Zeitzeugen melden sich zu Wort
Mit der Sprengung von 37 Strommasten ist die Südtiroler „Feuernacht“ am 12. Juni 1961 in die Geschichte eingegangen. Zahlreiche Bücher wurden in den vergangenen 20 Jahren über das Thema publiziert. Zum Jubiläum zeigen nun gleich mehrere Neuerscheinungen, dass die Bewertung der Südtiroler Bombenjahre noch immer umstritten ist und weiterhin Aufklärungsbedarf besteht - etwa über die Rolle Österreichs.
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Raetia
Hans Karl Peterlini: Feuernacht. Südtirols Bombenjahre, Edition Raetia, 512 Seiten, 48,40 Euro.
Nachdem bereits die erste Ausgabe (Herausgeber Elisabeth Baumgartner, Hans Mayr und Gerhard Mumelter, Anm.) aus dem Jahr 1992 vom Autor der Jubiläumsausgabe, Hans Karl Peterlini, als „Initialzündung“ der in den folgenden Jahren „explodierten Bombenliteratur“ bezeichnet wurde, dürfte - nach vier längst vergriffenen Auflagen - der im Juni neu erschienene 500-Seiten-Wälzer „Feuernacht. Südtirols Bombenjahre“ erneut eine Sonderstellung als Standardwerk zum Thema einnehmen.
Basierend auf Darstellungen und dem umfangreichen Bildteil der Erstausgabe berücksichtigt Peterlini nun auch unter anderem die Rolle der Frauen, die Sicht der italienischen Bevölkerung, neue Erkenntnisse zu den politischen Hintermännern und die Erinnerungskultur in Wissenschaft und Literatur.
Dank bisher kaum zugänglicher Gerichtsakte wurden zudem die Vorgänge in den Gefängnissen und Folterkellern, aber auch die Stimmung in der italienischen Bevölkerung völlig neu recherchiert. Dasselbe gilt für die Geschichte des ersten Opfers der mit 1961 initiierten Gewaltwelle und den damit in Zusammenhang stehenden italienischen Anschlägen in Österreich.

Tyrolia
Birgit Mosser-Schuöcker, Gerhard Jelinek: Herz Jesu Feuernacht, Tyrolia Verlag, 240 Seiten, 24,95 Euro.
Österreichs Politik bereits früh eingeweiht?
Wer waren die Bombenleger, wer waren ihre Helfer, wer wusste über ihre Pläne Bescheid? Antwort auf diese Fragen suchen auch Birgit Mosser-Schuöcker und Gehard Jelinek mit „Herz Jesu Feuernacht“. Zahlreiche Zeitzeugen schildern darin ihre Sicht auf die Ereignisse, die jahrelang nicht zuletzt auch das Verhältnis zwischen Österreich und Italien belasteten.
Der Versuch der Einordnung der in der Nacht von 11. auf 12. Juli 1961 ausgelösten Ereignisse widmet sich dabei auch der Rolle Österreichs. Neben den an den Anschlägen beteiligten Nordtirolern und prominenten Unterstützern des Befreiungsausschusses Südtirol (BAS) nähren dabei etwa Gesprächsmitschnitte Spekulationen, dass selbst höchste politische Kreise bereits früh in die Pläne eingeweiht waren. Zur Sprache kommt dabei unter anderem auch das „echte Dilemma“, das offenbar die österreichische Justiz im Umgang mit den Sympathisanten und Aktivisten hatte, da diese einerseits „fast im Auftrag der österreichischen Politik gehandelt“, andererseits dennoch „Gesetze gebrochen“ haben.

Athesia
Rolf Steininger: Die Feuernacht - und was dann?, Athesia Verlag, 96 Seiten, 10,18 Euro.
„Gewalt löst keine Konflikte“
Als Verfasser der drei Bände „Südtirol zwischen Diplomatie und Terror 1947-1969“ hat der Historiker Rolf Steininger in der Frage der Einordnung der „Feuernacht“ bereits 1999 für Aufsehen gesorgt. Zum 50-Jahresjubiläum untermauert der emeritierte Innsbrucker Geschichtsprofessor nun mit „Die Feuernacht - und was dann?“ seine These, wonach die Bombenjahre Südtirols Weg zur Autonomie letztlich mehr behindert als geebnet haben.
Ziel der Broschüre ist laut Verlagsangaben eine kritische Hinterfragung des „Mythos Feuernacht“ und der nach wie vor verbreiteten Ansicht, dass der Gewaltakt von 1961 tatsächlich als entscheidender Auslöser für die Wende in der italienischen Südtirol-Politik zu werten sei.
Peter Prantner, ORF.at