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Zonen statt Klassen

Enge Sitze, abgestandene Kabinenluft, kaum Platz für Bewegung, überfüllte Fächer fürs Handgepäck und Tuchfühlung mit anderen Passagieren: Fliegen ist nicht immer ein Vergnügen. Wenn es nach den Ideen von Airbus geht, soll das Flugzeug im Jahr 2050 ganz anders aussehen. Anleihen will der Konzern vor allem bei der Natur nehmen.

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Die Kabine der Zukunft soll transparent sein, den Fluggästen bietet sich damit ein 360-Grad-Panaroma - ganz so, wie wenn man in einem Doppeldeckerbus ohne Dach fährt. „Ingenieure träumen“, meinte Airbus-Entwicklungschef Charles Champion. Doch einige der Visionen würden schon jetzt umgesetzt und seien vielleicht schon in zehn Jahren Realität, so der Franzose.

Computergrafik eines zukünftigen Flugzeugs von Airbus

Airbus S.A.S.

Sterne schauen in der Flugzeugkabine

Das bisherige Klassensystem von First Class, Businessclass und Economyclass soll aufgelöst werden. „Das ist es nicht, was die Leute wollen“, verwies Champion auf Umfragen, die Airbus durchführen ließ. Stattdessen soll es individuelle Sitzanordnungen und Erlebniszonen geben. Die Sitze, aus nachwachsenden, sich selbst reinigenden Materialien gefertigt, sollen sich der Körperform anpassen.

Hitech auf allen Ebenen

In Revitalisierungszonen ist die Luft mit Vitaminen angereichert, in Interaktionszonen können die Passagiere hoch über den Wolken virtuell Golf spielen und shoppen gehen. Mit Hologrammen sollen sich die Fluggäste aber auch Raumtrenner und Privatsphäre schaffen können.

Hologramme sollen auch virtuelle Spiele ermöglichen, und mit „Augmented Reality“, zu Deutsch „erweiterte Realität“, wird die durch die transparente Kabinenkuppel sichtbare Umgebung erklärt - etwa Namen und Höhenangabe von Berggipfeln. Auch auf den Anschluss an die digitale Welt müssen Passagiere nicht mehr verzichten: Internet und Telefon funktionieren, sogar Konferenzteilnahmen sollen möglich sein.

Grünes Fliegen?

Airbus-Entwickler Champion sieht vor allem drei Herausforderungen für die Zukunft. „Die Menschen wollen billig, effizient und umweltfreundlich fliegen.“ Darauf müsse die Branche Antworten finden. Deshalb soll der Flugverkehr in einigen Jahrzehnten komplett anders aussehen als heute. 2050 gelte es, neun Milliarden Erdenbürger von A nach B zu bringen. „Wir müssen die Luft nutzen, um die Erde zu schonen“, lautet das ambitionierte, aber wohl nicht ganz uneigennützige Motto bei Airbus.

Auch in Sachen Klimaschutz will Airbus völlig neue Wege gehen: Die Sitze sollen die Körperwärme der Passagiere in Energie umwandeln. Biosprit, Wasserstoffzellen, Solarenergie - das alles soll genützt werden, um von der Ölabhängigkeit der Flugbranche loszukommen.

Lernen von der Natur

Zudem nimmt man Anleihen an der Natur: Von Vögeln will Airbus Flugeigenschaften abkupfern, Biomimikri nennt der Konzern das. Wie Vogelschwärme könnten auch Flugzeuge in Formation fliegen und während des Flugs aneinander andocken, um gemeinsam Sprit zu sparen. Auch die Vision von riesigen, fliegenden Flugzeugträgern, auf denen Passagierflugzeuge in der Luft landen und sich „mitnehmen“ lassen, wurde aufgenommen.

Einen Knackpunkt sieht Champion in den Flughäfen: „Wir können uns viele schöne Sachen ausdenken, wenn das Flugzeug aber 40 Minuten über Heathrow fliegt und auf die Landung warten muss, ist vieles wieder verloren.“ So könnten die Flugzeuge wie ein U-Bahn-Zug in einen Bahnhof rollen, die Passagiere steigen über mehrere Zugänge zügig ins Flugzeug, werden über Touchscreens erfasst und geben ihr Gepäck, das sie während des gesamten Fluges beobachten können, erst in der Kabine auf einem Rollband ab.

Ökonomisch sinnlos?

Ganz abgesehen von der völlig offenen technischen Umsetzung meinen Kritiker, die Ideen von Airbus werden jedenfalls Science-Fiction bleiben: Fluglinien verdienen viel mehr Geld mit First-Class-Passagieren. Die Teilung abzuschaffen wäre finanziell ein Schuss ins Knie, hieß es etwa in einem Blog des „Wall Street Journal“. An Ryan Air, wo man überlegt, Toiletten an Bord abzuschaffen und Stehplätze anzubieten, um mehr zahlende Passagieren transportieren zu können, wird man solche Flugzeuge wohl nicht verkaufen können.

Ob die Passagiere virtuell Golf spielen können, wird bei Airlines beim Flugzeugkauf wohl nicht oberste Priorität haben, meinte Paul Sheridan vom Luftfahrtberatungsunternehmen Ascend Worldwide: Das wirtschaftliche Diktat lautet für Fluglinien einfach, den Platz mit mehr Sitzen zu füllen. Und einige reiche Fluglinien wie die Emirates lassen die Maschinen schon jetzt umbauen, wenn Gäste in der ersten Klasse mehr Luxus wollen.

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