„Bin nur Überlebender von Buchenwald“
Der spanische Schriftsteller Jorge Semprun ist tot. Er starb am Dienstag im Alter von 87 Jahren in Paris, wie das Madrider Kulturministerium am späten Abend mitteilte.
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Der Autor, der jahrelang im Untergrund gegen das spanische Franco-Regime tätig war und das Konzentrationslager Buchenwald überlebte, war einer der bedeutendsten Schriftsteller und Intellektuellen Spaniens. Von 1988 bis 1991 war Semprun spanischer Kulturminister. 2006 erhielt er den Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur. 1994 hatte er den Friedenspreis des deutschen Buchhandels erhalten.
„Die große Reise“
Semprun stammte aus einer angesehenen Madrider Familie. Sein Großvater war Ministerpräsident, ein Onkel Innenminister. 1939 flüchtete er vor der Franco-Diktatur nach Frankreich. Dort schloss er sich der Resistance gegen die Nazis an. 1943 wurde er von der Gestapo verhaftet und ins Konzentrationslager Buchenwald verschleppt. Die Deportation in einem Viehwaggon und die Gefangenschaft arbeitete er in den Romanen „Die große Reise“ (1963) und „Was für ein schöner Sonntag“ (1980) literarisch auf.
Erster Roman auf Spanisch mit 80
Seine Bücher schrieb Semprun überwiegend auf Französisch, weil er während der Franco-Diktatur (1939 bis 1975) seine Werke nicht in Spanien veröffentlichen durfte. Als Kommunist und wichtige Figur des Widerstands wurde er vom Regime verfolgt. Seinen ersten Roman auf Spanisch verfasste er mit fast 80 Jahren. Das Werk trägt den Titel „20 Jahre und ein Tag“ und handelt von seiner Zeit im Untergrund.
„Ich bin weder Schriftsteller noch Politiker. Ich bin nur ein Überlebender von Buchenwald“, sagte Semprun einmal. Einem breiteren Publikum wurde er als Filmautor bekannt. Er schrieb die Drehbücher für Filme wie „Z“ von Costas Gavras und „Der Krieg ist aus“ von Alain Resnais. Semprun war trotz seiner Erfahrungen in Buchenwald zeitlebens ein Optimist. „Ich könnte stundenlang davon berichten, zu welchen Grausamkeiten der Mensch fähig ist“, sagte er einmal. „Aber was soll’s? Ich habe auch erlebt, wie ein Mann einem Mitgefangenen ein Stück Brot abgab, weil dieser schwächer war. Ich erzähle lieber von solchen Begebenheiten.“
Abrechnung mit Kommunismus
Politisch engagierte er sich zunächst für die Kommunistische Partei Spaniens (PCE). Er organisierte unter dem Decknamen Federico Sanchez den Untergrundkampf gegen die Franco-Diktatur und stieg ins Zentralkomitee der Partei auf. 1964 wurde Semprun wegen Abweichens von der Parteilinie aus der PCE ausgeschlossen. Im Roman „Der zweite Tod des Ramon Mercader“ rechnete er mit dem Kommunismus ab.
1988 nahm Spaniens sozialistischer Regierungschef Felipe Gonzalez den Autor als Kulturminister ins Kabinett auf. Der Literat sollte „frischen Wind“ in die Regierung bringen. Aber schon bald geriet er mit dem Parteiapparat aneinander und verlor 1991 sein Ministeramt. Semprun pendelte nicht nur zwischen Literatur und Politik, sondern auch zwischen den Ländern Spanien, Frankreich und Deutschland. Deutsch hatte er als Bub von seinen Kindermädchen gelernt.
Wegen seiner Vorliebe für das Französische hatte der Autor bei seiner Ernennung zum Kulturminister von Kabinettskollegen die Frage zu hören bekommen: „Bist Du überhaupt Spanier?“ Auf der Gegenseite musste er sich in Frankreich, als er 1995 in die Academie Francaise aufgenommen werden sollte, vorhalten lassen, dass er einen spanischen Pass hatte. Daraufhin zog Semprun seine Kandidatur zurück.
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