Themenüberblick

Volksabstimmung am 1. Juli

Sechs Monate nach Beginn der Proteste in Nordafrika hat Marokkos König Mohammed VI. in einer TV-Ansprache am Freitagabend angekündigt, auf einen Teil seiner umfassenden Machtbefugnisse zu verzichten. Er präsentierte Pläne für eine Verfassungsreform, über die die Bürger schon in knapp zwei Wochen abstimmen sollen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Der König rief die Marokkaner in seiner Rede an die Nation auf, der neuen Verfassung in einem Referendum am 1. Juli zuzustimmen. Wie in zahlreichen anderen Ländern des Nahen Ostens und Nordafrikas gehen die Menschen auch in Marokko seit Monaten auf die Straße, um mehr demokratische Rechte einzufordern. Dabei kam es zuletzt auch zu Zusammenstößen, größere Unruhen blieben in dem Maghreb-Staat bisher allerdings aus.

Nun entschloss sich Mohammed Ben al-Hassan, so der volle Name des 47-jährigen Regenten, doch zu tiefgreifenden Reformen. Er will zwar auch weiterhin Führer aller marokkanischen Muslime bzw. „Gläubigen“ („Amir al Mouminine“) und Oberhaupt der Streitkräfte bleiben, ansonsten aber einen Teil seiner Macht an die gewählte Regierung abgeben. Marokko ist zwar eine konstitutionelle Monarchie, de facto herrschte der König bisher allerdings absolut.

Zugeständnisse an Berber

Unter der neuen Verfassung muss der König einen Regierungschef aus der Partei ernennen, die bei Wahlen die meisten Parlamentssitze erhält. Bisher konnte er aus freien Stücken entscheiden. Zugleich erhält der Premierminister weitere Befugnisse - etwa das Recht, Minister zu entlassen oder das Parlament aufzulösen. Außerdem kann der König laut neuer Verfassung nicht mehr allein einem anderen Land den Krieg erklären oder über den Abbruch der diplomatischen Beziehungen entscheiden.

Das Parlament erhält das Recht, Generalamnestien zu erlassen. Auch das konnte bisher nur der Monarch. In der neuen Verfassung soll auch die Berber-Sprache Amazigh (Tamazight) gleichberechtigt neben Arabisch als offizielle Amtssprache anerkannt werden.

Stärkere Gewaltenteilung

Mohammed VI., der von Anfang an als reformbereiter als sein Vater Hassan II., dem er 1999 auf den Thron nachfolgte, galt, hatte die Verfassungsreform bereits im März nach Demonstrationen für mehr Demokratie angekündigt. Eine Kommission hatte den Entwurf, der vor allem das Prinzip der Gewaltentrennung zwischen Judikative und Exekutive vorsieht, unter Beteiligung der politischen Parteien, Gewerkschaften, Nichtregierungsorganisationen und anderen Vertretern der Zivilgesellschaft in den vergangenen Wochen erarbeitet.

„Freiheit und Würde aller Bürger“

Bei einer Zustimmung am 1. Juli wäre die Verfassungsreform die sechste seit der Unabhängigkeit des Landes von Frankreich im Jahr 1956. Mohammed betonte in seiner Fernsehansprache aber, dass sie die erste wäre, die vom Volk selbst gestaltet wurde. Er selbst sei zwar weiterhin als „unantastbar“ anzusehen. „Übergeordnetes Ziel sind aber die Freiheit und die Würde aller Bürger“, erklärte der Monarch. Die Reform solle „die Säulen einer konstitutionellen, demokratischen, parlamentarischen und sozialen Monarchie festigen“.

Bisher kein Rütteln am Thron

Die Oppositionsbewegung in Marokko hatte sich im Vorfeld skeptisch gezeigt, dass der König zu wirklichen Reformen bereit sei. In den vergangenen Wochen war es in Marokko bei Protesten vermehrt auch zu Zusammenstößen mit der Polizei gekommen, bei denen Dutzende Menschen verletzt wurden. Die Demonstranten fordern mehr Demokratie, Arbeitsplätze und eine Verbesserung der Lebensumstände. Die Monarchie stellten sie bisher aber nicht infrage.

Neue Protestaufrufe

Die Protestbewegung in Marokko kritisierte die angekündigte Verfassungsreform als unzureichend und rief für Sonntag zu neuen Demonstrationen auf. Die vorgestellten Änderungspläne erfüllten die Forderungen nach einer „echten Gewaltenteilung“ nicht, sagte ein Vertreter der Bewegung des 20. Februar, die nach dem ersten Tag der Proteste in Marokko benannt ist. Deshalb seien für Sonntag in mehreren Städten „friedliche“ Demonstrationen für eine „wirklich demokratische Verfassung und eine parlamentarische Monarchie“ geplant.

Link: