Viele Probleme, wenig Lösungen
Die Europäische Union hat offiziell das Scheitern ihrer im Jahr 2000 gesetzten Bildungsziele eingeräumt. EU-Bildungskommissarin Androulla Vassiliou sagte am Dienstag in Brüssel, trotz einzelner Fortschritte habe nur eine von fünf Vorgaben von der EU erfüllt werden können. Besonders schlecht ist es um die Lesekompetenz bestellt.
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Es ist kein gutes Zeugnis, das sich die EU selbst ausstellen musste. Von den fünf Bildungszielen konnte nur eines, nämlich den Anteil von Hochschulabsolventen mathematischer, naturwissenschaftlicher und technologischer Fächer zu steigern, erreicht werden. Österreich liegt in den meisten Bereichen über den von der EU definierten Zielen, beim Lesen gibt es aber gravierende Defizite.
Jeder vierte Schüler kann nicht gut lesen
Das Ziel war klar: Bis 2010 sollte der Anteil der Schüler mit geringer Lesekompetenz EU-weit um ein Fünftel auf 17 Prozent sinken. Nach den vergleichbaren PISA-Zahlen lag der Anteil 2009 aber für die EU noch bei 20 Prozent, in Österreich sogar bei 27,5 Prozent. Nur Bulgarien und Rumänien liegen noch schlechter.
Ziele im Detail
- Schulabbrecher unter zehn Prozent
- Ein Plus von 15 Prozent bei Absolventen von naturwissenschaftlichen Studien
- Ausbildung über Pflichtschule hinaus bei 85 Prozent
- Leseschwäche soll um 20 Prozent sinken
- 12,5 Prozent sollen am lebenslangen Lernen teilnehmen
Gegenüber dem Jahr 2000 hat sich die Lesefähigkeit gleich in einer ganzen Reihe von Ländern verschlechtert. Neben Tschechien, Irland, Spanien, Frankreich, Italien und Schweden verlor auch das Bildungsvorzeigeland Finnland hier an Boden. Aber nirgendwo war der Zuwachs so stark wie in Österreich. 2000 lag der Anteil der heimischen leseschwachen Schüler noch bei 19,3 Prozent - das ergibt einen Anstieg um 8,2 Prozent.
EU-weite Leseschwerpunkte
Die EU ist sich dieses Problems bewusst, eine Lösung zeichnet sich jedoch nicht ab. Leseschwäche sei ein sehr komplexes Problem, betonte die EU-Kommissarin. Sie verwies auf eine Gruppe hochrangiger Experten für Alphabetisierung unter dem Vorsitz der niederländischen Prinzessin Laurentien und eine Lesekampagne der EU, die sich auch gezielt an sozial schwache Gruppen wie Roma-Kinder richte. Den Eltern rät die Kommissarin, ihre Kinder öfter zum Lesen anzuhalten, anstatt die Kinder die meiste Zeit vor dem Computer sitzen zu lassen.
Jeder siebente Schüler bricht Schule ab
Viel besser sieht es für Österreich bei den Schulabbrechern aus. Während die EU ihr Ziel, die Schulabbrecherquote auf unter zehn Prozent zu senken, verpasst hat, konnte Österreich seine Quote von 10,2 Prozent auf 8,7 Prozent drücken. EU-weit ging der Anteil frühzeitiger Schulabbrecher von 17,6 Prozent im Jahr 2000 auf 14,4 Prozent im Jahr 2009 zurück. Vassiliou bezeichnete es als inakzeptabel, dass jeder siebente Schüler die Schule frühzeitig verlasse und nur jeder dritte Schüler eine Hochschulbildung erreiche.
Nur leichter Anstieg bei Maturanten
Ein weiteres Ziel war es, dass bis 2010 mindestens 85 Prozent der 22-Jährigen mit einer Schulbildung über der Pflichtschule hinaus in der EU einen Maturaabschluss haben sollten. Seit 2000 stieg der Anteil EU-weit nur leicht, von 76,6 Prozent auf 78,6 Prozent im Jahr 2009, in Österreich von 85,1 auf immerhin 86,0 Prozent.
Österreich hinkt bei Frauenanteil hinterher
Eine Erfolgsmeldung konnte die EU zumindest bei der Anzahl von Hochschulabsolventen mathematischer, naturwissenschaftlicher und technologischer Fächer vermelden. Hier stieg EU-weit seit 2000 der Anteil der Studenten um 37,2 Prozent und der Frauenanteil unter ihnen von 30,7 Prozent auf 32,6 Prozent im Jahr 2008. Österreich verzeichnete hier sogar eine Steigerungsrate von 66,4 Prozent.
Doch bei dem Ziel, auch mehr Frauen für diese Fächer zu begeistern, liegt Österreich deutlich unter dem EU-Schnitt. Wählten 2000 nur 19,9 Prozent Frauen eines dieser Fächer, waren es acht Jahre später 24,2 Prozent - und damit ist man weit von den 32,6 innerhalb der EU entfernt.
Vorbild bei Erwachsenenbildung
Dagegen kann Österreich auf den Anteil von Personen in der Erwachsenenbildung stolz sein. Sollten laut den Zielen in der EU im Jahr 2010 im Durchschnitt 12,5 Prozent der Erwachsenen eine Weiterbildung beginnen, sind es tatsächlich nur 9,3 Prozent. In Österreich liegt die Rate mit 13,8 Prozent sogar über der Zielvorgabe.
Ehrgeizige Ziele bis 2020
Bis 2020 hat sich die EU weitere fünf „Benchmarks“ gesetzt. So soll der Anteil frühzeitiger Schul- und Ausbildungsabgänger weiterhin unter zehn Prozent betragen. Der Anteil der 30- bis 34-Jährigen mit einem Hochschulabschluss sollte bei mindestens 40 Prozent liegen. Diese beiden Ziele sind auch Bestandteil der EU-Wirtschaftsstrategie „Europa 2020“.
Darüber hinaus sollen mindestens 95 Prozent der Kinder zwischen vier Jahren und dem Beginn des Pflichtschulalters an frühkindlicher Bildung teilhaben (derzeit EU-weit 92,3 Prozent, in Österreich 90,3 Prozent). Der Anteil der 15-Jährigen mit unzureichenden Fähigkeiten in den Bereichen Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften sollte weniger als 15 Prozent betragen (aktuell in der EU 20 Prozent). Im Durchschnitt sollten bis 2020 mindestens 15 Prozent der Erwachsenen am lebenslangen Lernen teilnehmen.
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