„Riskantes Spiel“
Unmittelbar vor dem für Montag erwarteten Erreichen der gesetzlich festgelegten Schuldenobergrenze hat sich US-Präsident Barack Obama am Sonntag mit deutlichen Worten an den US-Kongress gewandt: Sollte dieser die Aufnahme zusätzlicher Gelder weiter blockieren, drohe den USA ein Kollaps des gesamten Finanzsystems.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Wie Obama in einer vom TV-Sender CBS ausgestrahlten Ansprache weiter betonte, könnten die Folgen schlimmer sein als bei der gerade überwundenen Wirtschaftskrise. Den USA könnte die schlimmste Rezession ihrer Geschichte drohen, so Obama laut dem Wirtschaftsportal Bloomberg.
1917 eingeführt
Die gesetzliche Schuldenobergrenze wurde 1917 eingeführt, um der US-Regierung mehr finanziellen Spielraum zu verschaffen. Bis dahin musste der Kongress jeder einzelnen Ausgabe von Staatsanleihen zustimmen. Zuletzt wurde die Schwelle Anfang 2010 auf 14,29 Billionen Dollar erhöht.
Die USA kämpfen derzeit gegen den höchsten Schuldenberg ihrer Geschichte. Dieser könnte zu Wochenbeginn die erst im Vorjahr auf 14,3 Billionen Dollar (rund zehn Billionen Euro) erhöhte gesetzlich festgelegte Obergrenze überschreiten. Danach darf die US-Regierung keine neuen Schulden mehr aufnehmen. Allerdings kann das Finanzministerium noch bis zum 2. August mit Sondermaßnahmen dafür sorgen, dass der Staat seine Rechnungen begleichen kann.
Sollte der Kongress bis dahin keine Erhöhung der Schuldengrenze verabschieden, wäre eine Zahlungsunfähigkeit der USA die Folge. Die Ratingagentur Standard & Poor’s droht dem Land wegen des festgefahrenen politischen Streits über die Haushaltspolitik bereits mit dem Entzug der Bonitätsbestnote „AAA“.
Auch Geithner schlägt Alarm
Auch Finanzminister Timothy Geithner warnte vor einer neuen Rezession und katastrophalen Folgen für die US-Wirtschaft. „Ein Versäumnis würde einen katastrophalen, weitreichenden Schaden für die Wirtschaft unserer Nation haben, das Wachstum erheblich reduzieren und die Arbeitslosigkeit erhöhen“, hieß es in einem Schreiben Geithners an den demokratischen Senator Michael Bennet.
Ordnungsruf von Bernanke
Mit einem scharfen Ordnungsruf versuchte zuletzt auch der oberste Notenbanker der USA, Ben Bernanke, den Kongress zur Raison zu bringen: Sollten die Abgeordneten im US-Kongress ihr „riskantes Spiel“ nicht beenden, drohe im schlimmsten Fall eine Finanzkrise wie nach der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers im September 2008.
Über die Erhöhung der Schuldengrenze toben bereits seit Monaten heftige Debatten zwischen Obamas Demokraten und den Republikanern. Im Prinzip stimmen die Republikaner mit Obama darin überein, dass die Schuldengrenze erhöht werden muss - allerdings machen sie weitere Schritte zur Schuldenkontrolle und tiefgreifende Ausgabenkürzungen zur Bedingung für ihre Zustimmung.
Im April verabschiedete der Kongress erst mit mehrmonatiger Verspätung das Budget für 2011 und wendete in letzter Minute einen Haushaltsnotstand ab. Obama hat das Ziel ausgegeben, den Schuldenberg in den kommenden zwölf Jahren um vier Billionen Dollar zu reduzieren - was den Republikanern nicht weit genug geht.
Tabuthema Steuererhöhung
Der Streit in der Haushaltspolitik dreht sich aber nicht nur ums Geld, sondern auch um die Rolle des Staates. Obama und seine Demokraten stehen für eine Politik, die Kürzungen mit staatlichen Investitionen in Bildung und Zukunftsbranchen verbindet. Reiche sollen über Steuern stärker zur Kasse gebeten werden. Mit seiner Gesundheitsreform hat Obama zudem den größten Umbau des US-Sozialsystems seit Jahrzehnten angestoßen. Die Republikaner sehen „Obamacare“ dagegen als Symbol einer übermächtigen Regierung, deren Aufgaben nach ihrer Idealvorstellung auf das Nötigste begrenzt werden sollten.
Während sie den Verteidigungshaushalt kaum antasten wollen, sehen die Konservativen vor allem bei den Sozialprogrammen Sparpotenzial. Das Problem liegt für die Republikaner bei den Ausgaben, nicht den Einnahmen: Steuererhöhungen und auch die Streichung von Steuervergünstigungen sind tabu.
„Sind uns Ernst der Lage bewusst“
Der republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses, John Boehner, betonte am Sonntag, er sei zu einer sofortigen Einigung bereit. Dazu müsse sich Obama jedoch auf die Republikaner zu bewegen. Boehner unterstrich, dass ihm der Ernst der Lage bewusst sei. „Wir könnten das Ende unserer Volkswirtschaft erleben, wenn wir nicht handeln.“ Boehner steckte allerdings erst vergangene Woche die Verhandlungslinie seiner Partei ab. Ohne „bedeutende Einsparungen“ werde es keine Zustimmung der Republikaner geben. „Wir reden hier nicht über Milliarden, sondern über Billionen.“
Links: