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Geschäftsmodell mit Selbstläuferpotenzial

Das Ende des Kalten Krieges hat Arsenale hinterlassen, die für die heute von Militärs wahrgenommenen Bedrohungsszenarien immer weniger von Bedeutung sind. Armeen werden verkleinert und an neue Erfordernisse angepasst, ganze Flotten aus Kampfpanzern und anderem schweren Kriegsgerät, die für Auseinandersetzungen zwischen den Blöcken gedacht waren, zum Ballast.

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Die Kolosse zu verkaufen, wird immer schwieriger, zumindest wenn man sie nicht in den falschen Händen sehen will. Als Lösung bleibt folglich oft nur die Verschrottung - auch wenn die Waffensysteme noch voll funktionsfähig sind. Grundsätzlich ein Minusgeschäft, aber wenigstens ist ein Kostenfaktor eliminiert.

Alles andere als ein schlechtes Geschäft ist das Recycling von Waffensystemen für die deutsche Battle Tank Dismantling GmbH-Koch (BTD GmbH-Koch). Das Unternehmen ist europaweit das einzige, das von der NATO für die Verschrottung von Kriegsgerät zertifiziert ist. Auf ihrem Gelände in der kleinen Ortschaft Rockensußra in Thüringen wurden bisher rund 16.000 Militärfahrzeuge zerlegt, wie Peter Koch, Gründer und Geschäftsführer der BTD-Koch, im Interview mit ORF.at schildert.

Schweißarbeiten am Panzer-Verschrottungsplatz in Ebeleben (Deutschland)

Battle Tank Dismantling GmbH Koch

Ein Geschützrohr wird per Schneidbrenner zerlegt.

„Demilitarisieren“ und wiederverwerten

Zerlegen heißt in diesem Zusammenhang erst „Demilitarisieren“ und Unbrauchbarmachen aller „kriegswaffenrelevanten“ Komponenten und anschließend Verschrotten, bis nur noch wiederverwertbare Einzelteile übrig sind. Das dauert, so Koch, je nach Fahrzeugtyp, nicht länger als zwei bis drei Tage. Trotzdem muss sich das Unternehmen keine Sorgen um seine künftige Auslastung machen. Die bestehenden Aufträge reichen für die nächsten drei bis fünf Jahre.

Mit genauen Zahlen sind Koch und die deutsche Bundeswehr, die die militärische Aufsicht über das „Reduzierungszentrum“ hat, zurückhaltend. Auf jedem Fall warten auf dem Stellplatz des rund zwölf Hektar großen Geländes in Rockensußra deutlich mehr Panzerfahrzeuge auf ihre Verschrottung als die über 700, die das Österreichische Bundesheer derzeit noch in Betrieb (oder bereits stillgelegt) hat.

Österreichische „Jaguar I“ verschrottet

2007 verschrottete das Unternehmen 127 „Jaguar I“ des Bundesheeres, die Mitte der 90er Jahre für den 500 Millionen Euro schweren „Mech-Pakt“ unter dem damaligen ÖVP-Verteidigungsminister Werner Fasslabend angeschafft worden waren sowie Panzerabwehrwaffen vom Typ „rPAK“.

Der Schrottplatz des Kalten Krieges

Das Geschäftsmodell „Demilitarisierung, Verwertung und Entsorgung von Wehrmaterial“ hatte von Anfang an ein Selbstläuferpotenzial, wie Koch gegenüber ORF.at erklärt. Grund dafür ist der 1990 unterzeichnete Vertrag über Konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE), der, wie schon im Namen anklingt, die Bestände konventioneller Waffen limitiert. Wurde eine neue Serie gebaut, musste bereits mit der Verschrottung der Vorgängermodelle begonnen werden, so Koch. „Seit 1991 ist das nicht anders.“ Das Unternehmen beschäftigt derzeit 35 Arbeiter, die den Kolossen in Handarbeit - mit Schraubenschlüssel und Schneidbrenner - zu Leibe rücken.

Wohin mit den NVA-Arsenalen?

Entstanden ist der erste Panzerschrottplatz in Rockensußra 1991 als „Reduzierungszentrum für Kriegswaffen“. Damals, sagt Koch, hätte Deutschland nach der Wende 1989 und der Zusammenlegung von Deutscher Bundeswehr und Nationaler Volksarmee der DDR (NVA) dringendst eine solche Anlage benötigt. „Deutschland war gezwungen, mit der Zusammenlegung der Armeen einen Reduzierungsstandort zu errichten.“ Es sei nach einem Platz gesucht worden, der relativ zentral in Deutschland liegen sollte.

Der Standort Rockensußra, so Koch, sei „eigentlich ein Zufallsprodukt“. Dort lagen zu dem Zeitpunkt zwei Industrieanlagen aus der früheren Kalisalzproduktion brach. Außerdem hätten „die (im Osten Deutschlands auch heute noch niedrigeren, Anm.) Lohnkosten eine Rolle gespielt“.

Viel Vertrauen, viel Kontrolle

Dass die Militärs damals überhaupt begannen, Aufträge zur Verschrottung ihrer Waffensysteme extern zu vergeben, lag laut Koch daran, „dass den Herstellern die ‚Reduzierung‘ nicht so geläufig war“. Dass heute ein privates Unternehmen die führende Rolle dabei spielt, braucht jedenfalls einen Vertrauensvorschuss. Schließlich geben die Militärs größtenteils voll einsatzfähige Waffensysteme aus der Hand.

Parkende Panzer am Verschrottungsplatz in Ebeleben (Deutschland)

Battle Tank Dismantling GmbH Koch

Die Panzer sind an einem Raster ausgerichtet, Satelliten überwachen Bewegung.

Mit Vertrauen allein ist es allerdings nicht getan. „So genau wird das niemand sagen“, so Koch, „aber ich denke, dass zirka 25 Satelliten über uns sind.“ Die Fahrzeuge, die an einem Raster ausgerichtet sind, könnten keinen Meter weit bewegt werden, ohne dass nicht sofort die Bundeswehr auf dem Gelände stehen würde. „Sie müssen sich vorstellen“, so Koch, „jedes Fahrzeug ist eine vollständige Kriegswaffe, das ist kein Spielzeug.“ Bewegt werden die Panzer nur noch, wenn es in Richtung Schneidbrenner geht. „Alles passiert nur mit Genehmigung des Bundes (der Bundeswehr, Anm.).“

„In den Vorgarten stellen, das geht gar nicht“

Die Bundeswehr hat auch beim Weiterverkauf des Schrotts ein Wörtchen mitzureden. Im Vordergrund stünden dabei nicht primär wirtschaftliche Überlegungen wie Abnehmerpreis, sondern die Frage, wie seriös ein Abnehmer ist. Mitunter erreichten sein Unternehmen, sagt Koch, Anfragen für intakte Fahrzeuge auch von privater Seite - natürlich ohne Erfolg. „In den Vorgarten stellen, das geht gar nicht.“

Wertvoll ist der Schrott aus den Kampfkolossen, extrem widerstandsfähiger Stahl für die Geschütze, spezielle Legierungen etc., allemal. Damit haben auch die Endprodukte mitunter ihren Preis. Einmal, erzählt Koch, habe er einen Abnehmer gefragt, was denn aus einer Lieferung Stahl werden solle. „Ein ganz normales Klappmesser“, habe der geantwortet - Preis: 400 Euro pro Stück. Auf Kochs Einwand, „das kauft doch keiner“, habe der Kunde erwidert: „So schnell kann ich sie gar nicht herstellen, wie sie weg sind.“

Peter Koch, Geschäftsführer des Panzer-Verschrottungsplatz in Ebeleben (Deutschland)

Battle Tank Dismantling GmbH Koch

Unternehmensgründer Peter Koch im Interview: Mit der Bezeichnung „‚Panzerknacker‘ kann ich sehr gut leben“.

Vom Arbeiter zum Unternehmenschef

Der Betrieb, resümiert Koch, sei „schon etwas Außergewöhnliches“. Er selbst war anfangs in der Kaliindustrie tätig, von der die thüringische Region noch zu DDR-Zeiten lebte, später als einfacher Arbeiter („Brennschneider“) im Vorgängerunternehmen seiner BTD GmbH. 2001 übernahm er die Geschäftsführung, 2004 ging der gesamte Betrieb in die BTD-Koch über. Bis 2008 sei der Standort stetig gewachsen. Seit diesem Jahr ist das Unternehmen auch das einzige in Europa, das unbegrenzt TPE-Material („Treaty Limited Equipment“), also Kriegsgerät, das unter die Beschränkungen des KSE-Vertrags fällt, auf seinem Gelände lagern darf, wie Koch nicht ohne Stolz erzählt. „Das ist wie die Beförderung vom Gefreiten zum General.“

Lange Liste von Kunden

Zu den Kunden der BTD GmbH-Koch zählen die Waffensystemschmieden Rheinmetall Defence und Krauss-Maffei Wegmann, Deutsche Bundeswehr, Bundesheer, Schweizer Armee und andere. Seit der Gründung des ersten „Reduzierungszentrums“ haben von dort aus über über 2.500 Schützenpanzer aus NVA-Beständen, über 200 schwere Kampfpanzer des russischen Typs „T-72“, mehr als 850 deutsche „Leopard I“ und über 170 vom Typ „Jaguar“ den Weg Richtung Schmelzofen angetreten.

Mit der Bezeichnung „Panzerknacker“ in deutschen Medienberichten könne er übrigens „sehr gut leben“, sagt Koch. Schließlich tue er etwas für den Frieden. „Was bei uns rausgeht, ist bald im Hochofen verschwunden.“

Georg Krammer, ORF.at

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