Die Herkunft der Kampfpreis-Spareribs
Viele denken bei einem Schweinemastbetrieb mit 800 Tieren an industrielle Landwirtschaft im großen Stil: eine riesige Fabrikshalle, gleißendes Licht, mehrere Billiglöhner als Angestellte. Im oberösterreichischen Mehrnbach sieht das anders aus.
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Inmitten malerischer Landschaft arbeiten Klaus Grimmer, seine Frau und sein Vater auf dem Hof der Familie - Vollzeit, aber ohne Angestellte. Produziert wird AMA-Gütesiegel-Fleisch, geliefert zum Großteil an den überregionalen Schlachthof Großfurtner.
Die Ferkel zieht Grimmer nicht selbst auf, noch nicht. Er kauft sie mit einem Gewicht von 30 Kilogramm von zwei nahe gelegenen Züchtern. Im Zusammenhang mit der Aufzucht wird derzeit das Thema Kastenstandhaltung öffentlich diskutiert. Überhaupt scheint es, als ob seit den Freisprüchen für die Aktivisten rund um den Verein gegen Tierfabriken die Debatte über Tierleid wieder lebhafter geführt wird. Kastenstandhaltung - das heißt: Die Sau wird nach der Geburt der Ferkel in einen abgegrenzten Bereich gestellt, der kaum größer ist als sie selbst. Sie kann sich also nicht umdrehen, nicht vorwärts und nicht rückwärts gehen, sondern nur stehen und liegen - und das für einen Zeitraum von vier Wochen.
Das Leben in der Box
Tierschützer und Grüne sprechen von unfassbarem Tierleid. Bei Bauer Grimmer hört man die Sicht der Produzenten. Ihm steht Hans Schlederer zur Seite, ein Machertyp, die Stimme der oberösterreichischen Schweinelobby, der Geschäftsführer des Verbands landwirtschaftlicher Veredelungsproduzenten Österreichs (kurz: „Schweinebörse“). Er sagt, dass das Thema medial hochgekocht wird. Beim dritten, vierten Mal gehe eine Sau schon freiwillig in den Kasten. Einmal drin, wehre sie sich nicht, sondern sei ruhig. Der Sinn der Kastenstandhaltung sei das Vermeiden von Produktionsausfällen, sprich: Die Sau könne keines der Ferkel erdrücken, was sonst hin und wieder vorkomme (auch diesem Argument widersprechen Tierschützer).

ORF.at/Roland Winkler
Schweine auf Betonspaltboden. Im Hintergrund der Trinknippel an der Wand.
Wenn die Ferkel dann in Grimmers Mastbetrieb ankommen, werden sie in verschiedene Räume des Stalls und dort in einzelne Boxen verteilt, sortiert nach Alter. Die Größe dieser Boxen liegt bei rund 25 Quadratmetern, die Belegung variiert zwischen 20 und knapp 40 Tieren. Die Ausstattung ist karg. Die Tiere bewegen sich auf einem Betonboden mit kleinen Spalten, durch die ein Großteil der Ausscheidungen in einem Gülletank unter dem Stall verschwindet. In jeder Box hängt eine Eisenkette mit Gummiteil, zum Spielen. Die Tiere schieben den Gummi hin und her und reißen an der Kette. Die Fütterung erfolgt automatisch, ein Trog in der Mitte wird befüllt. Getrunken wird aus einem Trinknippel an der Wand.

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Die Herkunft eines Schweins ist anhand der Ohrmarke nachvollziehbar.
Erträglichkeitsmaßnahmen
Grimmer ist stolz auf seinen Stall, den er vor knapp zehn Jahren errichten ließ. Jedes Detail wurde mit Bedacht gestaltet. Täglich wird in den Boxen eine Dusche aufgedreht. Jedes Tier, das will, kann sich berieseln lassen, was beruhigend wirkt. Ruhige Schweine garantieren eine geringe Ausfallsquote. Anfangs lief das Duschprogramm automatisch. Weil aber die Temperaturen schwanken und es manchmal ein bisschen zieht, waren dann einzelne Tiere erkältet. Jetzt wird manuell berieselt. Der Stall selbst ist großteils aus Holz gebaut, auch das war Grimmer wichtig, die klassische Fabriksanmutung sollte vermieden werden.
Die Fütterung erfolgt viermal täglich, jedes Mal über mehrere Stunden hinweg. Das ist nicht Standard, sondern soll ebenfalls zur Beruhigung der Tiere beitragen. Die Aufregung, die entsteht, wenn punktuell Futter für alle kommt, wird so vermieden. Beim Futtermittel setzt der Hof zum größten Teil auf Selbstversorgung. Mais (60 Prozent des Futters), Weizen und Gerste werden auf den eigenen Feldern geerntet. Zugekauft werden Sojakonzentrat und ein Mix aus Mineralstoffen und Vitaminen. Das Ganze kommt als Brei mit Wasser gemischt aus Rohren in den Trog. Klassische Leistungssteigerer, Hormone und Antibiotika werden nicht verfüttert, sie sind in Österreich generell verboten.
„Auch einmal auf Urlaub fahren“
Was würde sich für die Tiere ändern, wenn Grimmer Biofleisch produzieren würde? Zunächst einmal würden die Tiere auf keinem Spaltboden gehen müssen. Stroh müsste vorhanden sein. Der Stall müsste über Außenflächen verfügen, die die Tiere benützen könnten. All das würde Investitionen in bauliche Maßnahmen bedeuten. Das Misten des Stalles würde viel Zeit in Anspruch nehmen und wäre ohne Angestellte kaum zu bewältigen. Ein Betrieb, sagt Schlederer, müsse nun einmal wirtschaftlich laufen. Und, fügt Bauer Grimmer hinzu, man will schließlich auch einmal auf Urlaub fahren können. Es klingt nicht, als ob das für ihn selbstverständlich wäre. Reich werde er nicht, aber immerhin: „Man kann leben davon.“

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20 bis knapp 40 Tiere werden in einer Box gehalten.
Die Tiere auf dem Hof sind in erster Linie eine Ware und erst in zweiter Linie Lebewesen. Grimmer versucht glaubwürdig, im Rahmen einer wirtschaftlichen, nicht biologischen Haltung von Schweinen Tierleid zu verhindern, wo es geht. Aber - er produziert für einen Massenmarkt, der bedient werden will. 115 Kilogramm beträgt das Schlachtgewicht im Schnitt, 70 Dekagramm sollte ein Tier am Tag zunehmen. Bei Spar wird mit Kampfpreisen geworben: Unter vier Euro kostet ein Kilo Knacker vom Bearbeitungsbetrieb Tann, ein Produkt, das aus Grimmers Schweinen hergestellt wird. Ein erklecklicher Anteil des in Österreich konsumierten Fleisches wird importiert - aus Ländern, in denen billiger, also noch weniger tiergerecht, produziert wird.
„Schlechte Haltungsbedingungen“
Dazu kommt, dass es auch in Österreich „schwarze Schafe“ gibt - also Betriebe, in denen schlimme Zustände herrschen, wo sich die Tiere aufgrund der Haltungsbedingungen gegenseitig schwer verletzen und ständig unter Stress stehen. Schlederer meint, aufgrund amtstierärztlicher Kontrollen gehörten diese Extremfälle weitgehend der Vergangenheit an. Grimmers Betrieb ist ein Vorzeigehof, was Massentierhaltung betrifft. Er produziert nach den AMA-Gütesiegel-Regeln und engagiert sich darüber hinaus. Nur wenige Tiere weisen Verletzungen von Rangordnungskämpfen auf, die Ausfallsquote (sprich: tote Tiere) liegt bei unter einem Prozent. Schon alleine dass er Journalisten mit Kamera vorlässt und für ein Gespräch zur Verfügung steht, weist seine Sonderstellung aus.
Schlederer hat statistische Zahlen für die Einordnung parat. In Österreich ist ein Schweinemastbetrieb (also die Kleinbauern nicht mitgerechnet) im Schnitt mit 300 bis 400 Tieren belegt. Insgesamt gibt es hierzulande 30.000 Schweinehalter (die Kleinbauern hier genauso mitgerechnet wie die Mastbetriebe) mit im Schnitt 80 Tieren pro Standort. Die Hälfte der Schweinehalter wird als professioneller Betrieb geführt. 90 Prozent der Schweinehalter würden ordentlich arbeiten, sagt Schlederer. Im Fall der restlichen zehn Prozent spricht er von „schlechten Haltungsbedingungen“. Verletzungen der Tiere seien nicht gänzlich zu vermeiden. Zu echter Tierquälerei komme es jedoch nur selten.
Der Preis des Billigschinkens
Wenn man als Konsument also Fleisch kauft, das nicht aus Bioproduktion kommt, um Geld zu sparen, muss man sich bewusst sein: Im allerbesten Fall werden die Tiere so gezüchtet und gemästet wie im hier beschriebenen Fall: Kastenstandhaltung, Spaltboden, keine Außenflächen. Schlederer hat vollkommen recht, wenn er Konsumenten, die sich schockiert geben, aber dennoch die günstige Ware kaufen, als naiv bezeichnet. Wie sonst soll der Billigschinken auf die Fertigpizza kommen, die Gelatine in die Gummibärchen und die Kampfpreisrippchen auf den Griller?
In Österreich werden rund fünf Millionen Schweine, 85 Millionen Hühner und fünf Millionen Puten konsumiert - pro Jahr. Mit kleinbäuerlichen Strukturen ist dieser Nachfrage nicht beizukommen. Hier die Empörung einzig auf die Bauern zu konzentrieren, greift mit Sicherheit zu kurz. Sowohl die zur Verdrängung neigenden Konsumenten, die auf das tägliche, kostengünstige Stück Fleisch bzw. Wurst nicht verzichten wollen, als auch von Lobbys beeinflusste Politiker in Österreich und der EU stehen mindestens genauso in der Pflicht. Im Katalog für Menschenrechte steht die jederzeit für jeden verfügbare Aktionsschnitzelsemmel noch nicht.
Simon Hadler, ORF.at
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