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Kampf gegen Bedeutungslosigkeit

1,7 Quadratkilometer ist die deutsche Insel Helgoland in der Nordsee groß. Am Sonntag entscheiden 1.200 wahlberechtigte Bewohner, ob ihre Insel durch Landaufspülung mit der einen Kilometer entfernten Düne verbunden und dadurch größer werden soll. Die Insel kämpft mit zunehmender wirtschaftlicher Bedeutungslosigkeit.

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Immer mehr Einwohner ziehen von der Insel weg. 1.300 leben derzeit auf Helgoland, bis in die 80er Jahre waren es meist mehr als 2.000. Es wird immer schwieriger, die Infrastruktur - von Schulen bis zu Ärzten - aufrechtzuerhalten. Erst vor knapp zwei Jahren wurde Deutschlands einzige Hochseeinsel Helgoland in der Nordsee an das Festlandstromnetz angeschlossen. Zuvor waren die Bewohner aus Dieselaggregaten versorgt worden.

Platz für „Qualitätstouristen“

Auch die Touristen, die wichtigste Einnahmequelle, verlieren zusehends das Interesse. Kamen in Spitzenjahren mehr als 800.000 Tagesbesucher auf die Insel mit den roten Felsen, waren es im vergangenen Jahr nur noch 300.000. Immer weniger wollen auf der Insel, die als EU-Ausland gilt, zollfrei einkaufen.

Ein Expertenbericht über die Zukunft Helgolands sah als einzige Chance den Aufbau der Infrastruktur für „Qualitätstouristen“. Die passenden Unterkünfte dafür genauso wie für weitere Bewohner müssten aber erst Platz finden und gebaut werden. Die Möglichkeiten sind zusätzlich durch Denkmalschutzbestimmungen begrenzt. Viele Bauten dürfen deshalb nicht geändert werden.

Investoren für Maximallösung

Bereits ab einer Wahlbeteiligung von 20 Prozent sei der Bürgerentscheid für das Kommunalparlament ein verpflichtender Auftrag, erklärte der Sprecher des Landkreises Pinneberg, Marc Trampe, im Vorfeld der Volksabstimmung. Entscheidet sich die Mehrheit für ein Ja, soll ein Plan entwickelt werden, wie Flächen für Wohnen und Gewerbe durch die Verbindung der beiden Landteile gewonnen werden kann. Bei einem Nein soll geprüft werden, ob durch Aufspülung direkt an der Hauptinsel neue Flächen geschaffen werden können.

Die Bildkombo mit zwei Computersimulationen zeigt die Hochseeinsel Helgoland vor und nach der geplanten Sandaufspülung

APA/dpa/Hc Hagemann

Eine Simulation der Erweiterungspläne von Helgoland

Nicht alle können sich mit den Erweiterungsplänen anfreunden. Während die einen hoffen, Helgoland vor seinem Niedergang zu bewahren, fürchten andere den Verlust des Charmes, der Langsamkeit und des besonderen Charakters der Insel sowie die Abhängigkeit von Investoren. Vor allem Unternehmer setzen sich für die Maximallösung ein. Die Skeptiker warnen vor den Kosten. Alleine das Aufschütten der 300.000 Quadratmeter großen Landverbindung zur Düne würde laut Bürgermeister Jörg Singer rund 100 Millionen Euro kosten.

Frühe Vergrößerungsideen

Getrennt wurde Helgoland von seiner vorgelagerten Badedüne durch eine große Sturmflut im 18. Jahrhundert. Mit dem Projekt „Hummerschere“ gab es schon während des Nationalsozialismus Ideen, die Insel zu verlängern und zu vergrößern. In einem Zeitraum von 30 Jahren sollte Helgoland durch Sandaufspülungen deutlich erweitert werden. Diese Vorhaben wurden allerdings Anfang der 40er Jahre eingestellt.

2008 griff der Bauunternehmer Arne Weber die Vergrößerungsidee erneut auf. Webers Familie stammt zum Teil von Helgoland, viele Ferien verbrachte er in seiner Kindheit auf der Insel, berichtete der „Spiegel“. Er tätigte schon zahlreiche Investitionen auf Helgoland. Durch eine Sandaufschüttung wollte er eine zusammenhängende Fläche schaffen und darauf etwa Hotels bauen und die Landebahn des Flughafens verlängern. Eine Machbarkeitsstudie bezifferte die notwendigen Investitionen zur Landgewinnung vor drei Jahren mit rund 80 Millionen Euro.

Heftiger Widerstand

Die Ablehnungsfront gegen Webers Pläne war groß. Einige Bewohner bezeichneten ihn als größenwahnsinnig. Der damalige Bürgermeister Frank Botter beschrieb die Pläne 2008 als „Vision“, über die man „auf jeden Fall nachdenken sollte“. Geschehen ist aber nichts. Bewegung brachte der neue Bürgermeister und ehemalige Unternehmensberater Singer in die Angelegenheit. Er forderte neue Ideen und Innovationen für die Insel.

Bei der Abstimmung am Sonntag gehe es aber um einen „Grundsatzbeschluss“. Ob die Landbrücke tatsächlich verwirklicht werde, sei noch nicht sicher. Potenzielle Investoren gäbe es jedenfalls. Denn neben Weber stehen auch andere Investoren auf der Liste der Interessenten, berichtete der „Spiegel“. Diese wollen offenbar eine „Hochseewelt“ mit einer großen Auswahl an Wassersportarten.

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