Sechs Wohnungen durchsucht
Die Polizei hat offenbar einen schweren Schlag gegen die heimische Neonazi-Szene geführt. In Zusammenhang mit den seit Monaten andauernden Ermittlungen zu der rechtsextremen Website Alpen-donau.info wurde Montagabend unter anderen der Neonazi Gottfried Küssel verhaftet..
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Seit Monaten war gegen den bekannten Neonazi Küssel ermittelt worden. Montagabend schlugen die Verfassungsschützer zu - wenige Stunden nachdem Justizministerin Claudia Bandion-Ortner eine Weisung in der Causa erteilt und dem ermittelnden Staatsanwalt eine Frist gesetzt hatte. Sechs Wohnungen wurden durchsucht, darunter auch die angebliche Kommandozentrale der mittlerweile abgedrehten Neonazi-Homepage in der Unteren Donaustraße in Wien-Leopoldstadt. Auch in der Steiermark gab es Hausdurchsuchungen.
Zwei Männer konnten bei der Razzia verhaftet werden, darunter auch der per Haftbefehl gesuchte Küssel. Der 52-Jährige dürfte nach Informationen aus Polizeikreisen als Schlüsselfigur bei Alpen-donau.info fungiert haben, wie Radio Wien berichtete.
„Von langer Hand geplant“
Mit dem Auftritt von Justizministerin Claudia Bandion-Ortner, die kurz zuvor eine Weisung in der Causa erteilt und generell eine forschere Gangart der Staatsanwaltschaften gefordert hatte, habe der Einsatz nichts zu tun, so Thomas Vecsey von der Staatsanwaltschaft Wien: „So eine Aktion muss von langer Hand geplant sein.“
NS-Devotionalien beschlagnahmt
Laut Staatsanwaltschaft Wien wurden Unterlagen, Computer und Datenträger, Waffen und NS-Devotionalien beschlagnahmt. Mehr als 40 Ermittler seien gleichzeitig im Einsatz gewesen, sagte Thomas Vecsey von der Wiener Staatsanwaltschaft Dienstagfrüh. Küssel und die zweite inhaftierte Person würden nun befragt, die beschlagnahmten Gegenstände ausgewertet. Danach werde über weitere Schritte entschieden.
Bandion-Ortner zeigte sich über die Verhaftung Küssels erfreut: „Ich begrüße das Tempo sehr“, so die Justizminsterin. Es zeige sich, „dass etwas weitergeht - wie man sieht, auch in solchen Fällen“, so die Ministerin.
Hetzparolen gegen Minderheiten
Vor zwei Jahren war die rechtsradikale Homepage plötzlich im Internet aufgetaucht und sorgte mit Hetzparolen gegen Minderheiten und Politiker für Aufregung. Im vergangenen Herbst hatten die Ermittler erste Erfolge verbucht. Bei Hausdurchsuchungen fand man Hinweise, die jetzt offenbar zu den Hintermännern geführt haben. Die Homepage selbst verschwand auf Druck der Behörden erst vor einem Monat aus dem Netz.
Die Website wurde über einen US-amerikanischen Server betrieben, weshalb die heimischen Behörden sie nicht sperren konnten. Erst in Verhandlungen mit den US-Behörden konnte Ende März erreicht werden, dass die Website offline gestellt wurde. Das Innenministerium bestritt allerdings Berichte, wonach es einen gerichtlichen Vergleich mit dem US-Hoster gegeben haben soll. Auch Geld sei keines überwiesen worden, wurde damals betont.
Behörden hackten Neonazi-Website
Die heimischen Behörden hatten vor ihrem Zugriff am Montagabend alle Vorgänge auf der - inzwischen gelöschten - Neonazi-Website beobachtet und dafür in Kooperation mit ihren US-Kollegen die Zugangscodes zum Server der Homepage eruiert, teilte die Staatsanwaltschaft Wien in einer Aussendung mit.
Während in einer ersten Phase im Oktober 2010 mit 13 Hausdurchsuchungen zunächst gegen die auf der genannten Homepage postenden Personen vorgegangen wurde, können laut Staatsanwalt nunmehr nach Auswertung weiterer Ermittlungsergebnisse die Hintermänner der Homepage gezielt verfolgt werden. Die Staatsanwaltschaft gehe davon aus, mit Küssel und der zweiten verhafteten Person die richtigen erwischt zu haben, es könnte aber noch weitere geben, so Vecsey.
Staatsanwalt verteidigt Vorgehen
Kritik übte die Staatsanwaltschaft an „nicht vollständig informierten Personen“, die mit der öffentlichkeitswirksamen Diskussion von Verdachtslagen oder nicht öffentlichen Verfahrensdetails den Erfolg des Ermittlungsverfahrens erheblich gefährdet hätten. Es habe aus kriminaltaktischen Gründen nicht im Interesse der Ermittlungsbehörden liegen können, die immer wieder geforderte Sperre von Alpen-donau.info zu verfügen. Die kürzlich erfolgte Löschung der Seite habe ganz im Gegenteil ermittlungstaktisch einen Rückschlag dargestellt.
Dass die Seite Ende März stillgelegt worden war, hatten sich der Rechtsanwalt Georg Zanger und der Datenforensiker Uwe Sailer auf ihre Fahnen geheftet. Sie hatten nach eigenen Angaben codierte E-Mails verschickt, eines war an den Tiroler FPÖ-Abgeordneten Werner Königshofer ergangen und kurz darauf auf der Neonazi-Seite aufgetaucht. Königshofer bestritt die Weiterleitung vehement, Zanger und Sailer sahen aber einen Zusammenhang mit der FPÖ erwiesen und erstatteten Anzeige. Kurz darauf ging Alpen-donau.info vom Netz. „Sie sind hypernervös“, so Sailer damals. „Für sie ist diese Website verwanzt.“
Küssel als Hintermann?
In der Öffentlichkeit gab es immer wieder Spekulationen darüber, Küssel könnte hinter der Homepage stecken. Staatsanwaltschaft und Verfassungsschutz hatten offenbar Vermutungen in dieselbe Richtung. Montagabend schlug die Spezialeinheit Cobra zu. In einer Wohnung in Wien-Leopoldstadt wurde auch Küssel angetroffen. Küssel und ein weiterer mutmaßlicher Gesinnungsgenosse wurden verhaftet.
Küssel war in den 1990er Jahren Chef der Neonazi-Organisation Volkstreue Außerparlamentarische Opposition (VAPO). Die VAPO wurde schließlich verboten. Küssel wurde damals wegen Wiederbetätigung zu zehn Jahren Haft verurteilt.
Links: