Positiver Trend seit Jahren
In den USA ist die Kriminalitätsrate deutlich rückläufig. Im letzten Jahr sank die Zahl der schweren Delikte wie Mord, Vergewaltigung, Körperverletzung und Raub stark, wie aktuelle Statistiken der US-Bundespolizei FBI zeigen. Die Gründe dafür sind allerdings nicht eindeutig geklärt.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Man könnte vermuten, dass sich Wirtschaftskrise und hohe Arbeitslosigkeit eher negativ auf die Kriminalitätsstatistiken auswirken. Doch das Gegenteil ist der Fall: 2010 ging die Zahl der schweren Delikte um 5,5 Prozent zurück, bei Raub waren es im Vergleich zu 2009 minus 9,5 und bei Mord minus 4,2 Prozent. 2009 war die Zahl der Verbrechen ebenfalls um über fünf Prozent gesunken.
Schon weiter zurückreichende FBI-Statistiken zeigen nicht nur einen ähnlich positiven Trend, sondern legen auch einige interessante Zusammenhänge nahe. Die Zahl der Morde und schweren Raubdelikte etwa begann zu sinken, als 1991 die Nachfrage nach der Droge Crack ebenfalls nachzulassen begann. Zuvor war eine Kriminalitätswelle 1980 abgeebbt, nachdem die Babyboomer-Generation dem „kriminellen Alter“ entwachsen war, wie es in einem am Dienstag veröffentlichten Artikel der britischen BBC heißt.
Der „Obama-Effekt“
Doch für sich alleine dürften solche Korrelationen als Erklärung nicht ausreichen. Den Grund für den Rückgang der Verbrechensrate, so die BBC, könne niemand wirklich nennen. Doch es gibt eine Reihe von Thesen zur Erklärung. Wenn, lässt sich die Entwicklung wahrscheinlich nur aus dem komplexen Zusammenspiel mehrerer Faktoren erklären.
Eine der vielen Ursachen könnte laut dem Kriminologen und Systemanalytiker Alfred Blumstein von der privaten Carnegie Mellon University (CMU) in Pennsylvania der „Obama-Effekt“ sein. Der Ansatz, sagt Blumstein selbst, sei spekulativ. Aber die Wahl von Barack Obama zum ersten schwarzen US-Präsidenten 2009 könnte ein Teil einer Erklärung sein, weshalb die Zahl der gerade von jungen Schwarzen verübten Delikte stark zurückgeht. Obama fungiere als positives Leistungsidol.
War Crack die Ursache?
Ein relativ einleuchtendes Argument Blumsteins für den starken Anstieg der Zahl der Gewaltverbrechen in den 80er Jahren und eine anschließende Trendumkehr stellt einen Zusammenhang mit dem Konsum von Crack her. Die abnehmende Nachfrage nach der Droge (laut FBI-Statistik ab 1991) führte zu einem Rückgang von Beschaffungskriminalität.
Hightech und die Angst vor Handykameras
Einige US-Bundesstaaten wie Texas setzen stark auf Prävention. In der Stadt Laredo an der Grenze zu Mexiko gelang es der Polizei laut BBC, die Zahl der Autodiebstähle um 40 Prozent zu senken. Auch andere Delikte sind rückläufig. Das sei nicht nur durch Aufklärung über Kriminalitätsprävention gelungen, so Joe Baeza, Sprecher der Polizei von Laredo, sondern auch durch den Einsatz von Hightech, etwa Nummerntafelerkennung und das System CompStat (für Comparative Statistics, Anm.), mit dessen Hilfe eine Art Landkarte der Kriminalität erstellt wird.
An dieser richtet die Polizei ihre Präsenz in bestimmten Gegenden und „Hot Spots“ aus. Blumstein weist auch der steigenden Verbreitung von Kamerahandys eine Bedeutung zu, mit der das Risiko steigt, während einer Tat fotografiert bzw. gefilmt zu werden.
Babyboomer „kriminellem Alter“ entwachsen
Neben solchen praktischen Erklärungen haben US-Wissenschaftler weitere Thesen parat. Der Ökonom Steven Levitt von der Universität Chicago etwa sorgte bereits im Jahr 2000 mit einem Artikel („The Impact of Legalized Abortion on Crime“) für Kontroversen, in dem er behauptete, die Legalisierung der Abtreibung (weniger „ungewollte Kinder“, die später in die Kriminalität abrutschten) habe zu einem Rückgang der Verbrechensrate geführt.
Andere wie der Soziologe John Conklin von der Tufts University in Massachusetts erklären das Phänomen damit, dass durch die „Null Toleranz“-Politik in weiten Teilen der USA schlicht mehr Kriminelle im Gefängnis sitzen und so aus dem Verkehr gezogen sind. Eine weitere Hypothese ist die, dass die Babyboomer-Generation mittlerweile dem „kriminellen Alter“, in dem junge Männer statistisch gesehen am häufigsten straffällig werden, entwachsen ist.
Videospiele, Blei im Benzin
Andere Erklärungsversuche führen das Abnehmen der Kriminalitätsrate auf Videospiele und auf Blei im Benzin zurück. Stehen Videospiele gewöhnlich in Verruf, die Jugend gewalttätig zu machen, behauptet eine erst kürzlich in Texas veröffentlichte Studie das Gegenteil: PC-Spiele hielten Jugendliche von der Straße und damit von Kriminalität fern.
Eine weitere These bezieht sich auf die Korrelation „Blei im Benzin - Gewalt“: Die Ökonomin Jessica Wolpaw Reyes vom Amherst College in Massachusetts stellt einen statistischen Zusammenhang zwischen der Reduktion bzw. dem Verbot von Blei in Treibstoff und dem Sinken der Kriminalitätsrate her. Da Blei als Schadstoff bei Kindern zu Hyperaktivität und auffälligem Verhalten führe, habe die schrittweise Reduktion des Gehalts dieses Schwermetalls im Sprit zwischen 1975 und 1985 dazu geführt, „dass 20 Jahre später die Zahl der schweren Verbrechen zurückging“.
Links: