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Förderanlagen unter Artilleriebeschuss

In Libyen haben sich die Kämpfe zwischen Rebellen und Truppen von Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi von der Küste zu den Erdölfeldern im Hinterland verlagert. Gefechte wurden am Donnerstag unter anderem von den Feldern Sarir, Misla und Waha gemeldet. Sie liegen im Osten des Landes, der weitgehend unter Kontrolle der Aufständischen ist.

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Die Rebellenmilizen erklärten, alle drei Felder seien mit Artillerie beschossen worden. In Milsa und Waha sei die Produktion dadurch unterbrochen, hieß es. In der Hauptstadt Tripolis erklärte dagegen der amtierende Außenminister Chaled Kaim, britische Kampfflugzeuge hätten das Sarir-Feld bombardiert und eine Pipeline beschädigt. Mehrere Menschen seien getötet worden.

Al-Gaddafis militante Gegner widersprachen dieser Darstellung und behaupteten, Verbände des Revolutionsführers hätten das Ölfeld beschossen. Die Pipeline führt vom Sarir-Feld zum Hafen Marsa al-Hariga bei Tobruk in ein Gebiet, das von Rebellen kontrolliert wird. Ein Interesse, hier die Ölversorgung zu unterbrechen, läge also eher aufseiten der Regierungstruppen.

NATO: Kein Einsatz in der Region

Auch der Kommandeur des NATO-Einsatzes in Libyen, der kanadische General Charles Bouchard, wies die Behauptung der Regierung zurück, das Militärbündnis habe das Ölfeld Sarir in Brand geschossen. Richtig sei, dass Al-Gaddafis Truppen in den vergangenen Tagen dieses Feld angegriffen hätten, um Lieferunen nach Tobruk zu verhindern.

„Wir sind niemals einen Angriff in dieser Gegend geflogen, weil seine (Al-Gaddafis) Truppen von dort aus keine zivilen Siedlungsgebiete angreifen“, erklärte Bouchard. „Der einzige Verantwortliche für das Feuer ist das Al-Gaddafi-Regime.“ Am Mittwoch hatte der unter liberianischer Flagge fahrende Tanker „Equator“ in Marsa al-Hariga abgelegt. Offenbar hatte er das erste von Rebellen verkaufte Öl seit Beginn der Aufstände im Februar geladen.

Erdölproduktion geht weiter zurück

Unterdessen erklärte der Vorsitzende der Nationalen Libyschen Ölgesellschaft, Schokri Ghanem, die Ölförderung sei auf 250.000 bis 300.000 Barrel pro Tag gefallen. Vor dem Aufstand wurden in Libyen 1,6 Millionen Barrel pro Tag produziert. Libyen war vor den Bürgerkriegskämpfen nur mit zwei Prozent an der globalen Ölproduktion beteiligt. Das meiste libysche Öl wurde nach Europa exportiert.

Versehentlicher Angriff auf Rebellen

NATO-Kampfjets flogen am Mittwoch 73 Kampfeinsätze, teilte das Bündnis mit. Seit der Übernahme der Verantwortung für die gesamte Militäroperation in Libyen wurden über 470 Kampfeinsätze geflogen. Dabei kam es am Donnerstag zu einem versehentlichen Beschuss der Rebellen, bei dem mehrere Menschen getötet worden sein sollen. Verletzte seien in ein Krankenhaus in der Stadt Adschdabija gebracht worden, wo sie nun behandelt würden, hieß es.

Ein verletzter Kämpfer sagte: „Es war ein NATO-Luftangriff auf uns. Wir waren bei unseren Fahrzeugen nahe Brega.“ Eine Luft-Boden-Raketen zerstörte auf halbem Wege zwischen Adschdabija und Brega mehrere Fahrzeuge der Rebellen. Der Konvoi sei unerlaubt in eine Sperrzone gefahren, hieß es.

Massenflucht aus Adschdabija

Aus dem umkämpften ostlibyschen Adschdabija flohen am Donnerstag Tausende Rebellen und Zivilisten. Wie die Nachrichtenagentur AFP berichtete, versuchten Familien in Autos und auf Lastern zusammen mit bewaffneten Aufständischen auf Kleintransportern, in Richtung der rund 160 Kilometer entfernten Rebellenhochburg Bengasi zu entkommen. Auslöser der Massenflucht aus der strategisch wichtigen Ölstadt waren offenbar Gerüchte über eine bevorstehende Offensive von Regierungstruppen.

Treffen der Libyen-Kontaktgruppe

Auf politischer Ebene wurde ein neuer Ternmin für das erste Treffen der neuen Libyen-Kontaktgruppe fixiert. Die Teilnehmer werden am Mittwoch in Doha, der Hauptstadt Katars, zusammenkommen, sagte der französische Außenminister Alain Juppe am Donnerstag. Frankreich versuche derzeit, auch die Afrikanische Union (AU) zur Teilnahme zu bewegen. Juppe will zudem libysche Oppositionsvertreter zum EU-Außenministertreffen Anfang nächster Woche einladen. Aus einigen Ländern gebe es aber noch Widerstand gegen Gespräche mit dem „Nationalen Übergangsrat“, sagte er.

Die Libyen-Kontaktgruppe soll sich um den politischen Aufbau des nordafrikanischen Landes kümmern und die internationale Unterstützung koordinieren. Darauf hatten sich die Teilnehmer einer internationalen Libyen-Konferenz Ende März in London geeinigt. An dem Treffen hatten sich rund 40 Staaten und internationale Organisationen, jedoch nur sieben der 22 Mitglieder der Arabischen Liga beteiligt. Die AU nahm nicht daran teil.

Türkei will „Road-Map“

Die türkische Regierung arbeitet nach Treffen mit den verfeindeten Lagern in Libyen inzwischen an einem Friedensplan für das nordafrikanische Land. Damit werde Machthaber Al-Gaddafi zum Rückzug seiner Truppen aus libyschen Städten aufgefordert, sagte Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan am Donnerstag.

Ein Waffenstillstand, die Einrichtung humanitärer Korridore und Gesetzesänderungen zur Schaffung einer rechtsstaatlichen Demokratie würden ebenfalls angestrebt. Erdogan will seinen Friedensplan in der kommenden Woche der internationalen Kontaktgruppe vorlegen.

Ein Sprecher der libyschen Rebellen erteilte Gesprächen mit Al-Gaddafi allerdings umgehend eine Absage. Dieser müsse erst zurücktreten oder Libyen verlassen, bevor es Verhandlungen geben könne.

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