Gerät mit Tücken
Dass ein US-Präsident nicht alles selbst unterschreiben kann, scheint logisch zu sein. Dass dafür Unterschriftenmaschinen verwendet werden, gilt eigentlich als offenes Geheimnis. Seit Barack Obama im Mai allerdings den Autopen verwendet hat, um ein wichtiges Gesetz zu unterschrieben, stehen die Automaten plötzlich im Rampenlicht.
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Der Kongress hatte der Verlängerung des „Patriot Act“ am 26. Mai in letzter Minute zugestimmt, bevor das Gesetz ausgelaufen wäre. Da es erst mit Obamas Unterschrift in Kraft treten konnte, dieser sich zu dem Zeitpunkt aber auf dem G-8-Gipfel im französischen Deauville befand, kam der Unterschriftenautomat zum Einsatz.
Obama kontert mit Bush-Gutachten
Das rief eine Gruppe von Republikanern auf den Plan: In einem Brief forderten insgesamt 21 Parlamentarier den Präsidenten auf, ein Gesetz zur Verlängerung von umstrittenen Anti-Terror-Maßnahmen erneut zu unterzeichnen. Die Republikaner verwiesen in ihrem Brief auf den ersten Artikel der US-Verfassung, wonach jedes Gesetz dem Präsidenten persönlich zur Unterschrift vorgelegt werden muss.

AP/Manuel Balce Ceneta
Unterschriftenmaschine bei der „Arbeit“
Obamas Team konterte aber ausgerechnet mit einem Gutachten, das noch aus der Regierungszeit von seinem Vorgänger George W. Bush stammt und darlegt, dass die Unterschrift der Verfassung entspricht. Bushs damaliger Präsidentensprecher Ari Fleischer räumte ein, dass sein Chef sogar in Betracht gezogen hatte, die Maschine für ein weniger wichtiges Gesetz als Testfall zu verwenden. Getan hätte er es dann aber nicht.
Im Dauereinsatz
Bush nutzte den Automaten aber für etliche andere Anlässe - wie auch viele seiner Vorgänger. „Ich habe immer gehört, die Unterschriftenmaschine sei nach dem Präsidenten das am zweitmeisten geschützte Ding im Weißen Haus“, sagte Jack Shock, der für den damaligen Präsidenten Bill Clinton die Signiermaschine bediente. Jim Cicconi, der für Präsident George Bush senior gleich mehrere Automaten überwachte, sagt gegenüber der Nachrichtenagentur AP sogar, dass die Plastikschablonen durch den häufigen Gebrauch mehrmals ausgetauscht werden mussten.
Vorläufer schon bei Jefferson im Einsatz
Der erste Vorläufer der Signiermaschine, der Polygraph, wurde 1803 vom Engländer John Isaac Hawkins erfunden. Bereits ein Jahr später nutze Präsident Thomas Jefferson das Gerät, das die Bewegungen eines Stiftes auf weitere überträgt, womit gleichzeitig mehrere Dokumente unterzeichnet werden, intensiv. „Ich könnte nicht ohne Polygraph leben“, wird er zitiert.
Nach dem zweiten Weltkrieg soll Harry S. Truman als erster Präsident eine richtige Unterschriftenmaschine regelmäßig benutzt haben. John F. Kennedy nützte sie laut einem Buch von Charles Hamilton für fast jede nicht ganz wichtige Unterzeichnung.
Der Graphologe Stephen Koschal veröffentlichte 2009 ein Buch zu Signiermaschinen der US-Präsidenten. Darin beschreibt er, dass Ronald Reagan 22 verschiedene Vorlagen verwendet hatte und unter anderen mit „Ron“ und „Dutch“ unterschrieb, um Authentizität vorzugaukeln.
Der Preis der Bürgernähe
„Natürlich soll nach außen der Anschein gewahrt bleiben, der Präsident sei erreichbar“, sagt Shock. Die harten Fakten seien aber, dass man bei 10.000 erhaltenen Briefen am Tag nicht die gesamte Korrespondenz persönlich erledigen kann. So gibt es Grußkarten für Geburtstage und andere Anlässe, an denen die Unterschrift schon vorgedruckt ist. Autopen-Unterschriften kommen demnach bei persönlicheren Schreiben zum Einsatz, sagen Beamte früherer Präsidenten.
Während diese recht gesprächig sind, sind aktuelle Mitarbeiter im Weißen Haus eher verschlossen. Obama würde jeden Tag zehn zufällig ausgewählte Briefe entgegennehmen und meist auch persönlich - und mit eigener Unterschrift - beantworten. Aussagen, wie viele Autopen es im Weißen Haus gibt, wo sie stehen und wer sie überwacht, gibt es keine.
Maschine wird nicht müde
Auch die Hersteller der Maschinen halten sich bedeckt: Bob Olding, Chef des Marktführers Damilic, erklärt gegenüber AP, seine Kunden würden es nicht schätzen, wenn er Geheimnisse verrät. Er gibt aber zu, dass bei größeren Änderungen in der Regierungszusammensetzung sein Umsatz deutlich steigt.
Hatten die Modelle bis vor wenigen Jahren noch wie eine Art Zeichentisch ausgesehen, sind sie nun kompakter und freilich digital gesteuert - mechanische Arme, die einen Stift wie eine menschliche Hand bewegen, haben sie aber immer noch. Sie sind aber wesentlich ausdauernder: 500 Unterschriften pro Stunde schaffen sie, wenn die Dokumente über ein Magazin eingespeist werden. Werden sie manuell vorgelegt, sind des immer noch 200.
Falsche Unterschrift kann peinlich enden
Dass mechanische Unterschriften eine heikle Sache sind, mussten auch schon einige hochrangige Politiker erfahren: Dan Quayle, Vizepräsident von Bush senior, verteidigte sich gleich zweimal damit, dass brisante Dokumente nicht von ihm, sondern von einem Mitarbeiter durch eine Maschine unterzeichnet worden sein sollen. Ein Brief mit der Bitte an einen Richter, einen seiner Geldgeber nach dessen Verurteilung wegen Gaunereien in ein bequemeres Gefängnis zu verlegen, habe demnach gar nicht von ihm gestammt.
Verteidigungsminister Donald Rumsfeld wurde 2004 scharf kritisiert, als bekanntwurde, dass er die Kondolenzschreiben an die Familien gefallener Soldaten per Automat signieren ließ. Er hätte den trauernden Familien möglichst schnell schreiben wollen, verteidigte er sich. Später gelobte er, jeden Brief selbst zu unterschreiben.
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