Merkel pocht auf Europäer
Die Affäre um IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn, der diesen Posten seit 2007 innehat, hat auch eine Debatte über seine mögliche Nachfolge ausgelöst und unter den europäischen Schuldenstaaten Besorgnis wegen eines möglichen Kurswechsels der IWF-Kreditpolitik ausgelöst.
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Griechenland, Irland und Portugal müssten dann härtere Auflagen fürchten, um künftig an frisches Geld zu kommen. Der französische Sozialist hat das Image des IWF als pedantischer Hüter haushaltspolitischer Grundsätze und Förderer einer allgemeinen Deregulierung seit 2007 aufgeweicht.
Außerdem verpflichtete der 62-Jährige den globalen Kreditgeber für Krisenstaaten zur Hilfe für die im Schuldenstrudel treibenden europäischen Staaten. Damit lenkte er den IWF weg von seiner traditionellen Klientel, die unter den Entwicklungs- und Schwellenländern zu finden ist. „Er war der IWF-Chef, der bisher am stärksten der europäischen Integration verpflichtet war“, sagte der Direktor des Brüsseler Forschungsinstituts Bruegel, Jean Pisani-Ferry.
Zu wenig eingefordert?
Der IWF hat zugesagt, ein Drittel der Anleihen für Griechenland, Irland und nun Portugal zu tragen. Finanzielle Unterstützung ließ der Fonds auch den europäischen Neulingen Ungarn, Lettland und Rumänien zukommen. Polen griff der Fonds ebenfalls unter die Arme. Fast hundert Milliarden Euro hat der IWF für die Hilfen abgestellt.
Nach Ansicht von Experten hat der IWF im Gegenzug nicht die sofortige Erfüllung seiner traditionellen finanz- und haushaltspolitischen Heilmittel eingefordert. Im Fall Lettlands ließ der Fonds Forderungen nach einer Währungsabwertung fallen, in Irland verzichtete er auf die Beteiligung von Privatinvestoren an den hohen Verlusten bei Banken, und in Griechenland gewährte der IWF auch dann noch Anleihen, als Athen die fiskalischen Ziele nicht vollständig erreichte.
Härtere Haltung möglich
Es ist nicht auszuschließen, dass ohne Strauss-Kahn der IWF in diesen Fragen eine härtere Haltung einnimmt. Möglich ist, dass der Fonds auf eine weit schärfere Haushaltskonsolidierung in Griechenland pocht. Denkbar ist auch, dass der IWF künftig nicht mehr die Ansicht von EU und Europäischer Zentralbank (EZB) teilt, Griechenland sei solvent, und stattdessen für eine Umschuldung eintritt.
Angesichts dieser Unwägbarkeiten richten sich zwangsläufig alle Augen auf den möglichen Nachfolger des Franzosen. Die IWF-Geschäfte führt zunächst einmal Strauss-Kahns Stellvertreter John Lipsky. Allerdings hat der Amerikaner bereits angekündigt, ab August mit Ablauf seiner regulären Amtszeit nicht mehr zur Verfügung zu stehen. Als Nachfolger von Strauss-Kahn wurden bisher die französische Finanzministerin Christine Lagarde und der frühere britische Premierminister Gordon Brown ins Spiel gebracht.
Schwellenländer auf Vormarsch
Allerdings könnten sich nun auch Schwellenländer wie China, Indien und Brasilien vermehrt ins Spiel bringen, einen Kandidaten für den Chefposten beim IWF zu nennen. Der kommende IWF-Chef sollte nicht automatisch wieder aus Europa kommen, gab bereits vor den Vorwürfen gegen Strauss-Kahn der mexikanische Zentralbankchef Agustin Carstens zu Protokoll.
Vom Grundsatz her „ist es so, dass wir wissen, dass auf mittlere Zeiträume sicherlich die Schwellenländer auch Anspruch haben sowohl auf den Posten des IWF-Chefs als auch auf den Posten des Weltbank-Chefs“, sagte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU). „Ich glaube allerdings, dass es in der jetzigen Phase (...) gute Gründe gibt, dass Europa auch gute Kandidaten zur Verfügung hat“, spielte Merkel auf die aktuelle Euro-Debatte an. Sie betonte zudem, dass sich diese Frage heute nicht stelle.
Zeit drängt
Bisher besetzen die Europäer traditionellerweise den Chefposten beim IWF mit Sitz in Washington. Im Gegenzug steht bisher stets ein Amerikaner an der Spitze der Weltbank, seit 2007 ist es Robert Zoellick. Viel Zeit für die Kandidatensuche bleibt wohl nicht. EZB-Ratsmitglied Ewald Nowotny hat bereits vor einem Machtvakuum an der Spitze der Finanzinstitution gewarnt. „Es ist im Interesse aller zu hoffen, dass es rasch eine klare Lösung gibt.“
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