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NPD keine Männerdomäne mehr

Frauen auf rechten Parteiposten, Mädchen, die auf NPD-Demos in der ersten Reihe mitlaufen. Kenner der Szene sind überzeugt: Der deutsche Rechtsextremismus ist schon lange keine reine Männerdomäne mehr. Rechtsextreme Frauen, die früher vor allem in der Rolle der Partnerin oder Mutter auftraten, sind zunehmend selbst politisch aktiv.

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„Man kann davon ausgehen, dass der Anteil der Frauen in der rechtsextremistischen Szene steigt“, sagte die Extremismusexpertin Andrea Röpke kürzlich bei einem Fachgespräch der Grünen-Bundestagsfraktion zum Thema. Sie schätzt, dass jeder fünfte Rechtsextremist heute weiblich ist - offizielle Zahlen gibt es nicht. „In Berlin und Brandenburg ist der Frauenanteil sehr, sehr hoch.“ Auch in Nordrhein-Westfalen gebe es viele rechtsextreme Frauen.

„Kommunale Verankerung“

Die freie Journalistin beschäftigt sich seit Jahren mit den verschiedenen Ausprägungen des Rechtsextremismus in Deutschland. In ihrem Buch „Mädelsache!“ nahm sie mit dem Journalisten Andreas Speit die Frauen der Neonazi-Bewegung unter die Lupe. „Die Frauen stabilisieren die Szene im Hintergrund“, erläutert Röpke. In der rechtsextremen NPD würden sie gezielt dafür eingesetzt, auf dem Land Akzeptanz zu schaffen - die Politik werde dann „nachgeschoben“.

„Sie nennen das selber kommunale Verankerung“, sagt Röpke. Die Frauen treten als nette Nachbarin oder hilfsbereite Vereinsschwester auf, organisieren Fußballturniere und Kinderfeste. Als Kommunalpolitikerin bedienen sie sich häufig sozialer und grüner Themen, wie Grünen-Vorstandsmitglied Astrid Rothe-Beinlich berichtet. Naturschutz, Landwirtschaft, auch Gentechnik gehören dazu. „Wir wollen gesunde Nahrung für unsere gesunden Kinder“, heißt es dann. Ihnen helfe der verbreitete Irrglaube, dass Rechtsextremisten Männer seien. „Frauen können genauso Nazis sein wie Männer“, sagt Rothe-Beinlich.

Mutter und Hausfrau als Ideal

Dabei klingt eines zunächst schizophren: Obwohl Frauen mehr und mehr Posten in den rechten Parteien und Organisationen besetzen, propagieren sie selbst weiter das Bild der Mutter und Hausfrau - einer Frau also, deren Hauptaufgabe es nicht ist, im Beruf erfolgreich zu sein, sondern Kinder in die Welt zu setzen. Akademikerinnen und Karrierefrauen, Feminismus und Emanzipation würden missachtet, sagt die Rechtsextremismus-Expertin Valerie Dubslaff von der Universität des Saarlandes. „Es wird gegen alternative Lebensentwürfe gehetzt.“

Männer haben beruflichen Vorrang

Akzeptiert wird auch, dass Männer beruflichen Vorrang haben. Das wurde etwa im Fall Gitta Schüßler deutlich. Die NPD-Politikerin hatte nach den Kommunalwahlen in Mecklenburg-Vorpommern 2009 kritisiert, dass zwei NPD-Parlamentarierinnen zugunsten männlicher Nachrücker auf ihre Mandate verzichteten.

In einem Bericht des Landesverfassungsschutzes heißt es, Schüßler habe das als „innerparteilichen Skandal“ und den NPD-Landesverband als eine „Männersekte“ kritisiert. Nicht ohne Folgen: Nach einem Misstrauensantrag trat sie als Vorsitzende des Rings Nationaler Frauen (RNF) zurück. Ihr Abgang wurde vom Vorstand der 2006 gegründeten NPD-Unterorganisation unter anderem mit „geradezu feministischen Ansichten“ begründet.

Ausstieg nicht leicht

Der Frauenzuwachs in der Szene macht sich auch bei Aussteiger-Organisationen wie Exit bemerkbar. „Wir haben in den letzten zehn Jahren auch zunehmend Frauen, die aussteigen wollen“, sagt Bernd Wagner, Leiter und Gründer von Exit. Knapp 20 Prozent derjenigen, die über die Organisation dem Rechtsextremismus den Rücken kehren wollen, seien weiblich. Dabei hätten Frauen es deutlich schwerer. „Vor allem wenn Kinder dabei sind“, sagt Wagner. „Hier fehlt die Unterstützung vonseiten der Gesellschaft und vonseiten des Staates.“

Buchhinweis

Andrea Röpke und Andreas Speit: Mädelsache! - Frauen in der Neonazi-Szene, Ch. Links Verlag, Berlin, 240 Seiten, 16,90 Euro.

Ein spezielles Programm für weibliche Aussteiger gebe es nicht. „Wir haben eine Art Ablaufschema für Frauen mit Kindern entwickelt“, erläutert Wagner. Trotzdem gebe es noch viele ungeklärte Fragen. „Wie geht man mit Kindern von Frauen um, die die Szene verlassen? Wie ist das familienrechtlich? Wie wägt man hier die verschiedenen Freiheitsrechte ab? Diese Fragen sind alle offen - sowohl staatlich als auch rechtlich.“

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