Neue Chance für Funkchips
Mit einem NFC-Funkchip ausgerüstet kann das Handy Kredit- und Kundenkarten in einem Gerät vereinen und in Kombination mit Apps eine völlig neue Form des „kontaktlosen Bezahlens“ ermöglichen, sagen Experten. Erste Pilotprojekte dazu gab es in Österreich bereits 2007. Doch erst mit der Unterstützung des Internetkonzerns Google scheint die Technologie Auftrieb zu bekommen.
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Telekommunikationsanbieter, Banken, Handyhersteller bis hin zum Internetgiganten Google sehen im Bezahlen per Handys mit NFC-Chip (Near Field Communication) einen aussichtsreichen Markt. Auch der US-Marktforscher Gartner meint in einer aktuellen Studie, dass sich die Handygeldbörse durchsetzen werde. Doch werde es noch mindestens vier Jahre dauern, bis der Gebrauch „massive“ Ausmaße annehme, so Sandy Shen, Forschungsleiterin bei Gartner. Grund dafür sei, dass die Verbraucher erst ihre Gewohnheiten verändern müssten.
Zu früher Start in Österreich
Nachdem sich 2004 das weltweite NFC-Forum auf einen einheitlichen Standard einigte, folgten hierzulande rasch die ersten Versuche damit. 2007 startete der heimische Mobilfunker A1 Telekom Austria die nach eigenen Angaben „weltweit ersten NFC-Services“ in Österreich. Durchgesetzt haben sich diese bis heute nicht. Einzelne NFC-Anwendungen wie etwa der Ticketkauf bei ÖBB und Wiener Linien werden nach wie vor angeboten, aber von kaum jemand wahrgenommen.
A1 hat mittlerweile seine Aktivitäten auf diesem Feld wieder stark eingeschränkt, wie auch die veraltete NFC-Informationsplattform des Mobilfunkers zeigt. Gegenüber ORF.at bleibt A1-Sprecherin Livia Dandrea-Böhm zu künftigen NFC-Plänen verhalten: A1-Chef Hannes Ametsreiter habe für das zweite Halbjahr 2011 angekündigt, dass „sich etwas tun wird“. Viel hänge auch von der Verfügbarkeit von NFC-fähigen Handys ab.

ORF.at/Christian Öser
Probleme beim Ticketkauf: Kaum ein Gerät verfügt über einen NFC-Chip
„Die Technologie habe sich damals aus verschiedenen Gründen nicht erfolgreich durchsetzen können“, erklärt Andreas Mühlberger, Leiter der NFC-Produktionsentwicklung bei NXP Semiconductors in Graz, gegenüber ORF.at. Die erste Generation an NFC-Handys sei primär vom finnischen Handyhersteller Nokia gekommen. Der sei jedoch, nachdem er 2008 in eine schwere wirtschaftliche Krise kam und die NFC-Technologie wieder vernachlässigte, als Haupttreiber weggefallen. Zudem hätten Handys damals noch über proprietäre Betriebssysteme verfügt, was die Entwicklung von Anwendungen wesentlich erschwert habe.
NXP: Chip im Handy am sinnvollsten
NXP Semiconductors, dessen Stammsitz sich in den Niederlanden befindet, beliefert zahlreiche Handyhersteller mit seinen Funkchips. So steckt auch hinter dem neuen Google Wallet im Samsung Nexus S ein NFC-Chip von NXP. Für Mühlberger ergibt die NFC-Nutzung vor allem im Handy Sinn: „Ich habe damit alle Karten auf einem Gerät. Ich speichere die Daten auf meinem eigenen Device, und auch die PIN-Eingabe erfolgt auf meinem eigenen Gerät.“
Aber eigentlich sei nicht das Bezahlen, sondern vielmehr die Vernetzung wie eben zusätzliche Informationen und Services zum Bezahlvorgang der große Vorteil. Convenience-Funktionen können das Smartphone nach dem Bezahlvorgang auch gleich zur Eintrittskarte zum Konzert oder Schlüssel zum Hotelzimmer machen.
„Es gibt viele Konkurrenten bei NFC“, was für Christian Saminger, Forschungsassistent am NFC Research an der Fachhochschule Hagenberg, vor allem der Grund ist, warum sich die Entwicklung so verzögert hat. „Die Frage ist nämlich, wer hat das Recht, Daten in das sichere Element zu schreiben?“, so Saminger gegenüber ORF.at. Das sichere Element ist schließlich jener Teil, wo die heiklen Daten - wie etwa die Kreditkartendaten - verschlüsselt gespeichert werden.
Streit über Zugriffsrechte blockiert Entwicklung
Mit den Zugriffsrechten beschäftigt sich auch das 2004 gegründete NFC-Forum, das sich um die Standardisierung von NFC bemüht. Im Forum vertreten sind weltweite Stakeholder wie Kreditkartenunternehmen und Handyhersteller, aber auch Größen wie Google und Microsoft. „Derzeit gibt es die Idee, einen Trusted Service Manager einzubeziehen, der den Zugriff regeln soll.“ Denn Kreditkartenunternehmen hätten etwa kein Interesse daran, den Mobilfunkern, denen die SIM-Karte gehört, Einsicht in ihre Daten zu gewähren. Die Mobilfunker wiederum würden die Rechte an der SIM-Karte nicht abgeben wollen, denn diese witterten ebenso das Geschäft dahinter, erklärt Saminger das Problem.
Googles Ankündigung seines Handybezahldienstes Google Wallet gebe der Technologie einen neuen Aufschwung, sagt Samminger. Der Internetkonzern hat sich für einen separaten SE-Chip entschieden, der in das Nexus S eingebaut wurde. Die Bezahlfunktion erfolgt in Kooperation mit MasterCard. Außer Google könne niemand auf die entsprechend verschlüsselten Transferdaten im SE zugreifen, erklärt Saminger. Android-Entwicklern steht damit aber dennoch die Möglichkeit offen, das SE für Apps zu nutzen.
NFC kämpft mit Henne-Ei-Problem
Doch eine wichtige Voraussetzung ist auch die Infrastruktur. Was bringe es, wenn die Handys mit NFC-Chips ausgestattet sind, es aber keine Anwendungsmöglichkeiten dafür gibt? Mitte Juli gab die Raiffeisen Bank International (RBI) bekannt, erstmals in Österreich eine Kreditkarte mit NFC-Chip auszugeben. Zeitgleich vermeldete der Salzburger Zahlungsdienstleister hobex, die ersten Terminals in Wien installieren zu wollen. Wo diese jedoch konkret zu finden seien, wollte hobex nicht sagen. Vorerst können also die RIB-Kunden nur in der Kantine der Raiffeisenkassenzentrale in Wien damit bezahlen.
Die Kreditkartenanbieter und -dienstleister card complete und PayLife planen in nächster Zeit keine Aufrüstung ihrer Terminals bzw. eine flächendeckende Einführung in Österreich. „Die Technologie ist ein Zukunftsthema“, und weltweit gebe es einige Länder, die bei NFC schon weit fortgeschritten seien, so ein Sprecher von card complete gegenüber ORF.at. Ebenso wie Konkurrent PayLife wolle card complete jedoch erst die Ergebnisse der Pilotprojekte in Polen und der Türkei abwarten.
Schließlich scheint sich das lange Warten für NXP gelohnt zu haben. Die weltweite Goldgräberstimmung in der Branche lässt sich kaum ignorieren. Die Einsatzmöglichkeiten für die Funktechnologie sind sehr vielfältig und, dass die Technologie zur elektronischen Geldbörse führen wird, darüber sind sich die Stakeholder einig. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis es auch hierzulande so weit ist - nicht sofort, aber bald.
Claudia Glechner, ORF.at
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