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„Verschiedene Auffassungen“

Berichte über eine geplante Lieferung von Kampfpanzern nach Saudi-Arabien sorgen in Deutschland zunehmend für Kontroversen. Grund sind entsprechende Berichte des „Spiegel“ über einen geplanten Deal über 200 schwere Kampfpanzer Leopard 2A7. Obwohl die offizielle Linie dazu „kein Kommentar“ lautet, werden nun auch innerhalb der deutschen Regierungskoalition kritische Stimmen laut.

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Zu dem Waffengeschäft dürfte noch diese Woche im Bundestag eine Debatte anstehen. In Wahrheit aber, meldete der „Spiegel“, habe die Bundesregierung in Berlin längst grünes Licht gegeben. Die Beratungen im zuständigen Kabinettsausschuss, dem Bundessicherheitsrat, seien geheim.

Das deutsche Nachrichtenmagazin beruft sich in seinen Berichten unter anderem auf Informationen der saudi-arabischen Streitkräfte. Denen zufolge will das Königreich insgesamt 200 Leopard 2A7 von der Bundesrepublik kaufen, für 44 sei der Vertrag bereits unterschrieben. Sind diese Angaben korrekt, geht es um ein Milliardengeschäft. Die Panzer werden von den deutschen Waffenschmieden Rheinmetall Defence und Krauss-Maffei Wegmann (KMW) gebaut.

Prophylaktische Beschwichtigung Israels

In der Vergangenheit hatte unter anderem Israel mehrfach scharfe Kritik an Waffenexporten der USA nach Saudi-Arabien geübt. Dazu betonte der Sprecher der deutschen Bundesregierung, Steffen Seibert, am Montag, es sei sicher, dass Berlin „nicht gegen die Interessen und das Existenzrecht und die Existenzmöglichkeiten Israels handelt“.

Kampfpanzer Leopard

Beim Leopard handelt es sich um einen schweren Kampfpanzer, der in unterschiedlichen Serien seit 1965 in Deutschland (Leopard 1) gebaut wird. Der Leopard 2 ist seit 1979 in Serie und unter anderem seit 1996 auch im österreichischen Bundesheer im Einsatz (Leopard 2A4). Die rund 55 Tonne schweren und 1.500 PS starken Panzer sind für eine Kampfdistanz von bis zu vier Kilometern konzipiert.

Am Dienstag zeigten sich allerdings erste Differenzen auch in den Reihen der Regierungskoalition aus Union und FDP in Berlin. Der Geschäftsführer der CDU-CSU-Fraktion im Bundestag, Peter Altmaier, bestätigte, dass es auch in seiner Partei „verschiedene Auffassungen“ zu dem Geschäft gebe. Weitere Auskunft über einen vermeintlichen Streit innerhalb der Fraktionsspitze lehnte er aber ab.

Aus der Opposition kam weiterhin scharfe Kritik. Der grüne Fraktionschef Jürgen Trittin warf der christlich-liberalen Regierung vor, gegen einen bisher bestehenden parteiübergreifenden Konsens zu verstoßen. Bisher habe gegolten, keine Waffen in Krisengebiete zu liefern, sagte Trittin im „Morgenmagazin“ des ARD-Fernsehens. „Das ist hier missachtet worden.“

„Lippenbekenntnisse“ für „arabischen Frühling“

Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD, Gernot Erler, verwies im Deutschlandfunk auf die von den Grünen und der Linken beantragte aktuelle Debatte im Bundestag: „Es ist das Recht des Parlaments, Auskunft zu verlangen von der Bundesregierung.“ Die Unterstützung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Guido Westerwelle (FDP) für die arabische Demokratiebewegung sei als „reine Lippenbekenntnisse“ entlarvt worden.

Die Menschenrechtsbeauftragte der Unionsfraktion im Bundestag, Erika Steinbach, meldete „erhebliche Bedenken“ gegen das Geschäft an. „Mit Sicherheit hat die Intervention Saudi-Arabiens in Bahrain nicht dazu beigetragen, dass man mit mehr Wohlgefallen auf solche Anfragen schauen sollte“, sagte die CDU-Politikerin am Dienstag. Saudi-Arabien hatte Bahrain anlässlich von Protesten der Opposition militärisch unterstützt - offiziell gemeinsam mit dem Golf-Kooperationsrat und zum „Schutz der Infrastruktur“, wie es hieß.

„Sehr sensibles Thema“

Steinbach verwies darauf, dass sowohl Merkel als auch Westerwelle immer wieder auf die Bedeutung der Menschenrechte hinwiesen. Deswegen sei es für sie schwer nachvollziehbar, wenn „im Fall Saudi-Arabien etwas mit leichter Hand bewilligt wird“.

Auch CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt lehnte den Deal ab. Auf die Frage, wie sie grundsätzlich zu Waffenlieferungen in die arabischen Krisengebiete stehe, sagte sie am Dienstag in Berlin: „Ich glaube, dass das ein sehr sensibles Thema ist und dass man es sich genau anschauen muss.“ Zu der umstrittenen, angeblich vom Bundessicherheitsrat genehmigten Lieferung der Leopard-Panzer lägen ihr aber keine konkreten Informationen vor.

Recht und Ethik: Zwei Seiten

Die FDP-Verteidigungsexpertin Elke Hoff sagte in der ARD auf die Frage, ob die Bundesregierung Panzer nach Saudi-Arabien liefern dürfe: „Dürfen tut sie es. Die Frage ist, ob es mit dem nötigen politischen Fingerspitzengefühl begleitet ist und wie dies in der Öffentlichkeit aufgenommen wird.“ Gerade in einer Situation wie dem „arabischen Frühling“ müsse die Politik sehr sensibel sein: „Ich hoffe, dass es genügend Argumente gibt - wenn das so sein sollte -, die das rechtfertigen.“ Bundesverteidigungsminister Thomas de Maiziere (CDU) lehnte alle Stellungnahmen ab. „Der Bundessicherheitsrat tagt geheim, und dabei bleibt’s.“

Die „Süddeutsche Zeitung“ meldete am Dienstagabend unter Berufung auf Informationen aus Berlin, beim Abschluss des Geschäfts gehe es „nur noch um Einzelheiten“. Die Grundsatzentscheidung über den Rüstungsexport sei gefallen.

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