„Leben der Atomarbeiter retten“
Japanische Ärzte haben am Freitag dazu aufgerufen, an die Gesundheit der Arbeiter im Atomkraftwerk Fukushima I zu denken und ihnen Stammzellen für eine mögliche Krebsbehandlung zu entnehmen. Die Arbeiten in dem zerstörten AKW könnten noch viele Monate dauern, die Wahrscheinlichkeit, dass Arbeiter dabei verstrahlt würden, sei „erhöht“, so die Ärzte.
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Es werde Jahre dauern, die bei dem verheerenden Erdbeben vor einem Monat beschädigten Atomreaktoren stillzulegen, erklärten fünf Ärzte von verschiedenen japanischen Kliniken in einem am Freitag veröffentlichten Beitrag in der britischen Medizinfachzeitschrift „The Lancet“. „Die Gefahr, dass sie versehentlich radioaktiver Strahlung ausgesetzt sind, wird sich für die Atomarbeiter folglich erhöhen.“ Deshalb sollten periphere Stammzellen (PBSC) aus ihrem Blut entnommen und aufbewahrt werden, mahnten die Krebsspezialisten.
Ärzte appellieren an Atombranche
Sollten die Arbeiter an Krebs erkranken und eine Strahlentherapie benötigen, könnten ihnen nach der Behandlung ihre eigenen Stammzellen eingesetzt werden, damit wieder neue Zellen entstehen, erklärten die Mediziner um Tetsuya Tanimoto von der Japanischen Stiftung für Krebsforschung in Tokio. Bisher lasse die japanische AKW-Branche diese Möglichkeit ungenutzt, weil sie fürchte, dass es ihrem Ansehen schaden könne, kritisierten die Ärzte. „Der wichtigste Auftrag besteht darin, das Leben der Atomarbeiter zu retten und die örtlichen Gemeinschaften zu schützen.“
Stark verstrahltes Grundwasser
Besonders große Sorgen bereitete den Arbeitern zuletzt das immer stärker verstrahlte Grundwasser um die Atommeiler sowie in Bodenproben nachgewiesene Plutoniumspuren. Infolge der Atomkatastrophe wurde zum dritten Mal das hochgiftige Schwermetall aus Reaktor 3 gefunden. Die Konzentrationen von radioaktivem Jod und Cäsium im Grundwasser haben in einer Woche mehrere Dutzend Mal zugenommen, teilte der AKW-Betreiber TEPCO mit.
Stickstoff in Reaktor 1 gefüllt
Unterdessen gehen die Arbeiten in unmittelbarer Nähe der Brennstoffbehälter unvermindert weiter. Mitarbeiter füllten Stickstoff in den Reaktor 1, um weitere Wasserstoffexplosionen zu verhindern. Nach Angaben der Atomaufsichtsbehörde soll in Kürze auch in die beiden anderen havarierten Reaktoren Stickstoff eingefüllt werden.

APA/EPA/TEPCO
Von Reaktor 1 ist nur eine Ruine übrig.
Zudem installierten die Arbeiter am Freitag weitere Stahlplatten nahe der Meerwasserzufuhr des Reaktors 2, wie die Nachrichtenagentur Kyodo meldete. TEPCO wolle Sandsäcke mit dem Mineral Zeolith, das radioaktives Material absorbiert, nahe der Anlage ins Meer werfen, um die radioaktive Verstrahlung des Meeres zu verringern, hieß es.
Nur kleine Mengen Brennstoff geschmolzen
Wie es in den Reaktorruinen tatsächlich aussieht, darüber können Experten nur spekulieren. Nach aktuellen Einschätzungen haben sich nur kleine Mengen geschmolzener Brennstoff auf dem Boden der Druckkessel angesammelt. Das berichtete Kyodo am Freitag unter Berufung auf die Atomic Energy Society of Japan (AESJ), eine Gruppe von Wissenschaftlern zur Förderung der friedlichen Nutzung von Nuklearenergie.
Demnach hat der geschmolzene Brennstoff in den havarierten Reaktoren 1 bis 3 die Form von Körnern angenommen. Der Effekt sei vergleichbar mit dem bei gekochtem Getreide, das in kaltem Wasser abgeschreckt werde. Aus Sicht der Experten berge die Menge aber keine akute Gefahr für das Reaktorgehäuse. Eine unkontrollierbare Kettenreaktion sei so gut wie ausgeschlossen.
Zentimetergroße Körner auf Kesselboden
Eine große Menge berge die Gefahr, dass sie die Reaktorgehäuse beschädigen und zu großen Lecks führen könnte, hieß es. Die Körner an geschmolzenem Brennstoff haben nach Erkenntnissen der Experten einen Durchmesser von mehreren Millimetern bis zu einem Zentimeter und scheinen flach auf dem Boden der Kessel zu liegen.
Das schließe die Möglichkeit so gut wie aus, dass es zu einer Kernreaktion kommt. Selbst wenn die derzeit laufenden Bemühungen zur Stabilisierung der Lage ohne Probleme aufrechterhalten werden, dürfte es nach Einschätzung der Experten mindestens zwei, drei Monate dauern, bis sich der Kernbrennstoff stabilisiere, wobei es wenn überhaupt nur zu geringer Freisetzung von Radioaktivität käme.
Wind dreht wieder auf Tokio
Wind aus Norden und Osten könnte am Sonntag wieder radioaktive Partikel aus dem Unglücksmeiler Richtung Tokio tragen. Am Samstag wehe das radioaktive Material zunächst noch aufs offene Meer hinaus, am Sonntag drehe der Wind aber, sagte ein Sprecher des Deutschen Wetterdienstes (DWD) am Freitag. Ungünstigerweise werde in der Nacht von Sonntag auf Montag auch noch Regen erwartet. Dieser könne in der Region Fukushima radioaktives Material auswaschen.
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