Gemeinsam Städte zeichnen
Von Freitag bis Sonntag trifft sich die europäische OpenStreetMap-Gemeinde zu ihrem ersten eigenen Kongress in Wien. Von den freien Karten profitiert nicht nur die Endanwender-Community im Internet, auch große Firmen wie Microsoft und Klein- und Mittelbetriebe setzen das Material in ihren Projekten ein.
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„Es funktioniert im Prinzip wie die Wikipedia“, erläutert der Brite Steve Coast, der 2004 OpenStreetMap (OSM) ins Leben gerufen hatte, gegenüber ORF.at. „In unserem System gibt es aber kaum Vandalismus, weil es bei uns nur um Fakten geht. Über Politiker lässt sich streiten, aber nicht darüber, wo eine bestimmte Straße liegt.“
Zum Start bestand OpenStreetMap nur aus dem Informatikstudenten Coast, seinem PC und seinem GPS-Gerät. Mittlerweile arbeiten rund 400.000 Menschen weltweit an dem Projekt mit. Um dessen Verwaltung kümmert sich eine gemeinnützige britische Stiftung, deren siebenköpfigem Vorstand auch Coast angehört. „Unser jährlicher finanzieller Aufwand bewegt sich im niedrigen fünfstelligen Euro-Bereich“, so Coast am Freitag in Wien.
Vernetzt mit Microsoft
Mittlerweile lebt Coast in Seattle und arbeitet in der Mobilabteilung von Microsofts Google-Konkurrenzsystem Bing. Das Verhältnis zwischen Bing und OSM ist symbiotisch. Microsoft stellt wertvolle hochauflösende Luftbilder als Grundlage für die OSM-Karten zur Verfügung. Im Kartendienst Bing Maps wiederum steht OSM als eigene Ansicht bereit, die der Nutzer auf Wunsch einblenden kann. Wenn Google wollte, könnte es die OSM-Daten auch in Google Maps nutzen, denn sie stehen unter einer freien Lizenz.
„Bis Ende nächsten Jahres werden wir Nordamerika und Europa hochauflösend erfasst haben“, so Bing-Manager Josef Kauer. Die Technik für die Luftaufnahmen kommt aus Graz - das dort ansässige Spezialunternehmen Vexcel wurde 2006 von Microsoft übernommen. Auch ein Äquivalent zu Googles Straßenansicht Street View will Microsoft erstellen. In Österreich klärt der Konzern derzeit die Detailfragen mit den zuständigen Datenschutzstellen. Microsoft ist auch einer der Sponsoren der Konferenz „State of the Map“, die von der TU Wien und dem Verein OpenStreetMap Austria organisiert wird.
Österreich gut aufgestellt
„Die großen Städte Österreichs sind sehr genau erfasst“, so Andreas Labres, Sprecher des heimischen OSM-Vereins, gegenüber ORF.at. „Es kann sein, dass es in kleineren Orten noch Fehler gibt, dass ein, zwei Straßen oder einige Hausnummern fehlen.“ Im weltweiten Vergleich der OSM-Karten sieht Labres Österreich sehr gut aufgestellt.
Hierzulande gibt es das freie Kartenprojekt seit 2006, im Jahr 2008 vollendeten die heimischen „Mapper“ ihren Plan von Wien. „Wir hatten im Schnitt über die letzten ein, zwei Jahre rund 1.100 aktive Mitglieder“, so Labres. Im September 2010 gründeten OSM-Enthusiasten den Verein. „Damit es einen Ansprechpartner für interessierte Behörden und Firmen gibt“, so Labres, im Erwerbsleben selbstständiger IT-Berater in Wien.
Die Welt abpausen
Die OSM-Karten entstehen auf zweierlei Art: Die Mitglieder gehen oder fahren mit aktivierten GPS-Gerät Straßen und Wege ab und benutzen die dabei entstehenden Logbuchdateien als Grundlage für ihre Pläne. „Die Karte von Graz ist vollständig auf diese Weise erstellt worden“, sagt Labres. Die zweite wichtige Quelle sind Luftbildaufnahmen und andere Daten, die von Unternehmen oder staatlichen Institutionen freigegeben werden.
Die Bilder können von den OSM-Mitgliedern in Spezialprogrammen abgepaust werden. Eines davon ist der Karteneditor Potlatch 2, der im Browser läuft und nahtlos in die OSM-Benutzeroberfläche integriert ist. In diesen Editoren können die OSM-Mitglieder auch „Points of Interest“ (POIs) eintragen und damit beispielsweise die Standorte von Ämtern, Schulen und Apotheken auf der Karte markieren.
Datenspenden und Lizenzen
„Wir hatten in Österreich zwei Qualitätsschübe“, sagt Labres, „2008 und 2009 durften wir Daten von Plan.at importieren und im Oktober 2010 von Geoimage Austria.“ In Österreich sind die GIS-Daten Ländersache, Geoimage.at ist Ergebnis einer Kooperationsgemeinschaft von Bund und Ländern. Erst im Juli hat sie hochauflösendes Bildmaterial freigegeben - zur nicht kommerziellen Nutzung. Doch gerade diese Bestimmung bringt OSM in die Bredouille.
„OpenStreetMap steht unter der Creative-Commons-Lizenz CC-BY-SA, die auch die kommerzielle Weiterverwertung des Materials ausdrücklich erlaubt, solange der Urheber mit genannt wird“, so Labres (Anm.: Geoimage.at hat die Daten für OSM am 14. Juli freigegeben).
OSM befindet sich derzeit in dem schwierigen Prozess, seine Lizenz von Creative Commons auf die ebenfalls freie Open Database License (ODBL) umstellen zu müssen. Der Hintergrund: In den USA können Fakten wie Geodaten nicht geschützt werden, daraus erstellte Datenbanken aber schon.
Perspektive Open Data
Diese Umstellung steht auch in Österreich bevor. „Für die gewerblichen und privaten Anwender ändert sich damit aber nichts“, sagt Labres. Was die Zusammenarbeit mit den Behörden angeht, so ist der OSM-Sprecher optimistisch. So fragten Bürgermeister schon bei der Stiftung nach, wie sie das Projekt unterstützen könnten. Auch die Open-Data-Initiativen in Linz und Wien hätten vielversprechende Ansätze.
Zu den kommerziellen Anwendern von OpenStreetMaps gehören nicht nur Microsofts Bing, wo OSM als eigene Ansichtsebene (Layer) eingeblendet werden kann, sondern auch kleinere Partner wie die Wiener Firma Ulmon, die unter anderem Reiseführer für Smartphones herstellt, und Skobbler, eine Berliner Firma, die Karten und Routenplaner für Mobilgeräte anbietet.
Wunsch nach eigenem Stil für Österreich
Die wichtigsten Datenbankserver des OSM-Projekts stünden in Großbritannien, so Labres. Da die freie Enzyklopädie Wikipedia auch auf OSM-Karten zurückgreift, hat Wikimedia Deutschland aus seinen Spendengeldern Serverkapazitäten finanziert, diese Maschinen dienen auch dazu, den deutschen Karten ein Aussehen zu verleihen, das den dortigen Konventionen entspricht. Eine für Österreich optimierte Ansichtsoption für die OSM-Karten steht auch auf der Wunschliste von Labres: „Einen eigenen Stil für die Karten zu haben wäre schön.“
Günter Hack, ORF.at
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