Themenüberblick

Debatte über den richtigen Ton

Erste-Group-Chef Andreas Treichl hat mit seiner Kritik an der heimischen Wirtschaftspolitik am Montag weiter für Aufregung gesorgt. Wirtschaftsexperten widersprechen Treichl inhaltlich. Während die SPÖ Treichl Arroganz und Abgehobenheit vorwarf, äußerte sich die ÖVP-Spitze mit Zurückhaltung zu den Aussagen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) kritisierte am Montag vor allem die Wortwahl Treichls: „Das ist eine Diktion, die man überdenken muss. Ich würde so etwas nicht über die Banker, die Wirtschaft sagen“, sagte er gegenüber Ö1. Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) sagte lediglich, dass er sich von den Aussagen „nicht persönlich angesprochen“ fühle.

Drastischere Worte wählte die SPÖ: „Also ich finde, es ergibt ein sehr schlechtes Bild, wenn man zuerst die Politik und die Menschen um Hilfe bittet und, wenn man dann die Hilfe bekommen hat, Raffgier und Abgehobenheit an den Tag legt“, kritisierte SPÖ-Staatssekretär Josef Ostermayer in der ZIB2 am Sonntagabend. Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise sei etlichen Bankmanagern Angst ins Gesicht geschrieben gewesen, „jetzt weicht es offenbar wieder ein bisschen in Arroganz“, so Ostermayer. Er erinnerte daran, dass die Erste unter den Banken war, die in der Krise Staatshilfe erhielten.

Treichl wehrt sich gegen Kritik

Auslöser für den Schlagabtausch zwischen Treichl und der Politik war eine Erhöhung der Entschädigungen für den Aufsichtsrat der Ersten in der vergangenen Woche. Treichl konterte mit Kritik an härteren Regeln für die Kreditvergabe und erklärte, dass die heimischen Politiker von Wirtschaft keine Ahnung hätten.

„Offensichtlich muss man emotionelle Bemerkungen machen, um damit andere emotionelle Bemerkungen zu beenden und eine Sachebene zu erreichen“, so Treichl am Montag am Rande einer Veranstaltung zur APA. Ansonsten wolle er sich zu dem Thema nicht äußern: „Es gibt überhaupt keinen Anlass, unprofessionelle Äußerungen zu machen, um unprofessionelle Äußerungen der Politik zu beenden.“

Nowotny: „Zu allgemein und irreführend“

Nationalbankchef Ewald Nowotny sieht die von Treichl angesprochenen Schwierigkeiten bei der Kreditvergabe, teilt die Kritik jedoch nicht. „Es gibt einen wahren Kern. Aber insgesamt ist die Aussage zu allgemein und irreführend“, sagte er am Montag im Ö1-Mittagsjournal - mehr dazu in oe1.ORF.at.

Auch WU-Wien-Professor Stephan Pichler stellte Treichls Aussagen im Ö1-Mittagsjournal infrage. Denn Kredite an Unternehmen seien grundsätzlich riskanter als Staatsanleihen, deswegen sei es auch in Ordnung, hier mehr Eigenkapital zu verlangen. Wenn also eine Bank tatsächlich beschließt, ein offensichtlich höheres Risiko einzugehen und griechische Staatsanleihen zu kaufen, müsse sie dafür sehr wohl mehr Eigenkapital zurücklegen, das sei in Basel 3 ebenfalls so vorgesehen - mehr dazu in oe1.ORF.at.

„Treichl hat den Punkt getroffen“

Unterstützung erhielt Treichl unterdessen aus der heimischen Wirtschaft. Sowohl Unternehmer Attila Dogudan als auch STRABAG-Chef Hans Peter Haselsteiner gaben dem Banker recht. „Er ist nicht der Einzige, der so denkt“, sagte Dogudan in der Zeitung „Österreich“. Er bringe damit etwas ins Rollen. Die Causa mit der Staatshilfe und den letzte Woche verdoppelten Aufsichtsratsgagen in der Ersten zu verbinden, hält Dogudan für „kleinkarierten Wahnsinn“.

„Andreas Treichl hat den Punkt getroffen. Daran ändern auch der Ton und die Verallgemeinerung nichts. Selbstverständlich gibt es auch fähige Politiker - diese müssten sich aber stärker gegenüber den weniger begabten Kollegen durchsetzen“, so Haselsteiner am Montag in einer der APA übermittelten Stellungnahme.

Auch Unternehmer und Ex-Finanzminister Hannes Androsch nahm sich am Montag kein Blatt vor den Mund. „Diese Verbalinjurien sind genauso entbehrlich wie das Bankenbashing der Politik“, sagte Androsch im Gespräch mit der APA. Statt wechselseitiger Beschuldigungen zwischen Bankern und Politikern sollten beide Gruppen lieber gemeinsam Lösungen suchen.

Opposition gibt Treichl teilweise recht

Die Opposition gab Treichl am Montag inhaltlich teilweise recht. Der Ton sei für einen Bankdirektor vielleicht ein bisschen unüblich, aber er wolle da jetzt nicht gegenrechnen und Öl ins Feuer gießen, so der Budgetsprecher der Grünen, Werner Kogler, im Ö1-Morgenjournal. Kogler erkennt einen wahren Kern in den Aussagen Treichls: „Auch die Grünen kritisieren regelmäßig, dass die Kredite in die Realwirtschaft gegenüber den spekulativen Veranlagungen wesentlich schlechter gestellt sind. Das ist ein Unsinn. Das sind die Ursachen für Krisen.“

BZÖ-Chef Josef Bucher war verwundert über die „Aussage eines Bankers, wenn er die Politiker beschimpft gerade nach einigen Jahren, wo wir den Banken massiv geholfen haben bzw. der Steuerzahler massiv geholfen hat. Und da sollte man den Mund eher nicht so voll nehmen“, so Bucher im Ö1-Morgenjournal. Auch er glaube aber, dass die Kreditvergaben falsch seien: „Die Leichtfertigkeit auf europäischer Ebene, nämlich Griechenland beispielsweise unter die Arme zu greifen, das ist ein massiver Fehler der Politik gewesen.“

„Die personifizierte Unanständigkeit“

FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky gab Treichl inhaltlich zwar recht, meinte aber: „Wir sind damit nicht gemeint.“ Der Erste-Chef treffe vielmehr seine eigenen Parteifreunde, die ÖVP-Finanzminister. „Da mag es sein, dass hier die Attribute des Herrn Treichl zutreffen. Nur Faktum ist, der Herr Treichl ist aus meiner Sicht die personifizierte Unanständigkeit. Nimmt Staatshilfe im Milliardenausmaß und schimpft nachher und zahlt sich selbst Millionenhonorare aus“, so Vilimsky im Ö1-Morgenjournal - mehr dazu in oe1.ORF.at.

Was Treichl sagte

Treichl hatte am Freitag auf einer ÖVP-Veranstaltung in Salzburg kritisiert, dass Kreditvergaben an vertrauenswürdige heimische Firmen im Vergleich zu Ausleihungen an notleidende Staaten wie Griechenland zu streng reglementiert seien.

„Das ist eine Frechheit, das ist ein ganz grober Fehler. Unsere Politiker sind zu blöd und zu feig dazu und zu unverständig dafür, weil sie von der Wirtschaft keine Ahnung haben, um dagegen zu wirken, und das wird Österreich schaden, und wir werden hinter andere Länder zurückfallen“, sagte Treichl wörtlich. Eine Demokratie, die solchen Auswüchsen nichts entgegensetzen könne, verliere ihre Legitimation und öffne politischen Scharlatanen Tür und Tor, warnte der Erste-Boss.

Links: