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Mit den Mächtigen auf Du und Du

In Marc Richs Reich geht die Sonne nie unter, so beschrieb ein Freund des milliardenschweren Rohstoffhändlers in Anspielung auf Karl V. die weitreichenden Geschäftsbeziehungen des Milliardärs und Glencore-Gründers auf dem Höhepunkt seiner Macht in den 70 und 80er Jahren.

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Neue Märkte schaffen galt als Ziel und Traum jedes Rohstoffhändlers und Rich stürzte sich förmlich aufs Öl und krempelte den Markt von Grund auf um - darin liegt Richs besondere Leistung und die ist bis heute spürbar. Als erste Hürde auf seinem Weg zum „King of Oil“, so auch der Titel der Biografie von Daniel Ammann, galt das Monopol der „Sieben Schwestern“. Als solche wurden die sieben den globalen Ölhandel nach dem Zweiten Weltkrieg dominierenden Erdölkonzerne bezeichnet: British Petroleum (BP), Chevron, Esso, Gulf, Mobil, Shell und Texaco.

Es gab bis in die 1960er Jahre hinein keinen Ölhandel nach marktwirtschaftlichen Grundsätzen. Der Preis wurde nicht durch die Dynamik zwischen Käufern und Verkäufern dominiert, sondern die Ölländer verkauften mehr oder weniger die gesamte Fördermenge durch langfristige Verträge abgesichert zu fixen Preisen an die sieben großen Ölfirmen, so Ammann in seiner Rich-Biografie weiter.

Von der Quelle bis zum Tankstutzen

Die „Sieben Schwestern“ beherrschten von der Förderung über die Raffinerien und den Transport bis zum Verkauf an der Tankstelle den Ölmarkt und damit den Preis. Die Ölländer versuchten sich aus dieser Unklammerung zu befreien und setzten auf Verstaatlichung. 1960 wurde schließlich die OPEC (Organisation der ölfördernden Länder) gegründet. Das Oligopol der „Sieben Schwestern“ brach schließlich in den 1970ern zusammen. Und der risikofreudige Rich wusste diesen Umstand zu nutzen, so Ammann in der Schweizer „Weltwoche“.

Die Erfindung des „Spotmarktes“

Richs Name ist laut Ammann mit einer wirtschaftlichen Revolution, der Erfindung des „Spotmarktes“, in diesem Fall des freien Kaufs und Verkaufs von Öl, untrennbar verbunden. Unter „Spotmarkt“ versteht man die prompte Abwicklung auf Märkten, also den Handel an Ort und Stelle. Meist werden lokale Verkäufer und Käufer zusammengebracht - eine Neuerung auf dem starren Ölmarkt, mit der sich ein Vermögen verdienen ließ.

Buchcover von "King of Oil" mit einem Foto von Marc Rich mit Zigarre

Orell Fuessli

Daniel Ammann: King of Oil. Orell Fuessli, 320 Seiten, 25,60 Euro.

Kunden und Käufer wurden nach Bedarf und Tagesgeschäft zusammengebracht - nicht nach langfristigen Lieferplänen, wie das zuvor der Usus war. Braucht man Öl und ist mit dem angebotenen Preis zufrieden, kauft man. Das größte Problem dabei war die Logistik. Doch durch gute Kontakte und Transportexperten als Mitarbeiter schaffte Rich auch diese Hürde und galt als verlässlicher Geschäftspartner.

Franco-Regime brachte wichtige Kontakte

Rich galt und gilt als extrem gut vernetzt. Er kannte die Mächtigen der Welt und sie kannten ihn. Teils gingen die Beziehungen Jahrzehnte zurück. So stammen viele seiner Beziehungen aus seiner Zeit als Regionalchef von Philipp-Brothers in Madrid für Südamerika inklusive Kuba und Afrika, das in den 50er und 60er Jahren gerade die Dekolonialisierung erlebte. Das damalige spanische Franco-Regime öffnete Rich Tür und Tor auch in die arabischen Staaten. Alles Beziehungen, von den Rich auch in den nächsten Jahrzehnten zehren konnte.

Unvereinbares zusammengebracht

Rich machte dabei mit Freund und Feind Geschäfte. Moralische Hemmschwellen oder politisches Gewissen kannte er offenbar nicht. Er selbst sah sich immer nur als unpolitischer Vermittler. Rich schaffte es, Regierungen und Staaten, die offiziell und aus politischen Gründen nichts miteinander zu tun haben wollten bzw. denen es sogar verboten war, Beziehungen zu haben, zu Geschäften zu bewegen, die beiden Seiten bzw., nimmt man Rich dazu, allen drei Seiten finanziell von außerordentlichem Nutzen waren.

Er brachte Araber mit Israelis, Kapitalisten mit Kommunisten und Diktatoren mit Demokraten für Geschäfte an einen Tisch, wie Ammann schreibt. Diese Haltung brachte ihm nicht nur finanziellen Erfolg, sondern auch ziemlichen Ärger unter anderem mit den USA ein.

Aufschläge für riskante Geschäfte

Auch Embargos bereiteten Rich offenbar keine Sorgen, ja, er sah darin eine weitere Geschäftsmöglichkeit und noch größere Gewinne - eine Art Risikoaufschlag sorgte dafür. Rich legte mit der Umgehung der US-Sanktionen 1979 gegen den Iran den Grundstein für seinen Aufstieg zum weltweit größten Ölhändler.

Er kaufte dem Iran auch nach dem Sturz von Schah Reza Pahlavi Öl ab. Richs Händler sollen laut Amman am selben Tag in Teheran gelandet sein wie der aus dem Exil zurückkehrende spätere Revolutionsführer Ajatollah Chomeini. Etwas, was ihm die USA auch im Zuge des Geiseldramas in der US-Botschaft in Teheran nie verziehen haben.

Iranisches Öl für Israel und die USA

Rich nahm damals dem Iran die Rohölproduktion ab und belieferte den Erzfeind Israel und auch US-Gesellschaften mit iranischem Öl. Rich macht aber auch Geschäfte mit dem Apartheidregime in Südafrika, der Sowjetunion und Kuba. Er sei einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen, so Rich zu seinem Biografen.

Wie selbstverständlich sollen bei den Geschäften auch hohe Bestechungsgelder geflossen sein. Das galt damals allerdings noch nicht als strafbar. Auch laut Schweizer Recht, Marc Richs eigene Firma hat den Sitz im Schweizer Zug, war Bestechung nicht strafbar, sondern konnte auch noch von der Steuer als „geschäftsmässig begründeter Aufwand“ abgeschrieben werden, wie Ammann schreibt.

Der 1934 geborene Rich selbst sieht seine oftmals kritisierten Geschäftspraktiken offenbar gelassen. „Harte Arbeit, harte Arbeit, harte Arbeit. Und gute Mitarbeiter. Natürlich hilft auch ein bisschen Glück“, sieht er laut seinem Biografen als sein Erfolgsrezept.

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