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Kein „Grundrecht auf würdiges Sterben“?

Ein deutscher Rechtsstreit um Sterbehilfe geht vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in eine neue Runde. Damit müssen die Straßburger Richter indirekt die heikle Frage klären, inwieweit der Staat den Bürgern ein Sterben in Würde ermöglichen muss.

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Das Straßburger Gericht erklärte am Freitag die Klage eines 67 Jahre alten Witwers aus Braunschweig für zulässig. Dessen querschnittsgelähmte Frau hatte in Deutschland vergeblich die Erlaubnis zum Erwerb einer tödlichen Dosis von Schlafmitteln beantragt. Der Gerichtshof prüft nun, ob das Recht des Deutschen auf Schutz seines Privatlebens und auf wirksame Rechtsmittel verletzt wurde.

Frau wählte Freitod in der Schweiz

Bei einer Anhörung im November hatte der Pensionist die Leiden seiner Frau geschildert, die seit einem Sturz querschnittsgelähmt war und rund um die Uhr versorgt werden musste. Nach der Absage des deutschen Bundesamtes für Arzneimittel (BfArM) setzte die damals 55-Jährige im Februar 2005 ihrem Leben in der Schweiz ein Ende - mit Hilfe einer Schweizer Sterbehilfe-Organisation. Ihr Mann begleitete sie auf ihrer letzten Reise.

Der Rechtsvertreter der deutschen Bundesregierung hatte vor dem Gerichtshof die Entscheidung des Bundesamtes gerechtfertigt. In Deutschland sei weder Selbstmord strafbar noch die Beihilfe dazu. Daraus könne aber keine Verpflichtung zur Suizidhilfe für den deutschen Staat abgeleitet werden. In zwei früheren Fällen hatte der Straßburger Gerichtshof selbst ähnlich argumentiert.

EGMR lehnte staatliche Verantwortung bisher ab

Der EGMR wies in der Vergangenheit bereits Klagen gegen Großbritannien und die Schweiz ab, bei denen es ebenfalls um verweigerte staatliche Sterbehilfe ging. Das Menschenrechtsgericht befand, ein Staat könne nicht zu Sterbehilfe verpflichtet werden. Außerdem könne aus dem Grundrecht auf Leben nicht das Recht auf würdiges Sterben abgeleitet werden. Die in diesem Fall relevanten nationalen Gesetze in Deutschland unterscheiden sich jedoch wesentlich von jenen in der Schweiz und in Großbritannien. Mit einem Urteil in dem aktuellen Fall ist erst in mehreren Monaten zu rechnen.

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