Stamm produziert mehr Giftstoffe
Bei der Identifikation des EHEC-Erregers ist man einen Schritt weitergekommen. Am Donnerstag teilte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) mit, dass es sich bei dem Keim um einen bisher unbekannten Stamm handelt. Laut genetischen Untersuchungen ist dieser eine mutierte Form aus zwei E.-coli-Bakterien.
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Die WHO-Expertin für Lebensmittelsicherheit Hilde Kruse sagte, ein solcher Stamm sei noch nie bei Patienten isoliert worden. Der neue Stamm weise Merkmale auf, die ihn mehr Giftstoffe produzieren ließen. Bisher kostete EHEC mindestens 18 Menschen das Leben. Erst am Donnerstag gab die Universitätsklinik in Hamburg bekannt, dass eine ältere Patientin an den Folgen einer Infektion mit EHEC-Bakterien gestorben sei.
Bisher sind 1.500 Menschen an dem neuen EHEC-Keim erkrankt, 470 davon entwickelten die besonders schwere Form, bei der es zu Nierenschäden und neurologischen Störungen und in weiterer Folge auch zum Tod kommen kann. Bisher starben im Deutschland 17 Personen an dem durch den Erreger ausgelösten Hämolytisch-urämischen Syndrom (HUS). In Schweden starb eine Frau, die sich zuvor in Deutschland aufgehalten hatte.
Keine Entwarnung in Hamburg
In der am schlimmsten betroffenen Stadt Hamburg ist auch drei Wochen nach dem ersten Auftreten des EHEC-Keims keine Entwarnung in Sicht. „Bei uns ist die Lage nach wie vor angespannt“, sagte Jörg Debatin, Vorstandschef des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE). Zurzeit würden in der Klinik 102 Patienten mit dem Hämolytisch-urämischen Syndrom (HUS), einer schweren Komplikation, behandelt.
Darunter seien 27 Kinder und fünf schwangere Frauen. „Der Trend, den wir Anfang der Woche erhofft hatten, dass die Anzahl der Neuinfektionen zurückgeht, hat sich leider nicht bestätigt“, sagte Debatin. In der Nacht auf Donnerstag starb im UKE eine 81 Jahre alte Frau an den Folgen der Infektion.
Alle Fälle im Zusammenhang mit Deutschland
Auch außerhalb Deutschlands sind in den vergangenen Tagen immer wieder Fälle von EHEC-Infektionen gemeldet worden. So sind in Großbritannien derzeit sieben Menschen in Behandlung. In Österreich wurde bei einem Niederösterreicher, der mit Verdacht auf eine EHEC-Erkrankung ins Krankenhaus eingeliefert worden war, mittlerweile Entwarnung gegeben. Jedoch haben sich bisher ausnahmslos alle erkrankten Personen zuvor in der betroffenen Region in Norddeutschland aufgehalten.
Suche nach Erregerquelle geht weiter
Auch wenn man inzwischen mehr über die Beschaffenheit des EHEC-Keims weiß, tappt man bei der Suche nach der Infektionsquelle weiter im Dunkeln. Auch auf weiteren in Hamburg getesteten Gurken haben Experten nicht den derzeit grassierenden Keim gefunden, sagte eine Sprecherin am Donnerstag. „Keine der vier Proben zeigte den Serotyp O104:H4 des Erregers, der aus den Stuhlproben der Patienten isoliert wurde.“ Auch bei den in Österreich genommenen Proben wurde kein EHEC-Keim gefunden.
Streit über russisches Importverbot
Obwohl bisher auf keinem Gemüse der gefährliche EHEC-Erreger gefunden wurde, hat Russland Donnerstagfrüh einen Importstopp für Gemüse aus allen EU-Staaten verhängt. Diese Maßnahme kam nur wenige Stunden nachdem die EU-Kommission eine Gesundheitswarnung vor spanischen Gurken aufgehoben hatte. Die EU-Kommission hat Russland nun zu einer Erklärung für die Verhängung eines Importstopps aufgefordert.
Infos zur EHEC-Epidemie
Das Gesundheitsministerium richtete eine Telefonhotline (050/555 555) ein, wo man Fragen zum EHEC-Bakterium und zu möglichen Vorsorgemaßnahmen stellen kann. Ausführliche Informationen gibt es auch auf der Website des Ministeriums.
Die Entscheidung der russischen Behörden sei „unverhältnismäßig“, sagte der für Gesundheit zuständige Sprecher der EU-Kommission, Frederic Vincent, am Donnerstag in Brüssel. „Die Kommission wird einen Brief an die russischen Behörden schreiben, um eine Erklärung zu verlangen.“ Pro Jahr werde frisches Obst und Gemüse im Wert „zwischen drei und vier Milliarden Euro“ nach Russland exportiert, in erster Linie Äpfel.
Spanien verlangt Schadenersatz
Wegen der sich als falsch erwiesenen Einstufung von spanischen Gurken als Quelle für die Infektionen mit dem gefährlichen Darmkeim EHEC will Spanien nun Schadenersatz verlangen. Sein Land werde „vor den relevanten Behörden in Europa Entschädigungen für den entstandenen Schaden fordern“, sagte Regierungschef Jose Luis Rodriguez Zapatero am Donnerstag im spanischen Rundfunk.
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