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Neue Vorwürfe gegen IWF-Chef

Noch vor wenigen Tagen hat die Situation für Frankreichs Sozialisten um einiges rosiger ausgesehen. In Umfragen stellte Präsident Nicolas Sarkozy von der konservativen UMP einen Unbeliebtheitsrekord auf. Als Präsident würde er nur von 16 Prozent wiedergewählt. Der erste Platz wäre der Umfrage zufolge dem Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF), Dominique Strauss-Kahn, zugefallen.

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Die Chefin der rechtsextremen Front National (FN), Marine Le Pen, erhielte 17 Prozent der Stimmen und wäre an zweiter Stelle. Doch von einem sozialistischen Präsidenten Strauss-Kahn ist nun keine Rede mehr. Nach seiner Verhaftung wegen Vorwürfen der versuchten Vergewaltigung und einem möglichen Prozess ist eine Kandidatur für die Sozialisten bei der Präsidentschaftswahl 2012 unwahrscheinlich. Die Bilder der Verhaftung lösten in Frankreich Bestürzung aus. „Ich hatte Tränen in den Augen“, sagte der sozialistische Abgeordnete Manuel Valls. „Die Bilder waren unerträglich grausam.“

„Wahre Gewinnerin“ Le Pen

Wie sehr Sarkozy von der Demontage Strauss-Kahns profitiert, ist noch unklar. Denn seine Umfragewerte versprachen bisher wenig Gutes. Einige gehen davon aus, dass sich Sarkozys Wahlchancen verbessern werden. „Er (Strauss-Kahn, Anm.) hat die Fehler des Präsidenten eliminiert“, zitiert die Wirtschaftszeitung „Les Echos“ einen engen Berater des Präsidenten. Im konservativen Lager hieß es, der frühere Sozialistenchef Francois Hollande könnte Sarkozy wegen seines Rufs als Saubermann gefährlicher als Strauss-Kahn werden.

Beobachter gehen aber davon aus, dass FN-Chefin Le Pen die „wahre Gewinnerin“ sein werde, analysierte etwa das deutsche „Handelsblatt“. Le Pen schlachtet als Zweitplatzierte für das höchste Amt in Frankreich die Aufregung um den IWF-Chef genüsslich aus: „Er hat sich als Kandidat für das höchste Amt im Staat in Verruf gebracht.“ Im Interview mit der italienischen Tageszeitung „La Repubblica“ (Montag-Ausgabe) legte sie noch einmal nach: „Jeder wusste von der sexuellen Schwäche Strauss-Kahns, doch in politischen und journalistischen Kreisen herrschte eine Art von Schweigegebot.“ An die These eines politischen Komplotts glaubt sie nicht.

Ganz Paris kommentiere seit Monaten die „leicht krankhaften“ Züge, die Strauss-Kahn bei seinem Umgang mit Frauen an den Tag lege. Bekannt ist zumindest eine Affäre, die der mit einer beliebten französischen Journalistin verheiratete IWF-Chef 2008 mit einer Mitarbeiterin hatte.

Flügelkampf der Sozialisten

Zu dem Rennen zwischen Sarkozy und Le Pen kommt nun ein parteiinterner Flügelkampf der PS dazu. Ein Streit bei den Sozialisten, wer der beste Gegenkandidat zu Sarkozy wäre und als Ersatz für Strauss-Kahn antreten solle, wird befürchtet. Auf die Sozialisten kommen unruhige Zeiten zu. Nach der Verhaftung Strauss-Kahns sprach PS-Chefin Martine Aubry von einem „Donnerschlag“. Sie mahnte die Unschuldsvermutung für den IWF-Chef ein. Eine Kandidatur Strauss-Kahns war für Juni erwartet worden. Eine heftige Diskussion über den geeigneten Ersatzkandidaten wird jetzt erwartet.

Trotz guter Umfragewerte hätte Strauss-Kahn dennoch parteiintern voraussichtlich gegen Hollande kämpfen müssen. Dieser hatte zuletzt in der Gunst der Bevölkerung zulegen können. Allerdings erreichten weder Aubry noch Hollande und die gegen Sarkozy gescheiterte Kandidatin Segolene Royal bisher die Umfragewerte von Strauss-Kahn. Dennoch hatte sich Strauss-Kahn erst vor wenigen Tagen mit einem Porsche in Frankreich blicken lassen - was von sozialistischer Seite stark kritisiert wurde.

An Vorwahlen festhalten

Am Montag bestätigten die Sozialisten, dass sie an den parteiinternen Vorwahlen trotz der Strauss-Kahn-Affäre festhalten wollten. Dieses Ereignis sei eine „Parteiangelegenheit“, sagte Parteisprecher Harlem Desir. „Die PS ist weder kopflos noch geschwächt.“ Als mögliche Kandidaten gelten Aubry und Hollande.

Sarkozy selbst meldete sich bisher zu der Affäre nicht zu Wort. Er hatte Strauss-Kahn 2007 zum IWF gebracht - in der Hoffnung, seinen Rivalen dadurch von der Präsidentschaftswahl 2012 abzuhalten - was ihm nun gelingen könnte. „Auch wenn die Anschuldigungen im besten Fall unbegründet sind, also manipuliert wurden, treibt diese Affäre einen Keil zwischen Dominique Strauss-Kahn und die Franzosen, und es ist absolut unmöglich, dass er ins Rennen geht“, sagt der Politikexperte Stephane Rozes.

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