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ÖVP gibt nach

Nach jahrelangen Diskussionen wird es nun mit der Änderung der Bundeshymne ernst. SPÖ, ÖVP und Grüne haben sich darauf verständigt, die Textpassage, in der die „großen Söhne“ besungen werden, um „Töchter“ zu erweitern. Das erklärten die Frauensprecherinnen der drei Parteien, Gisela Wurm (SPÖ), Dorothea Schittenhelm (ÖVP) und Judith Schwentner (Grüne), am Mittwoch bei einer Pressekonferenz.

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Beschlossen werden soll die Gesetzesänderung im Herbst, mit 1. Jänner 2012 könnte dann schon die neue Hymne gesungen werden. Laut den drei Parlamentarierinnen ist bei dem Vorhaben auch das BZÖ mit an Bord. Die FPÖ ist weiter gegen eine Änderung: Frauensprecherin Carmen Gartelgruber sprach in einer Aussendung von „Gender-Klamauk“. Seriöse Frauenpolitik würde mit dieser Aktion ins Lächerliche gezogen, so Gartelgruber, die neben „internationaler Häme“ befürchtet, dass jemand demnächst dem „Bundesadler noch ein Schminktäschchen statt der Sichel verpassen“ wollen könnte.

Genaue Formulierung offen

Wie die Textänderung genau aussehen wird, ist allerdings noch nicht fix. Das soll mit Experten beraten werden. Derzeit ist im Gespräch, die Zeile „Heimat bist du großer Söhne“ durch die Wortfolge „Heimat großer Töchter, Söhne“ zu ersetzen. Laut Schittenhelm ist das aber noch nicht fix, es könnte auch beispielsweise „Heimat bist du großer Töchter und großer Söhne“ heißen.

Die Frauensprecherinnen Dorothea Schittenhelm (ÖVP), Gisela Wurm (SPÖ) und Judith Schwentner (Grüne)

APA/Herbert Neubauer

Schittenhelm (ÖVP), Wurm (SPÖ) und Schwentner (Grüne)

Der Text der Hymne stammt von der Schriftstellerin Paula Preradovic, die sich damit in einem Wettbewerb durchgesetzt hatte. Mehr als 1.800 Vorschläge wurden eingereicht, von denen kaum 30 in die engere Wahl kamen. 1947 wurde Preradovics Text im Ministerrat beschlossen. Ihr Vorschlag wurde von der damaligen Bundesregierung abgeändert, denn die „Söhne“ hatten ursprünglich auch noch „Väter“. Zudem attestierte die Autorin in der ersten Strophe der Urfassung Österreich, „arbeitsam und liederreich“ zu sein.

Letzter Anlauf von Rauch-Kallat

Ausgangspunkt der Debatte war die letzte Nationalratssitzung vor der Sommerpause: Dort wollte die aus dem Parlament scheidende frühere Frauenministerin Maria Rauch-Kallat (ÖVP) einen entsprechenden Antrag einbringen, wurde aber von männlichen Parteikollegen daran gehindert, ihn auch vorbringen zu können.

Hinter der Aktion wurde ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf vermutet, der seit Tagen nicht für Stellungnahmen zu erreichen ist. Schließlich sprach ÖVP-Chef Michael Spindelegger ein Machtwort, der Weg für eine Änderung war somit frei.

„Lange diskutiert“

Über eine geschlechtergerechte Änderung der Bundeshymne sei „lange genug diskutiert“ worden, nun „ist es Zeit“, sagte Schittenhelm. Die Aufnahme der „Töchter“ in die Hymne sei „selbstverständlich" und längst überfällig“. Die „Reibereien“ innerhalb des ÖVP-Klubs diesbezüglich bezeichnete sie als ausgeräumt, sowohl der Klubchef als auch der Parteichef stünden hinter der Textänderung, so Schittenhelm.

Sie zeigte einerseits Verständnis für das Verhalten von Kopf, sie bekannte sich aber gleichzeitig zur Geheimaktion von letzter Woche. Es gebe ein Prozedere, das im Klub einzuhalten sei. Sie stehe aber dazu, und „ich bin für die Veränderung des Textes und habe das Prozedere ein wenig außer Acht gelassen“, so Schittenhelm. Das sei „wie in der Familie: In jeder gibt es Reibereien“. Diese gelte es aber auszuräumen. Sie habe mit Kopf gesprochen, und die Sache sei nun „ausgeräumt und erledigt“.

Keine großen Widerstände?

Was die Zustimmung der ÖVP im Plenum betrifft, glaubt sie nicht an große Widerstände. Es gebe vielleicht einige wenige, die dagegen seien. Die offizielle Linie der Partei sei aber klar und man werde der Gesetzesänderung zustimmen. Wurm von der SPÖ glaubt sogar, dass man „locker“ eine Zweidrittelmehrheit zustande bringen werde. Neben SPÖ, ÖVP und Grünen dürfte nämlich auch das BZÖ zustimmen. Die Frauensprecherinnen hätten auch nichts gegen eine namentliche Abstimmung. Vielleicht stimme ja der eine oder andere von der FPÖ, die gegen die Initiative ist, auch mit.

Die Kritik, wonach die Änderung der Bundeshymne kein wichtiges Thema sei, wiesen die Frauensprecherinnen von SPÖ, ÖVP und Grünen zurück. Genau das Gegenteil sei der Fall. Sowohl Schwentner als auch Schittenhelm berichteten, dass sie viele Rückmeldungen aus der Bevölkerung bekommen hätten. Schittenhelm habe sogar auf ihrer Mobilbox gesungene Textvorschläge vorgefunden.

Töchterle hat Bedenken

Bedenken hat dagegen Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle: Als Literaturwissenschaftler sei er in der Frage befangen. Er habe Bedenken, Änderungen eines poetischen Textes einer Künstlerin zu befürworten, sagte er am Mittwoch vor Journalisten in Innsbruck nach einem Arbeitsgespräch mit dem Tiroler Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP).

„Niemand hat das Recht, in einen poetischen Text einzugreifen. Das ist, wie wenn man eine Skulptur umbaut“, so Töchterle. Er nehme jedoch die Anliegen der Frauen ernst, die sich durch die Hymne diskriminiert fühlen würden. Es stelle sich die Frage, ob nicht ein neuer Text gefunden werden müsse. Er selbst habe sich aber mit diesem Thema noch nicht intensiv beschäftigt. Die Vorgangsweise im Parlament sei „nicht optimal“ gewesen, betonte Töchterle.

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