Neues Kapitel der Firmengeschichte
Der größte Rohstoffhändler der Welt, Glencore, hat seinen Börsengang angekündigt. Im Mai sollen 15 bis 20 Prozent des Unternehmens an die Börse gebracht werden, teilte der Schweizer Konzern am Donnerstag mit. Der weltgrößte Rohstoffhändler wagt in London und Hongkong den Sprung aufs Parkett und will dabei bis zu 12,1 Milliarden Dollar (8,35 Mrd. Euro) einnehmen.
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Die Preisspanne soll am 4. Mai bekanntgegeben und der Handel am 19. Mai aufgenommen werden. Der Börsengang wird zu einem der größten der europäischen Wirtschaftsgeschichte. Der Gesamtwert des Unternehmens dürfte rund 60 Milliarden Dollar betragen. Eine Zwischendividende von 350 Millionen Dollar stellte Glencore für August 2011 in Aussicht. Sie entspreche etwa einem Drittel der jährlichen Gesamtdividende.
Der Glencore-Börsengang in London soll bis zu 8,8 Milliarden Dollar bringen. In der britischen Hauptstadt könnte der Börsengang damit alle vorhergehenden in den Schatten stellen. In Hongkong könnte Glencore bis zu 2,2 Milliarden Dollar einsammeln. Bei vollständiger Ausübung der Mehrzuteilungsoption (Greenshoe) von zehn Prozent würden insgesamt 12,1 Milliarden Dollar zusammenkommen.
Bisher extrem öffentlichkeitsscheu
Glencore hatte bisher aus für das Unternehmen logischen Gründen einen Börsengang strikt abgelehnt. Die 1974 von Marc Rich gegründete und später an das Management verkaufte Gesellschaft galt als extrem öffentlichkeitsscheu. Mit dem Börsengang muss das unscheinbar in Baar residierende Unternehmen im Schweizer Niedrigsteuerkanton Zug aber transparenter werden. Investoren, Aufsichtsbehörden und Konkurrenten muss Einblick in das erfolgreiche Öl-, Kohle- und Metallhandelsgeschäft gewährt werden.
Experten sind sich einig, dass eine Offenlegung der Geschäfte sehr spannend ist, „wenn man sich die abwechslungsreiche Geschichte des Unternehmens ansieht“, so ANZ-Rohstoffanalyst Mark Pervan. Für die „Neue Zürcher Zeitung“ („NZZ“) steht fest, dass Glencore nun ein neues Kapitel aufschlägt.
Riesige Abgangszahlungen
Auf das Unternehmen kommen durch einen Generationenwechsel im Management erhebliche Finanzprobleme zu. Denn es gilt laut dem Schweizer „Tagesanzeiger“ die Regel, dass nur aktiv Beschäftigte Anteile halten dürfen. Wer austritt, wird ausbezahlt. Wenn die Generation um den derzeitigen Chef Willy Strothotte, er ist Jahrgang 1944, das Unternehmen verlässt, hat das einen massiven Kapitalverlust zur Folge, so der „Tagesanzeiger“ weiter.
Bereits 2008 wurden sämtliche Abgangszahlungen von Ausscheidenden bis auf Jahresbeginn 2012 verschoben, so die Zeitung damals. Ein Börsengang könnte eine Möglichkeit sein, diesen Kapitalverlust auszugleichen, so Experten. Und ein weiterer Punkt spricht für einen Börsengang: Die selbst gewählte Undurchsichtigkeit der Firma sei kein Wettbewerbsvorteil mehr, sondern werde zunehmend zur Belastung, so „Capital“. Rohstoffhandelsfirmen seien stark auf Fremdkapital angewiesen, und das gäben die Banken als Folge der Finanzkrise nur noch bei Transparenz her.
Was Glencore mit dem Geld kaufen will
Von dem Geld aus dem Börsengang will Glencore für 3,2 Milliarden Dollar die russische Bergbaufirma Kazzinc praktisch gänzlich übernehmen, an der die Baarer heute bereits die Mehrheit von 50,7 Prozent besitzen. Weitere fünf Milliarden Dollar sollen in den nächsten drei Jahren für Investitionen in Minen und in Erdölanlagen in Afrika und Südamerika gesteckt werden.
Glencore hatte im vergangenen Jahr dank des Anstiegs der Rohstoffpreise stark zugelegt. Der Umsatz schoss um 36 Prozent auf 145 Milliarden Dollar nach oben. Der Reingewinn legte gar um 41 Prozent auf 3,8 Milliarden Dollar zu.
Handel mit 90 Rohstoffen
Das Unternehmen ist streng hierarchisch aufgebaut, es hat einen inneren Zirkel von etwa 13 Managern. Geleitet wird es von dem geborenen Südafrikaner Ivan Glasenberg. Gehandelt wird mit rund 90 Rohstoffen. Bei den Metallen ist Glencore laut „NZZ“ bei Zink, Kupfer, Blei und Aluminium der größte Händler. Aber auch mit Erdöl und Kokskohle sowie Getreide, Baumwolle und Zucker wird gehandelt.
Dabei geht das Geschäft weit über den reinen Handel hinaus. Glencore fördert und transportiert. So gehören dem größten Erdölhändler rund 130 Öltanker, berichtet die „NZZ“. Das Unternehmen besitzt Bergwerke und Minen auf allen Kontinenten. Nach Angaben von Glencore arbeiten 2.700 Menschen direkt für den Konzern - die meisten in Baar in der Vermarktung der Produkte. In seinem Industriebereich beschäftigt das Unternehmen direkt oder indirekt mehr als 50.000 Menschen in 30 Ländern.
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