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Ringen um EU-Millionen

Seit einer Woche kommt es im kleinen italienischen Ort Chiomonte bei Turin zu schweren Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Gegnern einer geplanten Hochgeschwindigkeitstrasse der italienischen Bahn. Vor allem ein geplanter Tunnel ist seit Jahren Zankapfel zwischen Aktivisten und der Regierung. Doch Rom will auf keinen Fall auf die millionenschweren EU-Zuschüsse verzichten.

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Als Tausende Demonstranten am Sonntag erneut die Tunnelbaustelle in Chiomonte im Piemont belagerten, setzte die Polizei Tränengas ein, berichteten italienische Medien. Radikale Kräfte unter den Demonstranten hätten Steine, Knallkörper und mit Ammoniak gefüllte Flaschen geworfen. Auf beiden Seiten habe es Verletzte gegeben, insgesamt fast 200.

Zahlreiche Verletzte bei Ausschreitungen

Äußerst gewaltbereite Demonstranten seien aus ganz Italien und aus dem Ausland zur Baustelle im Susa-Tal westlich von Turin angereist, darunter auch Gruppen des Schwarzen Blocks, hielt die Polizei fest. Erst vor knapp einer Woche waren bei ähnlichen Auseinandersetzungen 80 Menschen verletzt worden, darunter Dutzende Sicherheitskräfte.

Dabei räumten Einsatzkräfte die Barrikaden, die Demonstranten rund um die Tunnelbaustelle errichtet hatten. Die Polizisten setzten Tränengas ein und vertrieben Hunderte Bahngegner. Die Demonstranten hätten Steine sowie andere Gegenstände geworfen und Knallkörper entzündet, hieß es.

Demonstration in Susa

Reuters

Hunderte Demonstranten gehen gegen das Bahnprojekt auf die Straße.

Etwa 60 Verletzte, die Hälfte von ihnen Polizisten, mussten in Krankenhäusern behandelt werden. Jugendliche Linke und Umweltschützer warfen der Polizei vor, übermäßig hart vorgegangen zu sein. Etwa 2.500 Polizeibeamte waren im Einsatz. Die Demonstranten befürchten starke Eingriffe in die Natur durch das Bahnprojekt.

7,5 Kilometer langer Tunnel als Zankapfel

Seit Jahren ist die in Norditalien vorbereitete Trasse für Hochgeschwindigkeitszüge (TAV) zwischen der piemontesischen Metropole Turin und Lyon in Frankreich höchst umstritten. Diese Verbindung soll den Bahnkorridor von Lissabon nach Kiew schließen. In Chiomonte soll ein 7,5 Kilometer langer Tunnel durch das Val di Susa führen. Die Arbeiten dort haben Ende Juni begonnen und waren damit der Startschuss für den gesamten Bauabschnitt.

Bekannte Pilgerstrecke

Durch das Susa-Tal führten im Mittelalter wichtige Pilgerrouten, von denen die Strecke über den Mont-Cenis-Pass als eine der am stärksten frequentierten Übergänge der Westalpen bezeichnet wird. Sie diente Pilgern aus Santiago de Compostela oder auch aus Nordeuropa als Hauptstrecke auf ihrem Weg nach Rom.

Viel Geld aus EU-Topf

„Diese Baustelle wird eröffnet“, sagte der italienische Innenminister Roberto Maroni bereits im Vorfeld immer wieder. „Denn sonst sagen wir Lebewohl zu den Hunderten von Millionen Euro an Geldern der Europäischen Union, vor allem aber zu Anbindungen an Europa und damit zur Zukunft.“ Denn das Projekt bringt neben schnelleren Zugverbindungen vor allem viel Geld für die italienischen Staatskassen. Mit bis zu 671 Millionen Euro wird der Bau aus EU-Geldern subventioniert.

Demonstration in Susa

Reuters

Dutzende Polizisten stellen sich den Bahngegnern entgegen.

Die Demonstranten befürchten jedoch starke Eingriffe in die Natur. Im Susa-Tal gibt es fünf Naturschutzgebiete. Und mitten durch diese sensiblen Gebiete würden zwei lange Tunnel gegraben werden. Einer führt durch asbesthaltiges Gestein, der zweite, noch längere Tunnel durch ein stark uranhaltiges Gebirge. Die Bauarbeiten würden 15 Jahre dauern und insgesamt 20 Milliarden Euro verschlingen. Als 2005 mit den Probebohrungen begonnen wurde, versammelten sich 70.000 Bahngegner in dem Tal.

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