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Neue Front Guatemala

Mexikos Drogenkrieg zieht immer weitere Kreise, vor allem im südlichen Nachbarland Guatemala, wo am Wochenende ein brutales Massaker an Saisonarbeitern angerichtet worden ist. Die Opfer wurden geköpft – ein Markenzeichen des mexikanischen Drogenkartells Los Zetas.

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Der Fund wurde auf einem Gut im Norden Guatemalas in der Provinz Peten unweit der Grenze zu Mexiko gemacht. Unter den unterschiedlichen Meldungen zufolge 28 bis 29 Opfern waren zwei Frauen und mehrere Minderjährige, das jüngste Opfer war 13 Jahre alt. Sie arbeiteten als Saisonarbeiter drei Monate lang auf dem Gut. Das Massaker gilt als das schlimmste seit Ende des Bürgerkriegs 1996.

30 bis 40 Bewaffnete waren nach Augenzeugenberichten auf das Gebiet der Farm in der Gemeinde La Libertad gefahren. Sie hätten die Arbeiter zusammengetrieben und dann einen nach dem anderen getötet. Die Bewaffneten hätten versucht, den Aufenthaltsort des Farmbesitzers Otto Salguero herauszubekommen. Nach Behördenangaben ist dieser in den Drogenhandel verwickelt.

Streit um neue Schmuggelrouten

Die mexikanischen Kartelle - untereinander im brutal geführten Dauerkrieg und vom Staat seit 2006 entschlossen bekämpft - scheinen sich derzeit verstärkt auszulagern und die schwachen mittelamerikanischen Staaten untereinander aufzuteilen. Es geht bei ihren blutigen Auseinandersetzungen vor allem um neue Schmuggelrouten in die USA. Das jüngste Blutbad in Guatemala erreichte endgültig jene Dimension, wie man es aus Mexiko kennt.

Ausgehöhlte Rechtsstaatlichkeit und von Korruption geschwächte staatliche Institutionen ließen das arme Land vermutlich zum neuen Schauplatz des organisierten Drogenhandels werden. Präsident Alvaro Colom verkündigte nun den Ausnahmezustand in der Grenzregion zu Mexiko. Bereits Ende des vergangenen Jahres hatte er über die Nachbarregion Alta Verapaz den Notstand verhängt, um die auch dort aktive Drogenbande Los Zetas zu bekämpfen.

Der Präsident von Guatemala, Alvoar Colom, mit Sicherheitskräften auf der Ranch, auf der das Massaker stattfand

AP/Moises Castillo

Präsident Colom am Tatort des grausamen Massakers

„Zwischenspeicher“ für Kokain

Es gab einige Verhaftungen, nach zwei Monaten wurde der Notstand jedoch mit der Begründung aufgehoben, die Zetas zurückgedrängt zu haben - offenbar ein fataler Irrtum. Denn die benachbarte Provinz Peten gilt laut Drogenexperten als „Zwischenspeicher“ für Kokain auf dem Weg von Kolumbien über Mexiko in die USA, berichtete die deutsche Tageszeitung „taz“ kürzlich.

Der Ausnahmezustand ermächtigt die Armee zur Festnahme von Verdächtigen ohne Gerichtsbeschluss sowie Durchsuchungen ohne Durchsuchungsbefehl und gibt ihr die Kontrolle über lokale Medien. Außerdem ist das Tragen von Waffen verboten. Los Zetas war in den 1990er Jahren von desertierten Elitesoldaten gegründet worden und hatte zunächst für das mexikanische „Golf-Kartell“ gearbeitet, mit dem sie sich heute einen brutalen Krieg um den lukrativen Drogenhandel liefert.

Radiostationen sendeten Drohbotschaft

Die Organisation zwang bereits vor einigen Monaten mehrere Radiostationen in Guatemala unter Androhung von Gewalt, eine Drohbotschaft zu senden: „Krieg wird in diesem Land beginnen, in Einkaufszentren, Schulen und Polizeistationen“, wenn die Regierung in ihrem Kampf nicht nachlasse, hieß es in der Drohbotschaft laut einem Bericht der britischen Tageszeitung „Guardian“. In der Botschaft wurde demnach auch behauptet, dass die Zetas die Wahl Coloms 2007 kräftig mitfinanziert hatten.

In Mexiko agieren unterdessen derzeit mindestens acht Kartelle, die sich untereinander bekriegen. Der mexikanische Präsident Felipe Calderon hatte mit seinem Amtsantritt im Dezember 2006 einen massiven Militäreinsatz gegen die Drogenbanden gestartet. Seither nahm die Gewalt zwischen den rivalisierenden Banden sowie zwischen Drogenhändlern und Sicherheitskräften stark zu.

Beinahe täglich kommt es in nordmexikanischen Städten zu Ermordungen und Entführungen. Bisher starben bei der mit Unterstützung der Armee geführten Offensive sowie Auseinandersetzungen zwischen den Banden landesweit etwa 37.000 Menschen.

UNO fordert „Gesamtstrategie“

Das UNO-Büro in Guatemala verurteilte die jüngsten Morde als „Taten brutaler Gewalt“. „Dieses Massaker kommt zu anderen Gewalttaten in jüngster Zeit und zur Lage der allgemeinen Verletzlichkeit und Verlassenheit hinzu, die die Bewohner von Peten betrifft“, hieß es in einer Erklärung. Es bestehe die „dringende Notwendigkeit, eine Gesamtstrategie für die Sicherheit von Personen aufzustellen“.

Die Mordrate in Guatemala zählt zu den höchsten in Lateinamerika. Im Herbst wählt das Land einen neuen Präsidenten. Colom darf nicht mehr antreten. Derzeit besonders gute Chancen ausrechnen kann sich der rechtspopulistische Kandidat Otto Perez Molina. Er vertritt innenpolitisch einen Kurs der „harten Hand“.

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