Glatze und Springerstiefel „veraltet“
Der deutsche Verfassungsschutz beobachtet einen Modewandel in der rechten Szene: Neonazis legten neuerdings Wert auf schicke Kleidung, geht aus dem neuen Verfassungsschutzbericht hervor. Glatze, Springerstiefel und Sweatshirts mit doppeldeutigen Buchstaben gelten in rechtsextremen Kreisen demnach als „veraltet“.
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Dem Bericht zufolge bevorzugen Neonazis laut Verfassungsschutz in der Öffentlichkeit jetzt Kleidungsstücke oder Marken, die sich an allgemeinen Trends der Jugendmode orientieren und durch entsprechende Schriftzüge oder Symbole die Zugehörigkeit zur Szene weniger offensichtlich signalisieren. Viele Rechtsextreme würden auf ein einschlägiges Erscheinungsbild verzichten, „weil es ein eindeutiges Erkennungsmerkmal für den politischen Gegner bietet und oftmals gesellschaftliche Stigmatisierung nach sich zieht“, heißt es in dem Verfassungsschutzbericht.
Einheitskluft nur noch bei Szene-Events
Die Einheitskluft werde meist nur noch bei „szene-internen Veranstaltungen“ getragen (z. B. NS-Black-Metal), zitiert bild.de aus dem neuen Verfassungsschutzbericht. Laut Verfassungsschutz bevorzugen Neonazis in der Öffentlichkeit jetzt „Kleidungsstücke oder Marken, die sich an allgemeinen Trends der Jugendmode orientieren und durch entsprechende Schriftzüge oder Symbole die Zugehörigkeit zur Szene weniger offensichtlich signalisieren“.
Piercings und Palästinensertuch
„Das Äußerliche eines Neonazis ist heute vielfältiger“, sagte der Bildungsreferent Michael Weiss dem „Spiegel“, „heute vermischt sich sein Stil mit der Pop- und Rockkultur, heute trägt er Piercings.“ Auch alte Symbole werden laut Weiss gern neu aufgeladen, wie beispielsweise das Palästinensertuch. „Das wird heute eingesetzt, einfach nur als ein Kampfsymbol gegen Israel“, so Weiss.
Es gehe dabei nicht um komplette Zusammenhänge, sondern darum, „passend zu machen, was eigentlich nicht passt“. Und Weiss weiter: „Das Problem ist, dass viele dieser Leute nicht mehr auffallen, nicht auf eine Linken-Demo und in keinem Stadion.“
Achterkombinationen in allen Varianten
150 Verschlüsselungen, die neu in einer Broschüre veröffentlicht sind, hat Weiss entziffert. Vor zehn Jahren habe es erst 100 gegeben. So steckt hinter dem Code 88 zweimal der achte Buchstabe im Alphabet, also zweimal das H für „Heil Hitler“. Die 28 steht für das Netzwerk „Blood & Honour“, das im Jahr 2000 verboten wurde. Bei 1488 ist die 8 mit der 14 gekoppelt und meint die 14 Wörter einer Phrase des US-Neonazis David Lane, die übersetzt lautet: „Wir müssen die Existenz unseres Volkes und eine Zukunft weißer Kinder sichern.“ Die Zahlen fänden sich überall: auf Autokennzeichen, als Tattoos und T-Shirt-Aufdrucke.
Hohe Gewaltbereitschaft
Trotz ihres neuen Modebewusstseins werden die Rechtsextremen zunehmend brutaler. Nach Verfassungsschutzerkenntnissen zählt die gewaltbereite rechte Szene in Deutschland rund 9.500 Personen. Allein die Zahl der „Autonomen Nationalisten“ stieg innerhalb eines Jahres um weitere 200 auf nun rund 1.000. Diese zeichneten sich durch eine besonders hohe Gewaltbereitschaft aus und fielen wiederholt wegen Übergriffen unter anderem bei Demonstrationen auf. Durch ihre Kleidung sind diese Neonazis nicht von linken Autonomen zu unterscheiden: Wie die Linken tragen sie bei Demos oft Turnschuhe, Sonnenbrillen und schwarze Kapuzenpullover.
25.000 Rechtsextremisten
Der Verfassungsschutz geht von insgesamt 25.000 Rechtsextremisten in Deutschland aus. Die NPD ist trotz rückläufiger Mitgliederzahlen weiterhin die mitgliederstärkste rechtsextreme Partei.
Die Sicherheitsbehörden zählten im Vorjahr 15.905 Straftaten mit rechtsextremem Hintergrund. Dabei machten Gewalttaten im vergangenen Jahr einen Anteil von 4,8 Prozent der Fälle aus. Bei den meisten Straftaten mit rechtsextremem Hintergrund handelte es sich um Propagandadelikte oder Volksverhetzung.
Bezogen auf die Einwohnerzahl verzeichnete das Bundesland Sachsen-Anhalt die meisten Gewalttaten - gefolgt von Brandenburg, Sachsen, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern. Entgegen der Entwicklung im Bund - hier gab es insgesamt einen Rückgang - stieg die Zahl der extremistischen Gewalttaten im Osten von 290 (2009) auf 304 (2010) an.
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