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Projektfinanzierung via Internet

Crowdsourcing, die Unterstützung von Projekten über das Internet, hat in den 2000er Jahren einen kleinen Boom erlebt. Das Konzept klingt einfach: Auf einer Plattform können sich Fans zusammentun, um Geld oder Arbeitskraft für ein Projekt zu geben. Der Plattformbetreiber behält davon einen bestimmten Anteil ein. Allerdings gibt es viele Hürden auf dem Weg zum erfolgreichen Projekt.

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So hat das in Amsterdam gegründete Projekt SellaBand, über das Musiker neue Alben und Tourneen finanzieren können, 2006 zwar einen starken Start hingelegt und 2009 für Public Enemy 59.100 Euro eingesammelt, musste aber schon bald darauf mangels ausreichender Einnahmen aufgeben - im Februar 2010 wurde es von deutschen Internetunternehmern übernommen.

Die derzeit wohl wichtigste Crowdfunding-Plattform, Kickstarter aus New York, verdankt ihre Existenz sogar Österreichern - wenn auch nur indirekt. Perry Chen, einer der beiden Gründer der 2002 konzipierten Site, erzählte dem US-Magazin „Wired“, dass er eine Show mit Kruder & Dorfmeister organisieren wollte, aber damit scheiterte, das Geld dafür zu organisieren. Was aber, dachte Chen, wenn man schon vorher wüsste, wie viele Leute sich für das Konzert interessierten?

Anreize für Fans

Von diesem Grundgedanken aus entwickelte sich Kickstarter. Das Konzept ist einfach. Kreative können auf Kickstarter ihre Projekte einreichen und sagen, wie viel Geld sie brauchen, um diese zu verwirklichen. Außerdem müssen sie den Interessenten Anreize bieten, beispielsweise Bücher oder CDs mit oder ohne Signatur der Künstler, damit ihre Fans am Ende auch ein Produkt in der Hand halten. Die Fans können sich dann darauf verpflichten, eine bestimmte Summe für das Vorhaben zu spenden. Bezahlen müssen sie aber erst dann, wenn genügend solcher Verpflichtungen zusammengekommen sind.

Kickstarter beizutreten, ist kostenlos, aber die Plattform nimmt fünf Prozent der Summe, die ein erfolgreiches Projekt eintreiben konnte. Da Kickstarter im Hintergrund auf die Bezahldienste von Amazon zurückgreift, muss der Projektbetreiber auch noch drei bis fünf Prozent an Transaktionsgebühren an das Internetversandhaus abführen.

Eine Million Dollar pro Woche

Laut Auskunft von Kickstarter gegenüber ORF.at beläuft sich die Summe der Finanzierungsversprechen (Pledges) derzeit auf rund eine Million US-Dollar pro Woche. Leider können Kreative außerhalb der USA noch nicht auf Kickstarter Projekte starten, ob und wann das Unternehmen nach Europa expandieren wird, wollte es auch nicht verraten. Das Unterstützen von Projekten ist - Kreditkarte vorausgesetzt - aber auch von außerhalb der Vereinigten Staaten aus möglich.

Über 7.000 große und kleine Projekte brachte Kickstarter nach eigenen Angaben schon erfolgreich auf den Weg. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Finanzierung kreativer Einzelvorhaben. Während cleveres Industriedesign wie der kapazitive iPad-Stift „Cosmonaut“ von Dan Provost und Tom Gerhardt auf der Plattform gern gesehen ist, lehnt sie die Finanzierung ganzer Firmen und gewinnorientierter Hightech-Projekte ab.

Die virtuelle Gründergarage

Kickstarter setzt auf das kreative Flair der Garagengründer, auch bei Softwareprojekten. So schafften es die jungen Gründer des dezentralen Sozialen Netzwerks Diaspora im vergangenen Jahr, immerhin 200.641 US-Dollar von 6.479 Unterstützern für die Entwicklung ihres Systems einzusammeln - ihr Ziel belief sich auf lediglich 10.000 Dollar.

In Zeiten, in denen die Kapazitäten journalistischer Organisationen zunehmend beschnitten werden, ermöglicht Kickstarter auch die Finanzierung von Projekten an der Schnittstelle von Kunst und Reportage. Bruce Gilden, Mitglied der renommierten Fotografenkooperative Magnum, sammelte im März 9.553 US-Dollar von 105 Unterstützern ein, die es ihm ermöglichen, seine Reportage über Liegenschaftspfändungen nach der Finanzkrise in den USA fortzusetzen. Die Unterstützer bekommen dann signierte Prints und Bücher. Das Finanzierungsziel lag bei 8.000 Dollar. Für das Crowdfunding von Bildjournalismus gibt es auch seit kurzem die Website Emphas.is, die von renommierten Foto- und Kunstpublikationen sowie von der Organisation Reporter ohne Grenzen unterstützt wird.

Plattform für die Zivilgesellschaft

„Wir haben uns Kickstarter natürlich genau angesehen“, so Ferdinand Lischka, Sprecher der Wiener Plattform respekt.net, gegenüber ORF.at. Das Projekt, das offiziell im September 2010 gestartet wurde, sammelte seither rund 111.000 Euro ein. Ziel ist es, bis Ende 2012 eine halbe Million Euro für Initiativen der Zivilgesellschaft einzusammeln.

Respekt.net deckt damit einen Bereich ab, den Kickstarter absichtlich nicht besetzt hat. „Projekte, die sich über uns finanzieren wollen, müssen einen politischen Ansatz haben“, so Lischka, „Respekt.net wird von Menschen getragen, die mit dem politischen Klima in Österreich unzufrieden waren und es verbessern wollen.“ Parteipolitische Präferenzen habe man nicht, es fänden sich sowohl Liberale wie Heide Schmidt als auch Grüne, Sozialdemokraten und Konservative wie Franz Fischler unter den Unterstützern.

Kleine Schritte

Auch bei respekt.net muss der Initiator eine Summe angeben, die er bis zu einem bestimmten Zeitpunkt gesammelt haben möchte. Die Unterstützer geben aber - anders als bei Kickstarter - kein Finanzierungsversprechen ab, sondern zahlen ihren Beitrag schon im Vorfeld auf das Treuhandkonto von respekt.net ein. Schafft der Initiator es, die von ihm vorgegebene Summe einzusammeln, überweist ihm respekt.net das Geld. Wird die gesetzte Schwelle aber nicht übersprungen, können die Unterstützer ihr Geld entweder zurückfordern oder einem anderen Projekt zuordnen.

Auf der Plattform finden sich sowohl große Vorhaben wie jenes der Transparenzdatenbank für Nebeneinkünfte der Nationalratsabgeordneten mit einem Finanzbedarf in Höhe von knapp 22.000 Euro als auch kleinere Projekte wie die Veranstaltung eines Aktionsseminar von ATTAC (549 Euro) oder die Anschubfinanzierung für ein Magazin an der FH Wien (1.999 Euro).

Ideelle Gegenleistung

Im ersten halben Jahr des regulären Betriebs konnte respekt.net 38 Projekte erfolgreich finanzieren, 15 davon sind bereits realisiert. 19 Vorhaben scheiterten. Projektscouts von respekt.net helfen interessierten Antragstellern dabei, ihre Ideen so auszuformulieren, dass sie viele Unterstützer finden.

Anstatt einer materiellen Gegenleistung wie bei Kickstarter bekommen die Unterstützer Informationen darüber, wie die von ihnen gesponserten Projekte laufen, die Initianten sind dazu angehalten, Bilder und Berichte hochzuladen, damit die Spender sehen, wofür ihr Geld verwendet wurde. „Die Leute wollen einfach wissen, dass sie für etwas Sinnvolles gespendet haben“, so Lischka. Die Mitglieder erwarteten „keine materielle Gegenleistung, sondern einfach die Gewissheit, dass sie mit ihrer Spende einen sinnvollen Beitrag zur Stärkung der Zivilgesellschaft geleistet haben“.

Tipps für Gründer

Eine knappe und präzise Projektbeschreibung sei für den Erfolg einer Idee genauso wichtig wie ein Budget, das die potenziellen Spender auch nachvollziehen können. Lischka: „Innovative oder kreative Projekte haben genauso gute Chancen darauf, finanziert zu werden wie traditionellere, dafür sehr gut konzipierte Projekte.“ Es sei auch wichtig, eine eigene Community zu haben, die im Netz und im realen Leben für das Vorhaben werben könne.

Auch Justin Kazmark von Kickstarter hat auf Anfrage von ORF.at noch Tipps für Projektgründer bereit: „Grenzen Sie Ihr Vorhaben so ab, dass es einen möglichst genau definierten Anfang und ein Ende hat. Setzen Sie sich ein erreichbares Ziel und überlegen Sie sich attraktive Belohnungen für Ihre Fans - und arbeiten Sie hart daran, Ihr Projekt bekanntzumachen.“

Günter Hack, ORF.at

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