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Gegengeschäft Reaktortechnologie

Japan und die USA planen laut einem japanischen Zeitungsbericht die Errichtung eines unterirdischen Atommüllendlagers in der Mongolei. Verhandlungen zwischen den drei Ländern, so die japanische Tageszeitung „Mainichi Shimbun“, seien schon im September, also rund ein halbes Jahr vor der Strahlenkatastrophe im japanischen AKW Fukushima I, aufgenommen worden.

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Allerdings liefen die Gespräche geheim. Die Initiative dazu soll unter anderem vom stellvertretenden US-Energieminister Daniel Poneman ausgegangen sein. Verhandlungspartner seien das japanische Wirtschaftsministerium, das US-Energieministerium und das mongolische Außenministerium, so die japanische Zeitung.

Der Plan sehe den Bau eines mehrere hundert Meter tiefen Lagers vor, in dem ausgebrannte Brennelemente dauerhaft deponiert werden könnten. Das ist derzeit eines der größten, da ungelösten Probleme der Atomenergie. Es ist bereits viel mehr Atommüll vorhanden, als auf absehbare Zeit gelagert werden kann. Mit einer steigenden Zahl von Reaktoren wird das Lagerungsproblem immer akuter.

Beachtliche Uranreserven

Als Gegengeschäft für die Deponiemöglichkeit sollen Japan und die USA, so die „Mainichi Shimbun“, der Mongolei Unterstützung bei der Errichtung von Brennstofffabriken, Reaktoren und der Erschließung von Uranvorkommen anbieten. Uran ist das Ausgangsmaterial für nukleare Brennstoffe, und die Mongolei verfügt über beachtliche Reserven.

Keine Endlagerkapazitäten

Strategisch hätten die Pläne, vermutet das Blatt, vor allem einen Grund: Japan und die USA wollten künftig Reaktor-Know-how und Endlagerkapazitäten „im Set“ verkaufen und derart Russland und Frankreich vermehrt Konkurrenz machen. Sie verfügten selbst aber über keine Deponiemöglichkeiten. In den USA etwa wurden Pläne für ein Endlager im Bundesstaat Nevada, die unter Ex-Präsident George W. Bush entworfen worden waren, wegen des Widerstands der Bevölkerung von seinem Nachfolger Barack Obama wieder auf Eis gelegt.

Gespräche geheim geführt

Widerstand, mutmaßt die „Mainichi Shimbun“, sei auch in der Mongolei zu erwarten, und nicht nur dort. Wahrscheinlich würden auch Russland und China versuchen, die Pläne zu durchkreuzen, nicht nur wegen der drohenden Konkurrenz. Sie müssten als einzige Nachbarn der Mongolei auch grünes Licht für Transporte über ihr Territorium geben. Unter anderem deshalb verliefen die Gespräche geheim, berichtete die Zeitung unter Berufung auf namentlich nicht genannte Verhandler. Außerdem sei die japanische Energiepolitik wegen der Katastrophe in Fukushima I ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. Die Strategie, das Problem Atommüll „auszulagern“, würde für noch mehr Misstöne sorgen.

Trotzdem halte Japan an Plänen, Atomtechnologie international zu vermarkten, als zentrale Wachstumsstrategie fest. Mit Vietnam seien bereits Geschäfte fixiert, mit Indien und der Türkei werde über Projekte verhandelt. Als Nachteil habe sich dabei bisher erwiesen, dass das Land seinen Kunden, die ebenfalls über keine Lagerkapazitäten verfügen, den verbrauchten Brennstoff nicht abnehmen kann - Russland und Frankreich können das. Pläne für ein Endlager auf japanischem Boden bis 2035, so die Zeitung, werden „wahrscheinlich schwer umzusetzen sein“ - deshalb das Projekt in der Mongolei.

Fukushima sorgt für Verzögerung

Dort seien nicht nur geologische Voraussetzungen für ein Atommüllager erfüllt, das zentralasiatische Land ist eines der am dünnsten besiedelten der Welt. Die Fläche (fast zu 50 Prozent Wüste und Halbwüste) macht mit über 1,5 Mio. Quadratkilometern mehr als das Doppelte Frankreichs aus. Trotzdem hat die Mongolei nur knapp drei Mio. Einwohner. Die Uranvorkommen in dem Land beliefen sich, zitiert die „Mainichi Shimbun” Schätzungen der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), auf rund 1,5 Mio. Tonnen. Die USA und Japan würden sich mit einem Deal mit der Mongolei also gleichzeitig auch einen Lieferanten für Rohuran sichern.

Eigentlich hätte das Abkommen, so das japanische Blatt, schon im Februar unterzeichnet werden sollen. Nun, mit der Katastrophe in Fukushima I sei wohl unklar, wann es offiziell besiegelt werde.

Strahlendes „Erbe“ für Jahrtausende

Seit immer mehr Länder auf Atomkraft zur Deckung ihres Energiebedarfs setzen, wird die Frage „Wohin mit dem strahlenden Abfall?“ immer dringender. Vor eineinhalb Jahren sorgten Berichte für Aufsehen, wonach Deutschland und Frankreich still und leise Atommüll nach Russland „exportierten“, wo der in rostigen Containern teils unter freiem Himmel deponiert wurde. Der Berg an Atommüll ist nach Schätzungen mittlerweile weltweit auf fast 300.000 Tonnen angewachsen. Dieses strahlende „Erbe“ wird aus heutiger Sicht noch unzählige Generationen beschäftigen.

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