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Förderung setzt enorm viel Methan frei

Steigende Gaspreise, Umweltauflagen, die Abhängigkeit von krisengeschüttelten Ländern und die AKW-Krise in Japan lassen Staaten nach neuen Energiequellen Ausschau halten. Einer der Hoffnungsträger ist Schiefergas. Mehrere hundert Billionen Kubikmeter davon sollen weltweit in Schiefergestein stecken. Anders als bisher angenommen dürfte die Förderung jedoch alles andere als sauber sein.

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Professoren der Cornell-Universität stellten in einer Studie fest, dass das Gas klimatechnisch womöglich bedenklicher ist als der Energieträger Kohle. Mehr als drei Prozent der geförderten Menge an Schiefergas kann an Methan freigesetzt werden, fanden sie heraus. Das Treibhausgas gilt als weit schädlicher als CO2.

Auf 20 Jahre gerechnet weit schädlicher

Die Studie, die im Journal „Climatic Change“ veröffentlicht wurde und ORF.at in einer Kurzversion vorliegt, zeigt, dass der Klimafußabdruck von Schiefergas größer ist als jener von herkömmlichem Erdgas oder Erdöl. Verglichen mit Kohle ist der Klimaabdruck des Gases sogar bis zu doppelt so groß, wenn man einen Zeitraum von 20 Jahren betrachtet. Über einen Zeithorizont von 100 Jahren gleiche er sich dann in etwa an, heißt es in der Studie.

USA wollen Förderung massiv ausbauen

Die Förderung von Schiefergas ist ein extrem aufwendiges Unterfangen und wird bisher in großem Maßstab nur in den USA durchgeführt. Rund 14 Prozent der Energieversorgung über Erdgas wird dort bereits durch Schiefergas sichergestellt. Laut einem Bericht der US-Zeitung „The Hill“ soll der Anteil bis 2035 sogar auf 45 Prozent wachsen.

Da Schiefer relativ undurchlässig ist, dringt das Gas nicht einfach an die Erdoberfläche, wenn diese Gesteinsschichten angebohrt werden. Häufig sind waagrechte Bohrungen notwendig, um Kanäle zu schaffen, durch die das Gas entweichen kann. Die hohen Weltmarktpreise für Erdgas machen die Erschließung inzwischen dennoch rentabel.

Spezialbohrer mit waagrechtem „Knick“

US-Firmen entwickelten in den vergangenen Jahren Spezialbohrer, die solches Gas fördern können. Sie bohren sich zunächst senkrecht in die Erde, um dann nach dem Erreichen der Gesteinsschichten in die Waagrechte abzuknicken. Da das Gestein, in dem das Gas gefangen ist, nicht durchlässig ist, müssen künstlich Klüfte geschaffen werden, indem Chemikalien und mit Sand vermischtes Wasser unter hohem Druck in das Bohrloch geschossen werden.

Dieser Prozess wird als „Fracking“ oder „Hydrofracking“ bezeichnet. Wenn Teile des Wassers in den darauffolgenden Tagen und Wochen wieder an die Oberfläche treten, werden sie von großen Mengen Methan begleitet, heißt es in der Studie. Zwischen 0,6 und 3,2 Prozent der geförderten Menge an Schiefergas können als Methan entweichen.

Millionen Liter von Wasser nötig

Wie das „Handelsblatt“ berichtete, ist das „Fracking“ aber auch wegen der giftigen Zusatzstoffe und der enormen Menge an benötigtem Wasser umstritten. Sieben bis 15 Millionen Liter Wasser sind demnach für die Aufsprengung einer Bohrung nötig. Ein großer Teil davon fließt wieder zurück an die Oberfläche, und muss wegen der enthaltenen Gifte fachgerecht entsorgt und gelagert werden. Schlimmstenfalls, so die Wirtschaftszeitung, sei es sogar möglich, dass mit radioaktiven Elementen angereichertes Tiefenwasser an die Oberfläche tritt.

Kritiker befürchten dadurch eine Gefahr für das Trinkwasser. Zwar ist das Bohrloch demnach mit einem Zementmantel isoliert, Risse sind darin jedoch möglich. In Pennsylvania etwa wurden Bohrungen per Gericht gestoppt, nachdem mehrere Haushalte ihr Trinkwasser als ungenießbar vorfanden.

Kritik an Untersuchung

Kritik an den Studienergebnissen kommt von Experten. Der Seniorvizechef des Beratungsunternehmens M.J. Bradley & Associates wirft den Wissenschaftlern vor, mit „unsicheren“ Daten gearbeitet zu haben, berichtete die US-Zeitung „The Hill“ Anfang April. Ganz ohne Eigeninteresse dürfte diese Kritik jedoch nicht sein - die Zeitung verweist darauf, dass das Unternehmen Klienten aus der Gasindustrie habe.

Studie als Denkanstoß

Doch auch die Autoren möchten ihre Ergebnisse nicht als endgültige Entscheidungsbasis für die eine oder andere Energiequelle verstanden wissen. Die Untersuchung solle lediglich zeigen, dass das Ersetzen von Kohle durch Schiefergas womöglich nicht die gewünschten positiven Auswirkungen im Kampf gegen die Klimaerwärmung habe, die man sich damit erhofft, heißt es in der Studie.

„Wir sollten uns davon verabschieden, Schiefergas als Überbrückungsbrennstoff zu sehen, der die nächsten Jahrzehnte andere fossile Brennstoffe ersetzen soll“, sagte einer der Studienautoren, Robert W. Howarth, gegenüber der BBC. „Vielmehr sollten wir härter daran arbeiten, wirklich grüne, erneuerbare Energie, wie Wind und Solar, so schnell wie möglich voranzutreiben.“

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