferienlager aufgehalten hatten. Die Opferzahlen waren am Wochenende mit 86 angegeben worden, am Montag korrigierte die Polizei die Zahl nach unten. Als Begründung verwies die Polizei auf die komplizierte Aufklärungsarbeit bei der Identifizierung von Toten und bei den Angaben über Vermisste.

Bombe als Ablenkungsmaßnahme

Zuvor hatte Breivik im Osloer Regierungsviertel eine 500-Kilogramm-Bombe detonieren lassen, wobei acht Menschen ums Leben kamen. Zudem wurde das Regierungsgebäude so stark beschädigt, dass es vermutlich abgerissen werden muss. Die Aufregung, die nach dem Anschlag herrschte, nützte der Attentäter, um ungehindert auf die kleine Insel zu gelangen. In Polizeiuniform und schwer bewaffnet gab er an, er solle die Jugendlichen über die Vorgänge in Oslo informieren. Stattdessen eröffnete er das Feuer.

Auch Ex-Premierministerin auf der Todesliste

Doch sein Plan war nicht in allen Details fehlerlos. Eigentlich hatte er vorgehabt, auch die frühere Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland zu ermorden. Die bekannte Politikerin hielt vor den rund 600 Jugendlichen eine Rede, verließ die Insel aber rund zwei Stunden vor dem Eintreffen Breiviks. Der Attentäter gab später an, er habe sich verspätet.

„Größtmöglichen Schaden zufügen“

Vor dem Haftrichter sagte Breivik, er habe nicht das Ziel gehabt, so viele Menschen wie möglich zu töten. Vielmehr habe er ein starkes Signal senden wollen, das nicht missverstanden werden könne. Er wollte nach eigenen Angaben der sozialdemokratischen Arbeiterpartei größtmöglichen Schaden zufügen. Sie sei für die massenhafte Einwanderung von Muslimen verantwortlich und habe dafür bezahlen müssen.

Opfer mit gezielten Schüssen getötet

Die Berichte der überlebenden Kinder zeigen die Brutalität, mit der Breivik auf der Insel vorging. So feuerte er mitten in die Versammlung, die einberufen wurde, um die Jugendlichen eigentlich über den Anschlag in Oslo zu informieren. Auf Menschen, die nicht sofort tot waren, feuerte er gezielte Schüssen ab. Dabei soll er laut einem Chirurgen Projektile genutzt haben, die im Körper auseinanderfielen und riesige Schäden anrichteten.

Kinder angelockt und getötet

Kinder, denen die Flucht anfänglich gelungen war, lockte er mit dem Hinweis an, er sei gekommen, um sie zu beschützen. Dann feuerte er auch auf sie. Viele versuchten, schwimmend von der Insel zu entkommen. Auch auf diese Personen feuerte Breivik und dürfte auch einige noch im Wasser getroffen haben. Campinggäste auf dem Festland hörten Hilfeschreie und kamen mit Booten zur Rettung. Auch sie mussten viele Kinder erst davon überzeugen, dass sie nicht zu dem Attentäter gehörten und ihnen helfen wollen.

Kritik an Polizei zurückgewiesen

Dass Breivik von kurz nach 17.00 Uhr bis 18.27 Uhr für seine blutige Tat Zeit hatte, rief auch Kritik am Tempo des Polizeieinsatzes hervor. Oslos Polizeichef Anstein Gjengedal sagte, die Anti-Terror-Einheit Delta sei sofort nach dem ersten Alarmruf trotz der vorherigen Bombenexplosion im Regierungsviertel Richtung Jugendlager in Gang gesetzt worden: „Wir waren schnell da.“

Da kein Hubschrauber zur Verfügung stand, musste die Eliteeinheit der Polizei aber mit Autos aus dem 45 Kilometer entfernten Oslo ausrücken. Sie verlor nach Angaben mehrerer Medien zudem Zeit, weil beim Übersetzen auf die kleine Fjordinsel ein Bootsmotor streikte.

Die norwegische Regierung hat die Polizei gegen Kritik an ihrem Einsatz in Schutz genommen. Die Polizei habe „eine fantastische Arbeit“ geleistet, sagte Justizminister Knut Storberget am Dienstag nach einem Gespräch mit dem Osloer Polizeichef. Es sei sehr wichtig, dass man den Polizeieinsatz offen und kritisch bewerte, sagte Storberget. „Aber alles zu seiner Zeit.“

„Wollen uns Utöya zurückholen“

Trotz des Massakers wollen die jungen norwegischen Sozialdemokraten die kleine Fjordinsel Utöya bei Oslo weiterhin für ihre jährlichen Sommerlager nutzen. Der Vorsitzende der Jugendorganisation, Eskil Pedersen, sagte am Dienstag in Oslo: „In dieser Lage schicken wir eine klare Botschaft: Wir wollen uns Utöya zurückholen.“ Die Anlage solle erneuert werden, ohne aber ihren traditionellen Kern anzutasten, erklärte Pedersen. Der Geschäftsmann Petter Stordalen gab eine Spende von mehr als fünf Millionen Kronen (etwa 650.000 Euro), die ein Drittel der erwarteten Kosten decken soll. Den Rest will die Parteijugend durch Spenden aufbringen.

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