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Mutter will auf Schadenersatz klagen

Die Kieler Staatsanwaltschaft hat ihre Ermittlungen zum Tod einer Marinesoldatin auf dem deutschen Segelschulschiff „Gorch Fock“ eingestellt. Es gebe keinen hinreichenden Anhaltspunkt für ein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten der Schiffsführung oder von Besatzungsmitgliedern, teilte eine Sprecherin der Anklagebehörde am Donnerstag in Kiel mit.

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Der Tod der Kadettin, die am 7. November während einer Ausbildungsreise in einem brasilianischen Hafen von einem Mast gestürzt war, hatte eine kontroverse Diskussion über die Zustände auf dem Schiff ausgelöst. Nach dem Unglück, das sich bei einer Aufenterübung ereignete, war der Vorwurf laut geworden, Ausbilder hätten massiven Druck auf die jungen Kadetten ausgeübt.

„Belastung, aber keine Überlastung“

Dafür fand die Staatsanwalt aber keine Anhaltspunkte. Für die Ausbilder sei zum Zeitpunkt des Unfalls bei der Kadettin eine „Belastungssituation, aber keine Überlastungssituation erkennbar“ gewesen, sagte eine Sprecherin zum Abschluss der Ermittlungen, bei denen mehr als 50 Zeugen befragt worden waren. „Im Ergebnis liegen keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für eine objektive Pflichtverletzung vor, so dass von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen war.“

Der Anwalt der Mutter der Getöteten kündigte nach der Entscheidung gegenüber dem Nachrichtenmagazin „Focus“ (Onlineausgabe) an, die Bundesrepublik nun auf Schadenersatz klagen zu wollen. Der Tod der Tochter seiner Mandantin sei generell zu behandeln wie ein Dienstunfall, woraus Schadenersatzansprüche resultierten, erklärte der Jurist.

Trotz „Kraftlochs“ Anweisungen ignoriert

Nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft hatte die 25-Jährige während der fraglichen Übung zwar zu einem Kameraden gesagt, dass sie sich in einem „Kraftloch“ befinde - den Ausbildern berichtete sie davon aber nichts. Im Verlauf des Trainings habe sie sogar Anweisungen ignoriert und sei den Mast freiwillig höher hinaufgestiegen als verlangt. Unmittelbar vor ihrem Absturz habe sie beim Wiederabstieg zudem die Hilfestellung eines in der Takelage postierten Ausbilders abgelehnt.

Warum die Frau plötzlich den Halt verlor und abstürzte, sei nicht mehr genau zu klären, betonte die Sprecherin. Es spreche „einiges dafür“, dass der Unfall auf einen „Erschöpfungszustand“ zurückzuführen sein könnte. Möglich sei auch, dass sie zu schnell hinabstieg und dann abrutschte.

Kritik an Ausbildung

Unabhängig von ihrer strafrechtlichen Bewertung bemängelten die Ermittler rückblickend „unzureichende Regelungen“ für die Startphase der Segelausbildung. So sei damals nicht einheitlich geregelt gewesen, wie in der ersten zehntägigen Eingewöhnungsphase etwa bei persönlichen Schwierigkeiten in der Takelage mit den Kadetten umzugehen sei und was genau meldepflichtig gewesen wäre. Das habe die „Gefahr unterschiedlicher Herangehensweisen und Unklarheiten“ beinhaltet.

Die Offiziersausbildung auf der „Gorch Fock“ ruht zurzeit, über die Zukunft des Segelschulschiffs ist bisher noch nicht entschieden. Marine und Verteidigungsministerium wollten unter anderem zunächst die Ergebnisse der staatsanwaltlichen Ermittlungen wegen des Verdachts einer fahrlässigen Tötung abwarten.

Exzesse auf Schulschiff an der Tagesordnung

An Bord des Schulschiffes soll es einem Untersuchungsbericht zufolge immer wieder Exzesse gegeben haben. Von massivem Alkoholmissbrauch ist die Rede, von Todesdrohungen und sexuellen Übergriffen. Ausbilder sollen die Kadetten enorm unter Druck gesetzt haben. Außerdem soll der Großteil der Kadetten für die Aufgaben ungeeignet gewesen sein.

Das legendäre Segelschulschiff „Gorch Fock“ ist das älteste Schiff der deutschen Marine. Es gilt als Botschafterin Deutschlands auf den Weltmeeren. Gebaut wurde der Dreimaster auf der Hamburger Werft Blohm & Voss, im August 1958 lief er vom Stapel. Benannt ist das Schiff nach dem Schriftsteller Gorch Fock, der im Ersten Weltkrieg in einer Seeschlacht starb.

Sechs Todesfälle seit Beginn der Ausbildung

Zur 85-köpfigen Stammbesatzung kamen bisher jeweils bis zu 138 junge Lehrgangsteilnehmer hinzu. In mehr als 50 Jahren wurden rund 14.500 Kadetten auf der „Gorch Fock“ ausgebildet. 1989 kamen mit fünf Sanitätsoffiziersanwärterinnen erstmals Frauen an Bord. Seit Beginn der Ausbildung gab es insgesamt sechs Todesfälle.

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