Sohn: Mladic krank und „unschuldig“
Trotz seines scheinbar angeschlagenen gesundheitlichen Zustandes wird sich der mutmaßliche bosnisch-serbische Kriegsverbrecher Ratko Mladic vor dem UNO-Sondertribunal für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) verantworten müssen. Nach einer - der zweiten - Vernehmung des 69-Jährigen in Belgrad entschied das zuständige Gericht am Freitag eine Auslieferung nach Den Haag.
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Der 69-Jährige sei durchaus in der Verfassung, vor Gericht gestellt zu werden, sagte Richterin Maja Kovacevic vor Journalisten in Belgrad. Es sei festgestellt worden, dass Mladic „physisch in der Lage ist, der Anhörung zu folgen“. Er leide aber tatsächlich an chronischen Erkrankungen, hieß es.
Mladic, der in Den Haag wegen Völkermordes während des Bosnien-Krieges angeklagt ist, war am Donnerstag nach eineinhalb Jahrzehnten auf der Flucht in einem Dorf in der nordserbischen Provinz Vojvodina festgenommen worden.
Laut dem zuständigen Gericht in Belgrad verweigerte Mladic die Annahme der Anklageschrift des UNO-Tribunals. „Ihr habt Milosevic gewählt und nicht ich, wer ist also schuld“, wurde er zitiert. Mladic hat drei Tage Zeit, die Entscheidung des Belgrader Gerichts anzufechten.
Erste Vernehmung abgebrochen
Nach seiner Festnahme war zuerst nicht ganz klar gewesen, ob der Zustand des Ex-Generals seine Auslieferung erlaubt. Eine erste Vernehmung Donnerstagabend musste schon nach kurzer Zeit abgebrochen werden. Laut Mladics Anwalt Milos Saljic waren der Grund dafür schwere gesundheitliche Probleme. Der Ermittlungsrichter des serbischen Sondergerichts zur Verfolgung von Kriegsverbrechern habe vergeblich versucht, Mladic zu befragen. Er sei „psychologisch und körperlich“ in schlechter Verfassung und habe daher nicht mit dem Gericht kommunizieren können.
„Es ist schwierig, irgendeine Art von Verständigung mit ihm aufzubauen“, sagte der Anwalt. Bereits zuvor hatte es geheißen, Mladic sei in einem „ziemlich schlechten“ körperlichen Zustand. Auch der Belgrader Radiosender B-92 hatte berichtet, dass die Anhörung wegen des „schlechten psychophysischen Zustandes“ von Mladic unterbrochen worden sei.
Verlangen nach Erdbeeren
Mladic bat laut Medienberichten, dass ihm Erdbeeren, ein Fernseher und Bücher von Turgenjew, Tolstoi und Gogol in die Zelle gebracht werden. Außerdem möchte er das Grab seiner Tochter Ana besuchen, die 1994 23-jährig Selbstmord begangen hatte und in Belgrad begraben ist.
Staatsanwalt: Fit genug für Haft
Ganz anders dagegen schilderte der stellvertretende Sonderstaatsanwalt für Kriegsverbrechen, Bruno Vekaric, den Zustand jenes Mannes, dem der Tod von mindestens 18.000 Menschen bei der Belagerung Sarajevos und beim Massaker in Srebrenica angelastet wird. Der jahrelang gesuchte einstige Militärchef der bosnischen Serben habe sich in den vergangenen 16 Jahren kaum verändert. Er ähnelt sich selbst", so Vekaric. Mladic vertrete „dieselben Standpunkte wie in den 1990er Jahren“. Er habe auch sehr rational auf alles reagiert, was im Gerichtssaal vor sich gegangen sei, sagte Vekaric B-92.
Sohn: Zustand „beunruhigend“
Mladics Sohn Darko erklärte dagegen am Freitag, sein Vater sei keinesfalls fit genug für eine Auslieferung. „Ich bin kein Arzt, aber meiner Meinung nach ist er im Moment nicht fit.“ Der Gesundheitszustand seines Vaters sei „beunruhigend“ und er außerdem „unschuldig“, so Darko Mladic - Video dazu in iptv.ORF.at.
Die beiden Belgrader Tageszeitungen „Blic“ und „Politika“ veröffentlichten am Freitag ein erstes Bild des 69-Jährigen, das ihn mit einer Baseballkappe und stark gealtert zeigte. Die Zeitung „Vecernje novosti“ zitierte einen Nachbarn, der sagte, er habe Mladic nach dessen Festnahme beim Anziehen geholfen. Demnach lag Mladic im Bett, als er aufgespürt wurde.
Mladic muss in Behandlung gewesen sein
„Blic“ berichtete außerdem, bei Mladics Festnahme sei bei ihm ein Sackerl voll mit modernsten Medikamenten unter anderem gegen Bluthochdruck gefunden worden sein. Die hätte sich der 69-Jährige nicht auf eigene Faust beschaffen können und müsste folglich irgendwo in ärztlicher Behandlung gewesen sein. Mladic soll bereits zwei Schlaganfälle erlitten haben.
Mladic wurde 1995 vor dem Haager Tribunal wegen Völkermordes, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des Bosnien-Kriegs (1992-1995) angeklagt. Seit 1996 wurde er international gesucht. Ihm werden die Belagerung Sarajevos mit rund 10.000 Toten und das Massaker von Srebrenica mit etwa 8.000 Toten angelastet.
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