Italien rechnet mit 50.000 Migranten
Hilfsorganisationen der Vereinten Nationen rufen angesichts des nicht enden wollenden Stroms von Bootsflüchtlingen aus Libyen die Europäische Union und die NATO eindringlich zur verstärkten Hilfe auf. „Unsere klare Botschaft ist: Wartet nicht auf ein Notsignal, fahrt sofort hin, schaut, ob die Menschen Hilfe brauchen, und rettet sie.“
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Die Flüchtlingsschiffe seien häufig überladen und nicht seetauglich, sagte die Sprecherin des UNO-Flüchtlingshilfswerks UNHCR, Melissa Fleming, am Dienstag in Genf. Jedes aus Libyen kommende Schiff müsse daher als hilfsbedürftig angesehen werden, auch wenn es keinen Hilferuf gebe.
Erst am Freitag hatte sich nach UN-Angaben vor der libyschen Küste ein Flüchtlingsdrama mit vielen Toten ereignet. Ein Boot mit 600 Menschen an Bord sei vor Tripolis gesunken, bestätigte Fleming, die sich auf einen somalischen Diplomaten in Libyen berief. Zunächst wurden demnach 16 Leichen geborgen, darunter zwei Babys.
Menschen zur Flucht gezwungen
Jean-Philippe Chauzy von der Internationalen Organisation für Migration (IOM) erklärte, man habe Hinweise, dass viele Menschen, die in Booten aus Libyen säßen, in die Boote gezwungen und ihrer gesamten Habe beraubt worden seien. Das gelte vor allem für Menschen aus dem südlichen Afrika.
UNHCR bittet NATO um Hilfe
Europa habe bisher nur weniger als zwei Prozent der Menschen aufgenommen, die versucht hätten, Libyen zu verlassen, erklärte das UNHCR. Seit Beginn des Konflikts im Februar seien in Italien und Malta insgesamt 12.360 Menschen in 35 Booten angekommen. Das UNHCR appellierte nach eigenen Angaben nicht nur an die EU-Staaten, sondern wandte sich auch an die NATO, um deren Kapazitäten für die Hilfe für Bootsflüchtlinge zu nutzen. „Wir haben sie auf die Notlage hingewiesen“, sagte Fleming. Immerhin seien seit dem 25. März rund 800 Menschen auf der Flucht aus Libyen ertrunken.
„Ganz Europa muss Verantwortung übernehmen“
Auch der italienische Präsident Giorgio Napolitano hat inzwischen die EU erneut aufgerufen, Italien bei der Bewältigung des humanitären Notstands wegen der Flüchtlingswelle aus Nordafrika nicht alleinzulassen. Ganz Europa müsse die Verantwortung für die Flüchtlingsnotlage übernehmen, denn die Migrationswelle könne nicht allein eine Angelegenheit der EU-Mittelmeer-Länder sein. „Angesichts von Krisen muss die EU schneller reagieren“, sagte Napolitano.
Italien rechnet mit Millionen Flüchtlingen
Insgesamt sind seit Beginn der Kämpfe zwischen Truppen des libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi und Oppositionstruppen nach UNO-Angaben bereits 750.000 Menschen aus Libyen geflohen. In Süditalien sind davon laut der Regierung in Rom bisher rund 10.000 eingetroffen. Der italienische Innenminister Roberto Maroni rechnet damit, dass insgesamt 50.000 Flüchtlinge nach Italien gelangen werden.
Maroni warnte, dass Millionen von Menschen Libyen verlassen wollen. „Sollte der Krieg nicht bald aufhören, werden viele dieser Menschen Italien erreichen“, meinte der Innenminister. Er forderte eine diplomatische Lösung für Libyen. „Die Gefahr ist, dass Libyen zu einem neuen Afghanistan wird“, erklärte der Minister.
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