„Die Suppe selbst auslöffeln“
In der Debatte über den Wutausbruch des Erste-Group-Chefs Andreas Treichl gegen die heimische Politik hat Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) mit einer Rüge für die Geldinstitute geantwortet. Die Banken müssten Risiken, die sie eingehen, selbst bedecken können - „also die Suppe selbst auslöffeln“, so Faymann am Dienstag zu Kritik an den strengeren Kapitalregeln Basel III.
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Es könne nicht sein, dass die Banken Risiken eingehen, und wenn es gutgehe, Gewinne machen und Managergagen erhöhen, und wenn es schiefgehe, solle der Staat zahlen, so der Bundeskanzler. Der Staat und damit der Steuerzahler habe in der Krise den Geldinstituten Partizipationskapital zur Verfügung gestellt - zwar nicht geschenkt, aber mit Risiken, so der Regierungschef weiter.
Jeder Klein- und Mittelbetrieb hafte für seien Handlungen und Risiken. Das müsse auch für die Banken gelten, sagte Faymann. Was das Thema Kreditvergabe für Unternehmen betrifft, sei er bereit, sich an einer Diskussion zu beteiligen.
Öffentliche Debatte entfacht
Zuvor hatte der Wutausbruch des Erste-Bankers eine leidenschaftliche öffentliche Debatte entfacht. Während SPÖ-Politiker den Chef der Erste Group an die aufrechte Staatshilfe erinnerten, prangerte Spindelegger die Diktion Treichls an. Inhaltlich wollte Treichl von seiner Aussage bisher nichts zurücknehmen.
Bei einer Podiumsdiskussion der ÖVP in Salzburg hatte Treichl am Freitagabend gesagt, Politiker seien „zu blöd und zu feig“ und in Wirtschaftsdingen ahnungslos. Auslöser des Ausbruchs waren die neuen Bankenkapitalvorschriften (Basel III). Treichl führte an, dass eine Bank einen Kredit an ein Unternehmen, das man schon 100 Jahre kenne, mit zehnmal mehr Eigenkapital unterlegen müsse als eine griechische Anleihe. Bankerkollegen fürchteten, dass Treichls Verhalten der Branche keinen Dienst erwies - öffentlich äußern wollte sich zunächst aber keiner.
Fekter weist Politikerschelte zurück
Am Dienstag wies auch Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) die Politikerschelte Treichls zurück. „Man soll darüber einmal nachdenken, bevor man Rundumschläge macht“, sagte Fekter in Hinblick auf Treichl, der Politiker als „zu blöd und zu feig“ und in Wirtschaftsdingen ahnungslos kritisiert hatte. „Wenn ich politisch etwas bin, dann mit Sicherheit nicht feig“, betonte die Finanzministerin.
Sie räumte aber mögliche negative Auswirkungen der Basel-III-Regelung ein. „Basel III haben keine Politiker gemacht. Das haben sich die Banker selber gemacht“, sagte Fekter. Wenn man sich „plakativ ärgert“, habe das „zumindest den Vorteil gebracht, dass man über Basel III gesprochen hat“.
Schützenhilfe von Lauda
Der Airline-Unternehmer Niki Lauda hingegen sprang Treichl bei. Er teile den Frust über die Politik, sagte er in der Zeitung „Österreich“ (Dienstag-Ausgabe). „Ich kann nur sagen, dass ich einen ziemlichen Verdruss habe und mir manchmal schwertue, unter den herrschenden Bedingungen hier motiviert zu arbeiten. Vieles kritisiere ich seit Jahrzehnten, aber nichts ändert sich.“
Lauda sprach die Luftfahrt an und hier wieder die Vorstandspostenbesetzungen. „Mir fehlt manchmal echt die Lust, unter diesen Bedingungen zu arbeiten. Und anderen Unternehmern in Österreich geht es ähnlich. Unmut und Verdruss sind groß“, so Lauda. Schon am Montag hatte Treichl einigen Applaus von Unternehmern erhalten.
Haselsteiner: „Eklatantes Manko“ bei Politikern
Auch STRABAG-Chef Hans-Peter Haselseiner, ehemals Abgeordneter des Liberalen Forums, teilt in einem Ö1-Interview die Kritik Treichls. Er geht sogar einen Schritt weiter und spricht von einer Negativauslese in der Politik. Haselsteiner ist der Ansicht, dass die meisten Politiker ein „eklatantes Manko“ im Wirtschaftsverständnis hätten und sieht die Parteien gefordert. „Woher sollten die Politiker das Wirtschaftsverständnis auch haben, wenn sie aus den geschützten Bereichen kommen“, so Haselsteiner, ohne konkrete Namen zu nennen - mehr dazu in oe1.ORF.at.
Geyer: Kritik inhaltlich berechtigt
Der Chef des Versicherungskonzerns VIG, Günter Geyer, sieht die Kritik Treichls inhaltlich berechtigt, da sich die Politik zu wenig um die globale Verschärfung von Eigenmittelvorschriften kümmere - „Basel III“ für die Banken und „Solvency II“ für die Versicherungen. Zwar hätte der Erste-Chef „seine Wortwahl glücklicher treffen können“, die angesprochene Thematik, die Banken und auch Versicherungen betreffe, gehöre aber diskutiert, so Geyer im VIG-Quartalspressegespräch am Dienstag zur Verbalattacke Treichls auf die Politik.
Wissenschaftler: Schlichtweg falsch
Wissenschaftler stimmten Treichl in seinem kritischen Urteil über die Kreditvergabepolitik nicht zu. Der Finanzexperte des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO), Franz Hahn, kann die Kritik nicht teilen. Basel III baue die bisher schon (Basel II) bestehende Bewertung von Kreditausfallsrisiken lediglich aus, argumentierte er im „Standard“ (Dienstag-Ausgabe). Dass eine Ramschanleihe - wie etwa Griechenlands, Portugals und Irlands - von den Regulierern besser gestellt werde als ein Kredit an ein Unternehmen mit hoher Bonität, sei „schlichtweg falsch“.
Hahn kann die ganze Abwehrhaltung des österreichischen Bankensektors gegenüber dem von führenden Notenbankern und Aufsehern vereinbarten Basel-Abkommens nicht verstehen. Das Lamentieren der Banken über Basel III sei „hochgradig provinziell“. Die höhere Unterlegung von Risiken mit Eigenkapital sei die richtige Konsequenz aus der Finanzkrise.
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