Arbeitslose Jugend trübt Erfolgsbilanz
Der Unterschied könnte nicht drastischer sein: Während die EU mit dem Pleitekandidaten Griechenland um eine Rettung der Euro-Zone ringt, steht ein Mitgliedsland ohne Euro blendend da: Schwedens Konjunktur boomt, demnächst soll der tiefste Schuldenstand seit 35 Jahren erreicht werden. Doch auch im Wirtschaftswunderland gibt es mit Jugendarbeitslosigkeit Probleme.
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Ein starkes Wirtschaftswachstum und weitere Privatisierungserlöse dürften den Schuldenberg 2012 auf 27 Prozent der Wirtschaftskraft schrumpfen lassen, teilte die für das Schuldenmanagement zuständige Finanzagentur vor wenigen Tagen mit. Das wäre der tiefste Stand seit 1977.
Exporte sorgen für großes Wachstum
Zum Vergleich: Die Schuldenstandsquote im finanziell schwer angeschlagenen Griechenland lag 2010 bei rund 143 Prozent, in Portugal bei 93 Prozent und selbst im finanziell soliden Deutschland bei über 83 Prozent. Schwedens Wirtschaft wuchs im vorigen Jahr mit dem Motor Exporte um 5,5 Prozent und damit so stark wie seit mindestens 40 Jahren nicht mehr. Auch in diesem Jahr dürfte es steiler bergauf gehen als in den meisten anderen EU-Ländern.
2003 hatten sich die Schweden in einer Volksbefragung mit 55,9 Prozent gegen einen Euro-Beitritt ausgesprochen. Seitdem ist das Thema zwar immer wieder auf dem Tapet, ernsthafte Ambitionen für die Euro-Einführung zeigt die schwedische Politik aber nicht, obwohl sich Finanzminister Anders Borg zuletzt erneut für einen Beitritt ausgesprochen hatte.
Privatisierungen spülen Geld in Kassa
Der schwedische Staatshaushalt wird nach Schätzungen der Finanzagentur 2011 mit einem Überschuss von 99 Milliarden Kronen (rund elf Milliarden Euro) abschließen. Im nächsten Jahr werde es wegen geringerer Verkaufserlöse und erwarteter Steuersenkungen ein Plus von immer noch kräftigen 68 Milliarden Kronen geben. Im Februar hatte die Regierung einen Anteil von 6,3 Prozent an der Großbank Nordea verkauft und dabei umgerechnet rund 2,2 Milliarden Euro eingestrichen. Der Staat hält immer noch 13,5 Prozent und kündigte an, er könnte weitere Anteile verkaufen.
Bei Wettbewerbsfähigkeit top
Wenige Tage zuvor stellte der World-Competitiveness-Report des Schweizer Instituts IMD den Schweden das allerbeste Zeugnis aus: Mit Platz vier unter 59 Staaten musste sich das Land nur Hongkong, Singapur und den USA geschlagen geben. Kein anderer Wirtschaftsstandort in Europa ist demnach derart wettbewerbsfähig.
Zum selben Schluss kam auch im Vorjahr das Weltwirtschaftsforum (WEF). Da lag Schweden im an den Lissabon-Zielen ausgerichteten Ranking unter den 27 EU-Ländern klar auf Platz eins. Bei den Unterkategorien „Informationsgesellschaft“, „Liberalisierung“, „Nachhaltige Entwicklung“ und „Finanzdienstleistungen“ liegt das Land an erster Stelle, bei den übrigen ist Schweden nie schlechter als auf Platz vier.
„Stark wie Pippi Langstrumpf“
Die OECD konstatierte der schwedischen Wirtschaft im Jänner, „stark wie Pippi Langstrumpf“ zu sein: „Das Land ist eine Insel von Wohlstand in höchst unsicheren Gewässern“, so der Generalsekretär der OECD, Angel Gurria.
Schweden habe die jüngste globale Finanz- und Wirtschaftskrise dank starker wirtschaftlicher Fundamente und einer „gesunden Geldpolitik“ gemeistert, heißt es in dem Bericht. Jetzt bestehe die größte Herausforderung in einer weiteren Stärkung dieser Fundamente. Gurria kritisierte allerdings, dass die Reichsbank in Stockholm während der Finanzkrise teilweise „zögerlich agiert“ habe.
Schweden profitiert heute insbesondere von den Reformen, die zur Bekämpfung der schweren Wirtschaftskrise Anfang der 90er Jahre eingeleitet worden waren. Nach einer Spekulationsblase auf dem Immobilienmarkt gerieten die großen Banken ins Wanken. Mit der Gründung von „Bad Banks“ fing die Regierung die Krise ab, die folgenden Reformen sollten das Land wieder auf die wirtschaftliche Überholspur bringen.
Jungarbeitslosigkeit außer Kontrolle
Ein handfestes Problem hat Schweden allerdings auf dem Arbeitsmarkt. Während die Arbeitslosigkeit mit knapp acht Prozent im EU-Mittelfeld liegt, gelingt es nicht, für Jobs für Jugendliche zu sorgen – obwohl das eines der zentralen Themen beim Wahlkampf im Vorjahr war. Schon seit einiger Zeit liegt die Jugendarbeitslosigkeit bei rund 25 Prozent und damit weit über dem EU-Schnitt. Rund die Hälfte aller nicht Beschäftigen ist unter 24 Jahren alt.
Gründe für die Misere sehen Experten unter anderen im starken Kündigungsschutz, bei hohen Einstiegsgehältern wird der Zugang der Jungen zum Arbeitsmarkt erschwert. Zudem gibt es immer wieder Kritik am Bildungssystem, das Jugendliche unzureichende für Jobs vorbereite.
Verpuffen Forschungsgelder?
Unkenrufe gibt es auch bei der eigentlich als Vorreitermodell für Europa angesehen Forschungsförderung: Obwohl mit 3,75 Prozent des BIP so viel wie sonst nirgendwo für Forschung und Entwicklung ausgegeben wird, sei der wirtschaftlich messbare Output sehr gering, heißt es etwa in der „Neuen Zürcher Zeitung“. Treibende Kraft bei Innovationen – und für die gesamte Ökonomie - seien bestehende Unternehmen, einerseits in der Rohstoffindustrie und andererseits bei den großen bekannten Aushängeschilder wie Ikea, H&M, Electrolux und Co.
Doch Nachschub ist kaum in Sicht: Die größten 50 Unternehmen des Landes wurden vor 1969 gegründet, in den vergangenen 30 Jahren keines. Die Anzahl der Unternehmer in Schweden ging in den vergangenen Jahren stark zurück.
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