Weite Reise mit der Strömung
Bei Wissenschaftlern gilt die Insel Südgeorgien im Südatlantik als Friedhof der Eisberge. Wie Untersuchungen aus dem Jahr 2010 ergeben haben, treibt eine Strömung aus der Antarktis die Eisberge in die flachen Gewässer auf der Kontinentalplatte vor der 160 Kilometer langen Insel. Dort einmal festgefahren, zerbröckeln und schmelzen die weißen Riesen.
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Tonnen von Frischwasser kommen dadurch über den Friedhof der Eisberge jährlich in die Gewässer vor der Insel. Und die Eisgiganten haben einen dramatischen Einfluss auf das Ökosystem vor und auf der Insel, wie britische Wissenschaftler nun in einer Langzeitstudie festgestellt haben, berichtete die britische BBC. Die Änderungen gehen sogar so weit, dass sie das Nahrungsnetz für die Tiere der Insel ändern.
Nahrungsnetz statt Nahrungskette
Das Konzept des Nahrungsnetzes stellt im Gegensatz zur weitaus abstrakteren Nahrungskette die Komplexität der Ernährungsgefüge in Biosystemen konkreter dar.
Die schiere Größe der angeschwemmten Eisberge sei schon etwas Besonderes, so der Ozeanograph Mark Brandon von der Open University. „Der Eisberg A-38 allein hatte eine Masse von 300 Gigatonnen. Er brach in zwei große und zahlreiche kleinere Eisberge. Selbst die kleinsten waren allerdings noch ziemlich groß und brachten Unmengen an Frischwasser in das System“, so Brandon zur BBC. Brandon präsentierte die Ergebnisse 2010 bei dem Treffen der American Geophysical Union (AGU), dem weltgrößten jährlichen Treffen der Geowissenschaftler.
Google Earth
Die Lage der Insel im Südatlantik
Sonden zeichneten Änderungen auf
Mit einer Gruppe von Kollegen verankerte er Sonden vor der Insel in einigen hundert Meter Wassertiefe. Die Sonden zeichneten die physikalischen Eigenschaften des Wassers wie Temperatur, Salzgehalt und Fließgeschwindigkeit auf. Außerdem wurde die Intensität von Plankton gemessen. Die Sonden waren bereits installiert, als der Megaeisberg A-38 auf die Insel traf. Die Kontinentalplatte beginnt ungefähr 50 Kilometer vor der Insel und liegt etwa 200 Meter unter Wasser. Wenn sich die Eisberge auf die Insel zu bewegen, bleiben sie daran hängen, zerfallen und schmelzen schließlich.
Eisberg brachte Nährstoffe mit
„Das ganze Frischwasser hat einen messbaren Effekt auf die Struktur der Wassersäule“, so Brandon. Es ändere die Strömung auf der Platte, weil es die Dichte des Meerwassers ändere. „Das Frischwasser macht auch das Seewasser kühler.“ Durch A-38 allein seien wahrscheinlich rund 100 Milliarden Tonnen Frischwasser in das Gebiet rund um die Insel gekommen.
Laut Eugene Murphy vom British Antarctic Survey haben die riesigen Eisberge auch gewichtige biologische Auswirkungen. Staub und Steinfragmente, die in der Antarktis von den Eisbergen aufgenommen worden seien, wirkten beim Abschmelzen in den Ozean als Nährstoffe für Lebewesen wie diverse Arten von Algen und besonders Kieselalgen als einfachste Organismen des Nahrungsnetzes.
Corbis/National Geographic Society/Paul Nicklen
Pinguine zur Nahrungssuche auf dem Weg ins Meer
Auch schuld an Jungtiersterben
Die Eisberge hätten aber nicht nur positive Effekte. So zeichnete sich nach der Auswertung der Daten ab, dass der Eisberg A-38 durch seine schiere Masse als Barriere für Krill wirkte. Diese schrimpsähnlichen Lebewesen folgten derselben Strömung wie der Berg und sind eine enorm wichtige Nahrungsquelle für die Tiere der Insel wie Pinguine, Robben und Vögel. In den Jahren, als es wenig Krill vor der Insel gab, hatten die Raubtiere, die von den Krillfressern abhängig sind, eine niedrige Geburtenrate. In wirklich schlechten Jahren seien die Strände der Insel mit toten Jungtieren übersät, so Murphy.
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