Autoindustrie im Umbruch
Angesichts knapp werdender Ölvorräte sowie der Umweltbelastung ist für die Autoindustrie klar: Der Verbrennungsmotor hat ausgedient. Bis er vollständig vom E-Motor abgelöst wird, werden allerdings noch einige Jahrzehnte vergehen. Bis dahin sollen beide nebeneinander bestehen bleiben - in unterschiedlichen Kombinationen.
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Zwei Tage lang diskutierten zahlreiche internationale Vertreter der Automobilindustrie im Rahmen des 32. Internationalen Wiener Motorensymposions die ferne und nähere Zukunft der Branche. Dabei wurde vor allem eines klar: Bis auf die Feststellung, dass sich die Branche im Umbruch befindet, ist derzeit nichts fix. „Es ist eine aufregende Zeit, die beste Zeit in unserer Geschichte, wir können die Zukunft formen“, sagte etwa Thomas Stephens, Technikchef von General Motors (GM).
Diese Euphorie teilen nicht alle, zu groß sind die Unsicherheitsfaktoren - etwa wann der Verbrennungsmotor wirklich abgelöst wird, und was bis dahin geschieht. Dass es passiert, darüber besteht unter den anwesenden Experten kein Zweifel mehr. Bis wir mehrheitlich elektrisch fahren, wird es aber noch lange dauern. Branchenvertreter rechnen mit einer Übergangsfrist von rund 40 Jahren.
Durchbruch als Zweitauto für Großstädter?
VW-Chef Martin Winterkorn geht davon aus, dass sich das Elektroauto zuerst bei Großstädtern als Zweitauto durchsetzen wird. Selbst optimistische Studien besagen laut Winterkorn, dass es bis 2025 maximal zehn Prozent Marktanteil haben wird. Andere Schätzungen gehen von einem signifikanten Anteil bis 2050 aus. Wie schnell es tatsächlich gehen wird, hängt von vielen Faktoren, darunter dem Treibstoffpreis, ab.
Winterkorn, der in seinem Vortrag zwar einige Probleme der E-Mobilität schilderte, insgesamt aber für sie plädierte, rechnet damit, dass in zehn Jahren weltweit weiterhin rund 95 Prozent aller Neufahrzeuge mit Verbrennungsmotoren ausgerüstet sein werden. Sie sollen allerdings durch den neuen Trend zum kleineren Hubraum deutlich spritsparender und umweltfreundlicher werden - Downsizing und Downspeeding mit Turboaufladung lautet das Motto für die nächsten Jahre.
Energiespeicherung bleibt problematisch
Parallel dazu treiben alle Hersteller die Elektrifizierung ihrer Flotten voran, auf unterschiedliche Arten. Auch wenn es bereits rein elektrisch betriebene Fahrzeuge gibt, steckt die Technologie dahinter zum großen Teil noch in den Kinderschuhen.
Vor allem die Energiespeicherung bereitet den Herstellern weiter Schwierigkeiten. Die derzeitige Akkuleistung ist für Langstrecken meist nicht ausreichend. Dazu kommt, dass das Aufladen oft Stunden in Anspruch nimmt, die passende Infrastruktur vorausgesetzt. E-Autos sind daher im Moment vor allem etwas für Enthusiasten mit viel Zeit.
E-Auto mit Spritunterstützung
Als möglichen Ausweg treibt die Industrie unter dem Begriff Range Extender derzeit die Möglichkeit voran, die Reichweite der E-Motoren mit Hilfe von Verbrennungsmotoren zu verlängern. Während die Akkuleistung für die durchschnittliche tägliche Wegstrecke (85 Prozent aller Autofahrer weltweit legen pro Tag weniger als 50 Kilometer mit dem Auto zurück) meist ausreicht, sorgt der Verbrennungsmotor als zusätzlicher Energielieferant dafür, dass der E-Auto-Besitzer sich auch auf längere Strecken wagen kann.
Dabei gibt es unterschiedliche Versionen: Treibt der Verbrennungsmotor die Räder nicht direkt an, sondern lädt nur die Akkus auf, spricht man von einem seriellen Hybrid. So man das Auto täglich an der Streckdose auflädt und ausschließlich mit Akkuleistung fährt, ist es im Fahrbetrieb emissionsfrei. Für einige Experten gilt nur diese Version als echter Range Extender.
Die Mehrheit der Hybride arbeitet aber parallel, kann also E- und Verbrennungsmotor gleichzeitig nutzen, wobei meist bis zu einer gewissen Geschwindigkeit der E-Motor alleine im Einsatz ist und der Verbrennungsmotor bei Bedarf zugeschaltet werden kann. Mischformen wie der Chevrolet Volt (bzw. Ampere), der vor allem auf Langstrecke ausgelegt ist, sind so gesehen keine reinen E-Autos.
„Ohne Politik geht nix“
Grundsätzlich verbinde man mit dem Range Extender die Vorteile eines E-Autos mit denen eines Verbrennungsmotors, so ein Symposionsteilnehmer - vor allem aber können damit die immer strenger werdenden Schadstoffgrenzen eingehalten werden. Denn, wie ein anderer Teilnehmer gegenüber ORF.at einsichtig meinte: „Ohne Politik geht in diesem Bereich gar nix, auch wenn wir maulen.“
Die chinesische Regierung etwa plant bis 2020 fünf Millionen Elektrofahrzeuge in China im Einsatz zu haben. Die Autos werden mit vergleichsweise hohen Summen gesponsert, so Karl-Thomas Neumann, seit kurzem Chef von VW China. Er rechnet damit, dass China die geplante Zahl problemlos erreichen und damit zum Vorreiter in Sachen Elektroautos werden wird. Die nötige Infrastruktur (Ladestationen) könnte dabei binnen eines halben Jahres aufgestellt werden, wie ein weiterer Teilnehmer nicht ganz ohne Neid anmerkte.
Woher kommt die nötige Energie?
Nicht gelöst hat China, so wie auch andere Staaten, die Frage nach der zusätzlich benötigten Energie für die vielen Elektroautos sowie den Energiemix. In Deutschland etwa werden durch den hohen Anteil an Kohlekraftwerken (57 Prozent) pro Kilowattstunde Strom rund 580 Gramm CO2 produziert.
In Frankreich sind es unter 100, in China hingegen über 1.000. Je nach Verbrauch sei die CO2-Bilanz der elektrifizierten Autos zum Teil schlechter als die von Autos mit Verbrennungsmotoren, so ein Vortragender. Die Industrie selbst drängt deutlich in Richtung erneuerbare Energien, wohl nicht zuletzt für das eigene Image.
Entwicklungsländer treiben Autonutzung
Man dürfe in der ganzen Diskussion auch die Entwicklungsländer und aufstrebenden Staaten nicht vergessen, mahnte außerdem Yoshihiko Matsuda von Toyota an. Nicht nur werde in diesen Regionen die Zahl der Autos in den kommenden Jahren deutlich steigen, die Qualität der Treibstoffe sei dort zudem oftmals schlecht. Das sei sowohl ein technisches als auch ein ökologisches Problem.
Am Ende entscheide der Kunde, was er kaufen wolle, so Peter Langen von BMW. Solange Spritsparen und Umweltschutz aber nicht entsprechend vorgegeben und in der Gesellschaft verankert sind, wird sich erst bei entsprechenden Kostensenkungen und Anreizen etwas in Richtung E-Autos bewegen. Es bleibt abzuwarten, wie lange das dauert.
Nadja Igler, ORF.at
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