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Als Erneuerer der ÖVP angetreten

Der 13. April 2011 bringt das junge Karriereende einer gezielt aufgebauten Polithoffnung. Mit 42 Jahren zieht sich ÖVP-Chef Josef Pröll zurück. Ein Lungeninfarkt brachte den dreifachen Familienvater offenbar dazu, seine steile, aber stressige Politkarriere zu beenden.

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Gerüchteweise könnte er nun zu Raiffeisen wechseln, wo ihn Generalanwalt Christian Konrad schon seit Jahren als Wunschnachfolger sieht. Der Rückzug Prölls überrascht dennoch ein wenig. Denn der Vizekanzler hatte seinen politischen Aufstieg gezielt vorangetrieben.

Schon als Landwirtschaftsminister inszenierte er sich gerne via Boulevard, gab Feiern mit Prominenz und übte sich in seiner wohl größten Stärke, dem legeren Umgang mit Wähler- und Journalistenvolk. Als hintereinander Wolfgang Schüssel und Wilhelm Molterer scheiterten, war längst nur noch der Neffe des niederösterreichischen Landeshauptmanns Erwin Pröll als logische Chefhoffnung in der ÖVP übrig geblieben.

Gemütliches Image

Dabei galt Pröll noch zu Jugendzeiten als eher gemütlicher Zeitgenosse, dem ehemalige Weggefährten gar keine so großen Ambitionen zugetraut hätten. Er selbst will freilich schon als Kind begeistert den politischen Gesprächen seines Vaters, eines Landwirts, mit Onkel Erwin gefolgt sein.

Politisch sozialisiert wurde der Agrarökonom, der schon während seines Studiums erstmals Vater wurde, wenig überraschend im Bauernbund. Der am 14. September 1968 geborene Stockerauer heuerte bei der EU-Abgeordneten Agnes Schierhuber an, war dann Kabinettschef des damaligen Landwirtschaftsministers Molterer und Direktor des Bauernbunds.

Von dort aus ging es ab ins Kabinett Schwarz-Blau II. Kanzler Schüssel galt dabei weniger als Mentor Prölls denn dessen Onkel Erwin. Der neue Landwirtschaftsminister führte sein Ressort ohne gröbere Probleme, einzig mit den Umweltorganisationen hatte Pröll immer wieder Ärger. Gern wäre Pröll bei der Wiederauflage von Rot-Schwarz mehr geworden, etwa Wirtschaftsminister. Doch die Zukunftshoffnung musste sich neuerlich mit dem Landwirtschafts- und Umweltressort zufriedengeben.

Basis als Perspektivengeber

Erst als Molterer mit seinem „Es reicht“-Sager die Neuwahl vom Zaum brach und eine schwere Niederlage einfuhr, schlug im Herbst 2008 Prölls Stunde. Als Leiter der Perspektivengruppe zur Reform der ÖVP hatte er sich in den Monaten davor eine Basis geschaffen, die groß genug war, um auf einem Parteitag mit knapp 90 Prozent zum Parteichef gewählt zu werden - und das in einer Zeit, wo er sich mit seinem Pro-Regierungskurs einer gehörigen Portion Skepsis der oppositionslustigen Basis ausgesetzt sah.

Die ersten Monate im neuen Amt als Multifunktionär - ÖVP-Obmann, Vizekanzler und Finanzminister - liefen für Pröll ausgezeichnet. Erfolgreiche Landtagswahlen etwa in Vorarlberg und Niederösterreich, ein Kanzler Werner Faymann, der sich noch schwertat mit dem Umstieg aus der Kommunalpolitik und eine Steuerreform mit Zuckerln wie der steuerlichen Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten machten das schwarze Leben sonnig.

Von Offensive in Defensive

Die Welt des Josef Pröll schien in Ordnung. Von den Medien zum Schattenkanzler hochstilisiert, inszenierte sich der Finanzminister selbst mit einer Art Rede an die Nation, wo er mit dem Transferkonto ein Thema vorgab, mit dem er wochenlang die Schlagzeilen dominierte. Stimmen aus der ÖVP, wonach man als Vizekanzler in einer Regierung zum Scheitern verurteilt sei, verstummten.

Doch die Zeiten ändern sich. Die Wirtschaftskrise inklusive Bankenrettungspaket kratzte Pröll weniger an als das Comeback des Kanzlers. Mit dessen sozialer Gerechtigkeitskampagne geriet Pröll in die Defensive. Der Finanzminister stand plötzlich nur noch als Verkünder düsterer Sparpakete da, der Kanzler ging bei allem in Deckung, was irgendwie unangenehm klang.

Hinzu kam ein schlechtes Wahljahr 2010 - die Steiermark wurde nicht zurückerobert, in Wien ging es so tief wie nie, und auch das Burgenland lieferte keinen rauschenden Erfolg.

Kritik an Personalauswahl

Erschwerend für Pröll: Er hatte parteiintern einen mächtigen Zweifler dazubekommen. Erwin Pröll war sauer, dass der Neffe seine mögliche Kandidatur bei der Präsidentschaftswahl unterlaufen hatte. Seither gilt das Verhältnis als gespannt. Und auch inhaltlich hatte der einst liberale Reformer Pröll seine Nöte, die Partei etwa im Bildungsbereich in modernere Zeiten zu holen. Das Bild in der Öffentlichkeit blieb: Wenn etwas geht, dann geht es nur mit, aber nie gegen die schwarze Lehrergewerkschaft.

Schwer tat sich Pröll auch mit der Personalauswahl. Sowohl sein Generalsekretär Fritz Kaltenegger als auch Klubobmann Karlheinz Kopf gelten in der Partei mittlerweile als Schwachstellen. Nicht gerade bewährt hat es sich auch, mit BAWAG-Richterin Claudia Bandion-Ortner eine politische Quereinsteigerin ins Justizressort zu holen. Und schließlich war die EU-Spitzenkandidatur Ernst Strassers, der mit seinem Lobbyistenskandal die ÖVP so richtig in die Krise gestürzt hat, einsam von Pröll zu verantworten.

Vor schweren Aufgaben

Was neben dem gesundheitlichen Aspekt - immerhin hatte der scheidende ÖVP-Chef schon früher mit einer Thrombose zu kämpfen - Prölls Lust auf eine weitere Politkarriere gedämpft haben könnte, ist eben der aktuelle Zustand der Partei. In den Umfragen war man zuletzt nach dem Strasser-Skandal fast überall auf Platz drei hinter die Freiheitlichen abgerutscht, ein Neustart, auch personell, schien notwendig, und solch ein zeitintensives Unterfangen wäre für einen gesundheitlich angeschlagenen Obmann sicher nicht die beste Medizin.

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