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„Große Herausforderung“

Keine Klarheit über die EHEC-Quelle, wahrscheinlich weitere Tote, erneuerte Warnung vor Gemüse: Nach einem Spitzentreffen haben in Deutschland Bund, Länder und Behörden die Bevölkerung auf eine weitere Ausbreitung der Infektionswelle eingestimmt. Weitere Todesfälle seien eher wahrscheinlich, so der Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI), Reinhard Burger, am Montag in Berlin.

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Ein Abschwächen der Welle erwarte er nicht: „Es geht weiter.“ Eine zweite Studie habe erneut gezeigt, dass der Verzehr von rohem Gemüse in Norddeutschland ein erhöhtes Risiko berge, sagte der RKI-Chef. Entsprechende Warnungen blieben aufrechterhalten. „In dieser Woche wird sich zeigen, ob die Verzehrwarnung hilfreich war oder nicht.“ Grund sei die lange Zeit zwischen Infektion und Krankheitsausbruch.

„Europäische Dimension erreicht“

„Wir haben eine angespannte Situation, aber sie ist zu bewältigen“, so der deutsche Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) mit Blick auf die EHEC-Patientenversorgung. Die Bürger seien zu vorsichtigem Verhalten aufgefordert. „EHEC hat längst eine europäische Dimension“, sagte Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU), „wir stehen gemeinsam vor einer großen Herausforderung.“ Zum Schutz der Verbraucher sei es richtig gewesen, frühzeitig Verzehrhinweise zu geben.

Burger nannte die offiziell bestätigte Zahl von mittlerweile 353 Fällen der schweren Komplikation HUS. 60 Prozent davon entfielen auf Norddeutschland. Allein übers Wochenende habe es 80 neue Fälle gegeben. „Unverändert überwiegt der Anteil der Frauen mit 70 Prozent der Fälle.“ Die Seuche sei mittlerweile in fast allen Bundesländern angekommen. In Deutschland forderte der aggressive EHEC-Erreger bereits 15 Todesopfer. 13 davon sind Frauen.

Spanien will EU-Hilfen für Bauern

Unterdessen bleiben Europas Gemüsebauern wegen der Seuche auf ihrer Ware sitzen und müssen Einnahmeausfälle in Millionenhöhe hinnehmen. Besonders ernst ist die Lage in Spanien. Madrid will die EU um Hilfen für seine Bauern bitten und prüft auch Schadenersatzforderungen gegen Deutschland. Denn spanische Bauern sehen sich vorschnell als Quelle für den Erreger an den Pranger gestellt. Inzwischen verbot Russland die Einfuhr von Gemüse aus Deutschland und Spanien.

Spanien werde sein Anliegen auf einem informellen Treffen der EU-Agrarminister vorbringen, kündigte die spanische Ressortchefin Rosa Aguilar am Montag an. Auf dem EU-Ministertreffen in Debrecen in Ungarn werde sie ihre deutsche Amtskollegin Aigner zudem auffordern, bei der Suche nach den Ursprüngen der EHEC-Erkrankungen „nicht nach Spanien zu blicken“.

Warten auf spanische EHEC-Proben

In Hamburg waren auf Salatgurken aus Spanien EHEC-Erreger festgestellt worden. Die spanischen Stellen argumentieren, dass die Gurken möglicherweise nicht bei der Produktion in Südspanien, sondern auf dem Transport oder bei der Verarbeitung kontaminiert worden seien. Nun kündigte der spanische Agrarstaatssekretär Josep Puxeu an, dass Madrid Schadenersatzansprüche für Landwirte in Spanien prüfe. Er warf deutschen Behörden vor, auf der Grundlage von Spekulationen den Eindruck erweckt zu haben, dass die Infektionen ihren Ursprung in spanischen Gurken haben könnten.

Spanische Bauernverbände bezifferten die Verluste, die dem Gemüseanbau entstünden, auf sechs bis acht Millionen Euro am Tag. Die Madrider Gesundheitsministerin Leire Pajin betonte, es gebe bisher keine Beweise und auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Gurken in Spanien mit EHEC-Erregern kontaminiert worden seien. „Wir haben von den deutschen Stellen immer wieder verlangt, dass sie keine Schuldzuweisungen vornehmen sollen, solange es keine gesicherten Erkenntnisse gibt“, sagte die Ministerin dem Fernsehsender Telecinco.

Die Europäische Union erwartet am Mittwoch Klarheit darüber, ob der gefährliche EHEC-Keim tatsächlich durch Gurken aus Spanien nach Deutschland gelangte. Die spanischen Behörden hätten Proben aus dem Boden des Gewächshauses eines Produzenten genommen, sagte eine Kommissionssprecherin am Montag.

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