„Plastikfang“ soll sich selbst rechnen
Mit einem neuen Plan will die EU die Überfischung eindämmen und gleichzeitig für saubere Meere sorgen: EU-Fischereikommissarin Maria Damanaki will im nächsten Monat ein Pilotprojekt im Mittelmeer starten: Fischer sollen dafür bezahlt werden, Plastikmüll statt Fische aus dem Wasser zu ziehen.
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Während die Tätigkeiten zunächst subventioniert werden, sollen die Fischer in Zukunft sogar selbst über ihre „Fänge“ verdienen: Das recycelte Plastik werde mit steigenden Rohstoffpreisen ebenfalls im Wert steigen, heißt es. Die Meere sollen damit nicht nur sauberer werden, auch die Bedingungen für Fische, Seevögel und andere Tiere würden damit verbessert, heißt es im britischen „Guardian“.
Bisher nur freiwillige Projekte
Die Griechin Damanaki hatte die Initiative auch schon bei einer Gesprächsrunde im April in ihrer Heimat angekündigt. Ähnlich war die EU schon bei der Landwirtschaft verfahren: Bauern erhalten Subventionen für Landschaftspflege, um nicht die Überproduktion im Agrarsektor weiter anzuheben.
Bisher gibt es nur einige freiwillige Projekte von „Müllfischern“: So starteten am Donnerstag die Fischer der deutschen Insel Fehmarn und aus Heiligenhafen ihr Projekt „Fishing for Litter“, bei dem sie Müll aus der Ostsee fischen wollen. In der Nordsee betätigen sich bereits rund 350 Fischereifahrzeuge aus 35 Häfen als „Müllfischer“.
Fische landen im Meer statt auf dem Teller
Die Initiative gilt als Zugeständnis der EU gegenüber der Fischereiindustrie in einem anderen Streit: Damanaki hatte am Dienstag vor der Presse erneut ihre Pläne bekräftigt, die gängige Praxis abschaffen zu wollen, dass Fischer große Teile ihres Fanges zurück ins Meer kippen. In einigen Gebieten werden zwei Drittel aller gefangenen Fische wieder tot ins Meer geworfen. Die Gründe dafür sind unterschiedlich: Zu junge Fische sind ebenso dabei wie solche, für die die Fangquote bereits ausgeschöpft oder gar nicht vorhanden ist. Und Fischer stoßen häufig auch billigeren Fisch wieder ab. Allein in der Nordsee wird pro Jahr eine Million Tonnen Fisch wieder ins Meer geworfen.
Damanaki verwies auch auf den öffentlich Druck in der Sache: Die Kampagne „Fish Fight“ sorgt vor allem in Großbritannien für viel Aufsehen. Diese Praxis zu ändern sei sowohl im Interesse der Fischer wie auch der Konsumenten, betonte sie.
Industrie protestiert
Die Fischer sehen das anders. Das sei gar nicht möglich, hieß es etwa bei einem Hearing in Brüssel am Dienstag. Andere Vertreter der Fischerei befürchteten massive Einschnitte der gesamten Industrie, viel kleinere Fischereiflotten würden die Folge sein. Nur einen freiwilligen Verzicht kann man sich vorstellen.
Damanaki will aber hart bleiben: Man diskutiere diese Fragen seit mehr als einem Jahrzehnt, jetzt sei es Zeit zu handeln, die Zeit laufe davon. Ein entsprechender Vorschlag soll im Juli in die EU-Gremien eingebracht werden, sie glaubt die Unterstützung von Großbritannien, Deutschland, Frankreich und Dänemark zu haben. Und noch einen weiteren harten Einschnitt plant die EU-Kommissarin: Noch im Mai gibt es erste Gesprächsrunden mit ärmeren, an die EU grenzenden Ländern etwa in Afrika, in deren Gewässern Fischer der Union ihre Netze auslegen. Auch dem will sie mit transparenteren Lösungen ein Ende machen.
Lieferkette wird besser kontrolliert
Damanaki präsentierte zudem schärfere Regeln, die dafür sorgen sollen, dass illegal gefangener Fisch künftig nicht mehr auf europäischen Tellern landet. Sie geben der EU-Kommission neue Befugnisse an die Hand, mit denen sie die gesamte Lieferkette besser kontrollieren will - „vom Netz bis auf den Teller“, wie Damanaki in Brüssel sagte. „Wenn der Fisch das Geschäft erreicht, kann der Verbraucher sicher sein, dass es sich um legal gefischte Ware handelt“, hieß es.
In Europa werde nahezu doppelt so viel Fisch gefangen, wie erlaubt ist. Damanaki: „Die Fischbestände in der EU werden um mehr als 72 Prozent überfischt.“ Das zerstöre Lebensräume im Meer, verzerre die Märkte und benachteilige ehrliche Fischer.
Elektronische Datensammlung
Damit europäische Fischer unter vergleichbaren Bedingungen arbeiten können, werden Verstöße jetzt überall und unabhängig von der Staatsangehörigkeit mit gleich strengen Strafen verfolgt. Dazu gilt ein neues Punktesystem. Fischer, die wiederholt beim illegalen Fischen erwischt werden, verlieren letztlich die Zulassung.
Neu ist auch, dass alle die Fischerei betreffenden Daten künftig elektronisch gesammelt werden müssen, statt sie mühsam per Hand einzugeben. Die elektronischen Daten können von den Mitgliedsstaaten und der Europäischen Fischereiaufsichtsagentur im spanischen Vigo eingesehen und geprüft werden. Die EU finanziere 85 Prozent der Kosten, um die neuen Technologien an Bord zu bringen, hieß es.
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