Seligsprechung in Rekordzeit
Der polnische Papst Johannes Paul II. (1978 bis 2005) ist am 1. Mai, nur sechs Jahre nach seinem Tod, seliggesprochen worden. Den Weg dafür frei gemacht hat die 50-jährige französische Nonne Marie Simon-Pierre Normand. Sie soll plötzlich von der Parkinson-Krankheit befreit gewesen sein, nachdem sie Johannes Paul II. in den Monaten nach seinem Tod in Gebeten um Hilfe anflehte.
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Das offiziell von Papst Benedikt XVI. anerkannte Wunder trug sich nach Angaben der Schwester in der Nacht zum 3. Juni 2005 zu. Drei Jahre zuvor sei bei ihr Parkinson diagnostiziert worden - dieselbe Krankheit, unter der auch Johannes Paul II. litt. Nach und nach wurden laut Marie Simon-Pierre ihr linker Arm und ihr linkes Bein von starkem Zittern befallen.
Vom 2. April 2005 an - dem Todestag von Johannes Paul II. - habe sich ihr Zustand weiter verschlechtert. „Ich sah mich schwinden, ich konnte nicht mehr schreiben“, berichtete die Nonne dem Vatikan.

Reuters/Serge Pagano
Marie Simon-Pierre über ihre wundersame Heilung: „Es war eine Gnade.“
„Ich war krank und bin geheilt“
Am 2. Juni habe sie deshalb ihre Oberin gebeten, sie von ihren Aufgaben zu entbinden. Doch diese bat sie, noch durchzuhalten. „Johannes Paul II. hat vielleicht sein letztes Wort noch nicht gesprochen“, sagte die Vorgesetzte. In der Nacht habe sie dann plötzlich wieder schreiben können, beschrieb Marie Simon-Pierre ihre Genesung. „Alles, was ich sagen kann, ist: Ich war krank und bin geheilt“, berichtete die Frau mit dem strahlenden Lächeln.
Selige als Vorbilder
Selige und Heilige werden in der katholischen Kirche als Vorbilder christlichen Lebens verehrt. Die Seligsprechung erlaubt die offizielle Verehrung eines verstorbenen Menschen in einer bestimmten Region, die Heiligsprechung dehnt diese Verehrung auf die gesamte katholische Weltkirche aus.
Viele Katholiken hatten bereits 2005 nach dem Tod des polnischen Papstes auf eine schnelle Heiligsprechung gedrängt. Laut Vatikan-Sprecher Pater Federico Lombardi hat Benedikt XVI. zwar die normale Prozedur zur Seligsprechung beschleunigt, das Verfahren sei aber trotzdem besonders „gründlich“ durchgeführt worden. Nach geltendem Kirchenrecht darf ein Seligsprechungsverfahren normalerweise erst fünf Jahre nach dem Tod des Betreffenden beginnen. Bei Johannes Paul II. wurde dieses jedoch noch in seinem Todesjahr eingeleitet.
Neue Ruhestätte
Nach der Seligsprechung erhält der Papst auch ein neues Grab am Eingang des Petersdoms. Bereits Sonntagfrüh wurden die sterblichen Überreste von Johannes Paul II. in die Sankt-Sebastian-Kapelle im zweiten Kirchenschiff auf der rechten Seite der Basilika umgebettet, um den Pilgern eine bessere Zugänglichkeit zu gewährleisten. Dafür musste der Sarg von Innozenz XI. (1676 bis 1689) weichen.
Kommission hatte erst Zweifel
2009 war das Seligsprechungsverfahren ins Stocken geraten, als Zweifel an der Heilung der französischen Ordensfrau laut geworden waren. Die zuständige Medizinerkommission rollte das Verfahren daraufhin neu auf, um das Wunder schließlich zu bestätigen. Dem hatte sich Ende Dezember auch die vatikanische Kommission angeschlossen.
Den Antrag zur Seligsprechung stellt der örtlich zuständige Bischof. Ein Kirchengericht prüft dann, ob die fragliche Person tugendhaft gelebt hat, im „Ruf der Heiligkeit“ gestanden ist, ein Martyrium erlitten oder Wunder gewirkt hat. Nach dem Urteil des Gerichts prüft die Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse im Vatikan die Unterlagen und gibt eine Empfehlung an den Papst ab. Das gesamte Verfahren dauert oft mehrere Jahrzehnte, ehe der Pontifex letztlich die Entscheidung zur Seligsprechung trifft.
Bischof im Stich gelassen?
Vor der Seligsprechung wurde aber auch Kritik an Johannes Paul II. laut. Prominente Theologen, Politiker und kirchliche Gruppen warfen ihm vor, den vor 31 Jahren ermordeten Erzbischof Oscar Arnulfo Romero aus El Salvador nicht genügend gegen die Bedrängnisse der damaligen Militär-Junta unterstützt zu haben. Das berichtete die Wochenzeitung „Die Zeit“ in ihrer Beilage „Christ und Welt“.
Kritik an „dunkler Seite“ des Papstes
Der deutsche Theologe Hans Küng fand noch schärfere Worte. Johannes Paul habe „ein autoritäres Lehramt ausgeübt, er hat die Menschenrechte von Frauen und Theologen unterdrückt“, sagte der Kirchenkritiker gegenüber der „Frankfurter Rundschau“ (Freitag-Ausgabe). Diese dunklen Seiten seien im Seligsprechungsprozess unberücksichtigt geblieben. Johannes Paul II. sei „intolerant und unwillig zum Dialog“ gewesen - mehr dazu in religion.ORF.at.
Aus Österreich kommt vor allem Kritik von der Plattform Betroffener kirchlicher Gewalt. „Wenn man an das Leid unzähliger Kinder denkt, deren Täter durch die Vertuschungsaktionen der katholischen Glaubenskongregation - hervorgegangen aus der ‚Heiligen Inquisition‘ - vor Verfolgung geschützt wurden und werden und wie die Kirche diese geschändeten Kinder behandelt, so scheint diese Seligsprechung weltfremd und absurd“, sagte Sepp Rothwangl von der Plattform.
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