Themenüberblick

US-Zollbeamter erschossen

Es hätte ein ausgeklügelter Coup sein sollen, mit dem US-Behörden einen Treffer gegen Mexikos Drogenszene landen wollten. Doch der Plan, im Zuge der Operation „Fast and Furious“ an die Drahtzieher der Kartelle heranzukommen, ging schief: Hunderte illegale Waffen, die mit dem Wissen von US-Behörden nach Mexiko verkauft wurden, verschwanden im Untergrund.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Mehr als 1.700 illegale Waffen wurden während der 15-monatigen Operation mit dem Wissen des US-Büros für Alkohol, Tabak, Schusswaffen und Sprengstoffe (ATF) an mutmaßliche Schmuggler verkauft. Der Plan war, ihren weiteren Handelsweg zu verfolgen, um an die Auftraggeber, die im mexikanischen Drogenmilieu vermutet wurden, heranzukommen. Doch die amerikanischen Behörden verloren die Spur zu den Waffen, wie die US-Zeitung „LA Times“ in ihrer Onlineausgabe berichtet.

Waffen tauchen bei Gewalttaten wieder auf

Viele der Waffen wurden in den am meisten von Gewalt erschütternden Gebieten Mexikos verteilt. Die Folgen: Mindestens 195 von ihnen konnten mit kriminellen Handlungen in Verbindung gebracht werden, wie Dokumente des Center for Public Integrity und der Zeitung „The Times“ zeigen. Mit einer dieser unter US-Aufsicht geschmuggelten Waffen wurde, so wird vermutet, auch jener US-Grenzbeamte erschossen, der im Dezember verstarb. Am Tatort wurden zwei Schusswaffen gefunden, die den Fahndungsobjekten zugeordnet werden konnten.

„Mit dieser Anzahl von Waffen werden wir niemals wissen, wie viele Menschen getötet, vergewaltigt, ausgeraubt werden“, sagte John Dodson, ein ATF-Agent. „Es gibt nichts, was wir tun können, um diese Schusswaffen wieder zu bekommen. Die sind weg.“

„Gab eine Menge Warnungen“

Wie das passieren konnte, ist unklar. US-Senator Charles E. Grassley verlangte in einer Anfrage Aufklärung über die Operation „Fast and Furious“. „Wir haben die Dokumente, die wir wollten, noch immer nicht erhalten“, sagte er gegenüber der „LA Times“. Die Behörde betreibe eine „Blockadepolitik“. „Viel zu viele Regierungsbehörden wollen ‚den großen Fall‘.“ Sie hätten diese Waffenverkäufe weitergehen lassen, auch als Leute innerhalb der Behörde vor fatalen Konsequenzen warnten. „Es gab eine Menge Warnungen (...) und die Prognosen entpuppten sich als richtig.“

37.000 Tote seit 2006

Seit der mexikanische Präsident Felipe Calderon bei seinem Amtsantritt Ende 2006 den mächtigen Drogenbanden des Landes den Kampf angesagt hatte, kamen in dem Drogenkrieg etwa 37.000 Menschen ums Leben.

Die Operation nahm ihren Ausgang in einer Razzia an der mexikanischen Grenze - Zollbeamte entdeckten einen aus den USA kommenden Pkw, der Dutzende Handfeuerwaffen, Munition und Messer geladen hatte. Mehrere der Schusswaffen konnten via Seriennummer zu ihrem Händler zurückverfolgt werden - diese Spur führte die Beamten dann auf Jaime Avila, der mehrere Waffen bei diesem Händler gekauft hatte. Trotz der Bedenken mancher ATF-Mitarbeiter, ließen die Beamten Avila laufen.

Undurchsichtiger Handel über Strohmänner

Diese Methode war Teil eines Strategiewechsels, der mit der zunehmenden Schwierigkeit begründet wurde, den Waffenschmuggel zu unterbinden. Denn die Verflechtungen zwischen Händlern, Strohmännern und eigentlichen Auftraggebern würden immer komplexer. So würde die Ware etwa über mehrere legale Besitzer weitergereicht, bevor sie nach Mexiko geliefert werden, berichtet die „LA Times“.

Ähnliche Methoden würden die Behörden auch im Kampf gegen den Drogenschmuggel anwenden. Waffenhandel sei jedoch etwas ganz anderes, kritisierten mehrere ATF-Mitarbeiter. Sie sehen die oberste Prämisse der Behörde verletzt: Egal wie die Operation ausgeht - die Waffen dürfen nicht verloren gehen. „Unser Job ist es, die Waffen von der Straße und den Händen Krimineller fernzuhalten“, so Jay Dobyns, ein ATF-Agent, der nicht an der Operation beteiligt war.

Druck auf Beamten ausgeübt?

Ein Agent, der an „Fast and Furious“ beteiligt war, erklärte, ihm gegenüber habe ein Vorgesetzter die Vorgehensweise folgendermaßen gerechtfertigt: „Wenn du ein Omelette machst, musst du auch Eier verrühren.“ Laut einer E-Mail, die der Zeitung vorliegt, wurde von Vorgesetzten massiver Druck auf die Agenten ausgeführt, die Operation zu einem Erfolg zu bringen.

ATF: Waffen gingen nicht unerlaubt über Grenze

Nach der Ermordung des Zollbeamten Brian Terry wurde Avila festgenommen. Im Jänner wurde er gemeinsam mit 33 andere als Strohmann im Waffenhandel angeklagt. Zwei Monate nach der Ermordung schickte Grassley eine Anfrage an das Justizministerium, um mehr Details über Terrys Tod zu erfahren.

Als Antwort verlautete das ATF, die Anschuldigungen seien schlicht „falsch“. Man habe bei der Operation „Gunrunner“, im Zuge derer auch „Fast and Furious“ durchgeführt wurde, mehr als 10.000 Schusswaffen und 1,1 Millionen Munitionsladungen auf ihrem Weg nach Mexiko beschlagnahmt. Die Behörde unternehme alles, um den illegalen Waffenschmuggel nach Mexiko zu unterbinden.

Links: