Brief über „Markenrelaunch“
Eine nach der Tötung von Al-Kaida-Chef Osama bin Laden durch US-Spezialkräfte in Pakistan aufgefundene Notiz hat Pläne enthüllt, laut denen der Extremistenführer seine Terrororganisation einer Imagepolitur unterziehen wollte. Grund dafür sei ein zunehmendes „Marketingproblem“ gewesen, hieß es dazu Ende Juni im britischen „Telegraph“.
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Bin Laden habe das Terrornetzwerk zunehmend zerfallen gesehen, schrieb die britische Tageszeitung. Zahlreiche seiner frühen Weggefährten seien bereits tot gewesen, er hätte teils nicht einmal deren Nachfolger gekannt, bei Anschlägen seien viel zu viele Muslime ums Leben gekommen. Fazit: „Der Westen war der Sieger der PR-Schlacht.“
In dieser Situation wollte sich der Extremistenführer laut „Telegraph“ ausgerechnet einer „ur-amerikanischen Strategie“ bedienen und Al-Kaida einem PR-Facelift, beginnend mit einem neuen Namen, unterziehen. Das Problem mit dem Namen „Al-Kaida“ sei, dass ihm die „religiöse Komponente“ abhandengekommen war. Und die war es, den Muslimen auf der ganzen Welt weismachen zu wollen, dass sie sich in einem „Heiligen Krieg“ mit den USA befinden.
„Dschihad“ aus dem Namen verschwunden
Der ursprüngliche Name „Al-Kaida al-Dschihad“, was so viel bedeutet wie „Die Basis des Heiligen Krieges“, wurde auf „Al-Kaida“, „Die Basis“, verkürzt. Da das Wort „Dschihad“ nicht mehr im Namen vorkam, hätte laut Bin Laden auch der Westen stets behaupten können, er befinde sich nicht in einem Krieg gegen den Islam. Nun hätte Bin Laden überlegt, seine Terrororganisation etwa in „Taifat al-Tawhed Wal-Dschihad“ (sinngemäß etwa „Gruppe für Monotheismus und Dschihad“) oder „Dschama’at l’Adat al-Khalifat al-Raschida“ (etwa „Gruppe für die Wiederherstellung des Kalifats“) umzubenennen.
Weißes Haus sieht Brief als Bestätigung
Der undatierte Brief wurde laut „Telegraph“ unter Bin Ladens letzten Notizen gefunden, nachdem die US-Navy SEALs den damals 54-Jährigen in einem Anwesen im pakistanischen Abbottabad aufgespürt und am 2. Mai dort erschossen hatten.
Im Weißen Haus, so der „Telegraph“, interpretiere man Bin Ladens Notizen als Bestätigung der Linie von US-Präsident Barack Obama eine sensible Sprachregelung in puncto Islam und Terrorismus betreffend. Wörter wie „Dschihad“, die auch eine nicht kriegerische Bedeutung haben, würden in Washington zunehmend vermieden. Anstatt von „islamischen Extremisten“ sei simpel von „Terroristen“ und „Massenmördern“ die Rede.
Triumph für Obama
„Die Informationen, die wir in Bin Ladens Anwesen sichergestellt haben, zeigen, dass Al-Kaida in großen Schwierigkeiten ist“, zitierte die britische Zeitung Obama. „Bin Laden beklagte, dass Al-Kaida nicht in der Lage ist, getötete Terroristenführer zu ersetzen und dass Al-Kaida versagt hat, die USA als ein Land hinzustellen, das im Krieg mit dem Islam ist und deshalb ihre breite Unterstützung verlor.“
Brief jemals verschickt?
Laut „Telegraph“ war die gefunden Notiz als Brief verfasst, aber an niemanden adressiert. Wegen des Kuriersystems, das der in Saudi-Arabien geborene Bin Laden benutzte, sei es auch unklar, ob der Brief jemals verschickt wurde. Wenn, dann soll Bin Laden mit seinen beiden Stellvertretern, dem Ägypter Aiman al-Sawahiri und dem mittlerweile getöteten Mustafa Abu al-Dschasid, in regelmäßigem Briefkontakt gestanden sein.
Schon in einem früheren Schreiben an Al-Sawahiri habe sich Bin Laden darüber beklagt, dass das Image seines Terrornetzwerks durch die Tötung von Muslimen ein ernsthaftes Imageproblem, speziell im Irak, habe. Die Analyse der sichergestellten Notizen aus Bin Ladens Versteck soll mittlerweile abgeschlossen sein. Moderne Kommunikationsmittel wie Internetanschluss und Mobiltelefon wurden bei der Kommandoaktion in Pakistan - zumindest bei Bin Laden selbst - nicht gefunden.
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