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Debatte über Doppelstaatsbürgerschaft

Das Ringen um Autonomie hat die Nachkriegsgeschichte Südtirols bestimmt und für manchen Streit zwischen Österreich und Italien gesorgt. Mit einer Serie von Bombenattentaten wollten Südtiroler Aktivisten in den 50er und 60er Jahren die Weltöffentlichkeit auf ihre Situation aufmerksam machen. Was folgte, waren zähe Verhandlungen und die Umsetzung eines umfangreichen zweiten Autonomiestatuts.

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Am 10. September 1919 wurden mit dem Friedensvertrag von St. Germain Südtirol und das Trentino von Österreich abgetrennt und kamen zu Italien. Mit der Machtübernahme der Faschisten unter Benito Mussolini wurden ab 1922 massenhaft Italiener in Südtirol angesiedelt. Die ortsansässige deutschsprachige Bevölkerung fürchtete mehr und mehr um ihre nationale Identität.

Mit dem Hitler-Mussolini-Pakt wurden die Südtiroler 1939 vor die Wahl gestellt, sich als Italiener zu bekennen oder nach Deutschland auszuwandern.

Gruber-De-Gasperi-Abkommen

Das erste Autonomiestatut erhielten die Südtiroler im Jahr 1948, nachdem es auf Drängen der Westmächte am 5. September 1946 zum Abschluss eines Schutzvertrages gekommen war, der von den Außenministern Karl Gruber und Alcide de Gasperi unterzeichnet wurde (Gruber-De-Gasperi-Abkommen bzw. Pariser Vertrag). Allerdings wurde Südtirol auf Initiative De Gasperis mit dem Trentino in einer Region zusammengefasst. Dadurch erlangte die italienische Bevölkerung die Mehrheit.

Am 20. Jänner 1972 trat schließlich das neue Autonomiestatut für Südtirol in Kraft. Alle Durchführungsbestimmungen hätten bis 1974 erlassen werden müssen. Gegen Ende der 70er Jahre verlangsamte sich das Tempo beim Erlassen der Bestimmungen immer mehr. Die Verhandlungen dauerten schließlich bis Jänner 1992.

Österreich weiter Schutzmacht

Am 30. Jänner gab der italienische Ministerpräsident Giulio Andreotti vor dem römischen Parlament die Erklärung ab, dass seine Regierung das Paket für erfüllt halte. Im April übergab Italien Österreich eine diplomatische Note, in der die Autonomie für erfüllt erklärt wurde.

Am 11. Juni folgte der formelle Abschluss der Südtirol-Verhandlungen. Von österreichischer Seite wurde betont, dass die Schutzmachtfunktion aufrecht bleibe und dass kein Verzicht auf das Selbstbestimmungsrecht Südtirols vorliege.

Offene Grenzen dank Schengen

In den darauffolgenden Jahren wurde die Südtirol-Autonomie schrittweise erweitert. Unter anderem erfolgte die Errichtung eines eigenen Oberlandesgerichts in Bozen. Die deutsche Sprache wurde bei Polizei und Gericht der italienischen gleichgestellt. Nach dem österreichischen EU-Beitritt und dem Inkrafttreten des Schengener Abkommens wurde an den Übergängen zu Nord- und Osttirol der Wegfall der Grenzbarrieren gefeiert.

Zu den aktuellen Bemühungen zählen die Verankerung der Schutzmachtfunktion in einer neuen österreichischen Bundesverfassung und eine österreichische Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler. Die Zusammenarbeit in der Europaregion Tirol soll institutionalisiert werden. Zudem feilscht Bozen derzeit mit Rom unter anderem um die Rückgabe von Militärarealen sowie die Zuständigkeit für Polizei und Postwesen.

Frage des Doppelpasses „ernst nehmen“

Die Frage einer Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler, die aktuellen Diskussionen über das Selbstbestimmungsrecht und das Verhältnis zwischen Bozen und Rom standen am Freitag auch im Mittelpunkt des ersten offiziellen Südtirol-Besuches von Bundespräsident Heinz Fischer.

Das Thema der zweifachen Staatsbürgerschaft nehme man „ernst“ und beschäftige sich „sorgfältig“ damit, sagte Fischer nach dem etwa einstündigen Arbeitsessen auf Einladung von Landeshauptmann Luis Durnwalder (SVP) in Brixen.

Fischer betonte bei dieser Gelegenheit, dass Südtirol von Wien „nach wie vor große Aufmerksamkeit“ gewidmet werde. Zur Frage des Selbstbestimmungsrechtes und einer allfälligen Rückkehr zu Österreich, wie sie derzeit mit Unterschriftenaktionen oder aber von Wirtschaftsvertretern wieder thematisiert wird, sagte Fischer, Autonomie sei „der griechische Ausdruck für Selbstbestimmung“. Österreich stehe zur Autonomie, sei vertragstreu und werde „keine Schritte setzen, die die Autonomie außer Kraft setzen“.

SVP will weiter auf Autonomie setzen

Auch Durnwalder betonte vor den Journalisten, Österreich habe die Schutzfunktion über Südtirol. Die SVP setze weiter auf die Autonomie. Solange sie eingehalten werde, gebe es keinen Grund, den Vertrag zu kündigen und einen anderen Weg zu gehen. Auch die „Überlegungen“ von hochrangigen Wirtschaftsvertretern, zurück zu Österreich oder zu einem Freistaatmodell zu gehen, wolle er nicht überbewerten.

Ende Juni will die Südtirol-Delegation unter Führung von SVP-Obmann Richard Theiner und Durnwalder, die aktuellen Fragen in Wien thematisieren. Unter anderem steht ein Treffen mit Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) auf dem Programm.

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