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Personalchefinnen skeptisch

Teilzeit boomt. Während in den Krisenjahren 2009 und 2010 15.300 Vollzeitarbeitsplätze abgebaut wurden, wurden 15.900 Teilzeitstellen geschaffen - vor allem für Frauen. Immer wieder wird bei Teilzeitarbeit vor einer beruflichen Sackgasse mit niedrigem Einkommen und fehlenden Karrierechancen gewarnt. Das muss aber nicht so sein.

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Für die Beraterin Julia Kuark sind Tandems in Führungspositionen - zumindest in der Schweiz - schon zu einer „selbstverständlichen Alternative“ geworden. In Österreich sei die Situation vielleicht etwas anders, sagt sie im Interview mit ORF.at. Kuark prägte den Begriff TopSharing bereits Ende der 90er Jahre. „Mit diesem Modell haben auch Führungspersonen die Möglichkeit zu hochqualifizierter Teilzeitarbeit. Gleichzeitig ist es eine Entlastung von der Einzelkämpferrolle.“

Die Arbeit werde durch die kürzere Zeit allerdings intensiver, man müsse sich besser organisieren und absprechen. Das Unternehmen profitiere von einem besseren Zugriff auf qualifizierte Führungskräfte. TopSharing sei sowohl für Männer als auch für Frauen ein geeignetes Modell, Führungsverantwortung zu teilen. „Man kann den Anteil von Frauen in Kaderpositionen aber auf jeden Fall steigern“, ist Kuark überzeugt.

Halbzeit bezahlt, Vollzeit gearbeitet

Nichts Positives an Teilzeit in der Chefetage erkennt hingegen Wirtschaftscoach Christine Bauer-Jelinek, die einige Führungstandems in den vergangenen Jahren begleitet hat: „Teilzeit in der Chefetage ist grundsätzlich unmöglich. Eine Chefposition verlangt mehr als 20 Stunden Teilzeit. Viele Unternehmen versuchen es, brechen das Projekt dann aber wieder ab.“ Problematisch seien vor allem die organisatorischen Hürden, die Übergaben und der Umgang mit Schnittstellen.

Auf der ersten Führungsebene ließe sich die Teilung des Chefpostens noch leichter durchführen, weil die Unterstützung durch Assistenten größer ist und mehr strategische Arbeit geleistet wird. Das Problem tauche vor allem auf der zweiten und dritten Managementebene auf, wo noch mehr in das operative Geschäft eingegriffen wird und ad hoc Entscheidungen gefällt werden müssen, weiß die Managementberaterin aus Erfahrung.

„Bin immer erreichbar“

Bei Verena McDermott-Schlegel scheint die Führungsfunktion in Teilzeit zu funktionieren. Sie kehrte schrittweise schon während der Karenzzeit mit Telearbeit in die Personalabteilung der UniCredit Bank Austria zurück. Nach wenigen Monaten übernahm sie die Leitung des Bereiches Strategic HR Management mit einem Team von acht Mitarbeitern mit einer Teilzeitverpflichtung - zwei Drittel arbeitet sie im Büro, ein Drittel von zu Hause aus. „Wichtig ist, dass ich immer erreichbar bin und dass auch die Vorgesetzten dahinter stehen, dass man nicht nach Anwesenheit, sondern nach dem Ergebnis beurteilt wird“, sagt sie gegenüber ORF.at.

Bauer-Jelinek kritisiert bei Teilzeitführungskräften auch die Bezahlung: „Es wird Halbzeit bezahlt, aber in der Praxis Vollzeit gearbeitet. Es entsteht leicht ein Vakuum, das für Machtspiele genutzt werden kann. Davon sind besonders Frauen betroffen“, warnt Bauer-Jelinek im ORF.at-Interview. Auch McDermott-Schlegel macht ähnliche Erfahrungen: „Natürlich zieht man beim Input und Output den Kürzeren. Offiziell arbeitet man 80 Prozent, aber eigentlich ist es viel mehr. Allerdings wird auch bei einer Vollzeitstelle von einer Führungskraft mehr Engagement erwartet.“

Nichts für Alphatiere

Ihre Position mit einem Zweiten zu teilen kann sich die Personalistin McDermott-Schlegel „wunderbar vorstellen“: „Voraussetzung dafür ist aber ein anderes Karriereverständnis - weg vom Kompetitiven, hin zu einem kooperativen Karriere- und Teamverständnis. Ergebnisse können schwieriger einer Person zugeordnet werden. Das ist sicher leichter für Frauen als für Männer“, so McDermott-Schlegel.

„Mit Alphatieren funktionieren Führungstandems nicht“, stimmt auch Kuark zu. Entscheidend sei die Bereitschaft, das Führungsverständnis zu hinterfragen. Eine gute Führung bedeute nicht nur lange Präsenzzeiten, permanente Verfügbarkeit und immer eine Nasenlänge voraus zu sein.

Interesse ja, Umsetzung nein

Das Interesse an Teilzeit auch in höheren Positionen ist vorhanden. Das zeigt eine Studie der Beratungsgesellschaft Bain & Company unter 3.300 Arbeitnehmern in den USA, Asien und Europa. 94 Prozent der befragten Frauen und 78 Prozent der Männer könnten sich demnach auch in Führungspositionen Teilzeitarbeit vorstellen.

60 Prozent der untersuchten Firmen bieten flexible Arbeitszeitmodelle an, diese werden aber nur in 18 Prozent der Fälle genützt. Wenige Modelle entsprechen laut der Studie den tatsächlichen Bedürfnissen der Manager, zudem mangelt es an sichtbarer Unterstützung durch die Geschäftsführung. Auch die Angst vor dem Ende der Karriere sei verbreitet.

Frauen „trauen sich nicht drüber“

Ähnliche Erfahrungen machte auch die Personalchefin von Siemens Österreich, Brigitta Mlinek, in der Praxis: „Ich habe eher den Eindruck, dass das Interesse von Frauen in Führungspositionen an Teilzeit nicht sehr groß ist“, sagt sie gegenüber ORF.at. Eine Geschäftsführerin etwa sei nach fast fünf Monaten Karenz wieder Vollzeit - in ein flexibel gestaltetes Arbeitsumfeld -zurückgekommen. Eine andere Geschäftsführerin sei drei Jahre zu Hause geblieben und mit acht Stunden pro Woche zurückgekehrt. Mlinek: „Da ist es praktisch unmöglich, eine Führungsverantwortung zu übergeben.“

Auch Doris Tomanek, Human-Resources-Chefin und Vorstandsmitglied bei UniCredit Bank Austria, erlebt in ihrer Praxis, dass sich viele Frauen „über Führungspositionen nicht drübertrauen“. Für die Personalchefin sind Führungstandems ein interessantes Thema: „Ich kenne aber kein Beispiel aus der Praxis“, sagt sie im ORF.at-Interview. Es sei schwierig, gleichzeitig zwei gleich qualifizierte Frauen für den Job zu finden.

Tomanek glaubt auch nicht daran, dass dadurch ein großer Beitrag zur Erhöhung von Frauen in Führungspositionen geleistet werden könne: „Das Set-up dafür ist zu komplex, dass es in der Breite funktionieren könnte.“ Mit Teilzeitvereinbarungen und damit reduzierter Zuteilung von Verantwortung könne man Frauen mehr Möglichkeiten für Führungspositionen geben. Sie erwartet, dass in Zukunft auch bei Männern der Teilzeitbedarf steigen werde.

Abstimmungsaufwand zu groß

Führungstandems hält Mlinek bei Siemens nicht für möglich: „Die Berichtslinien sind strikt und an Funktionen gebunden. Die Verantwortung bleibt bei einer Person, der Organisations- und Abstimmungsaufwand zwischen zwei Personen wäre zu groß und zu komplex.“ Sinnvoller sei es daher, an den Arbeitsstrukturen und der Flexibilität des Arbeitsumfeldes zu arbeiten.

Karriere und Weiterentwicklung müsse nicht immer nur in der hierarchischen Linienfunktion erfolgen, sondern könne auch in Projektverantwortung geschehen. „Mitarbeiter mit Kinderbetreuung haben aber oft aufgrund der gesamten Beanspruchung weniger Bereitschaft, wirklich Führungsverantwortung zu übernehmen“, so Mlinek.

„Kinder und Karriere Illusion“

Noch deutlicher formuliert es Bauer-Jelinek: „Kinder und Karriere zur gleichen Zeit ist eine Illusion. Damit müssen wir uns endgültig abfinden.“ Auch die Änderung der Rahmenbedingungen vonseiten der Politik sei nicht zielführend: „Das Modell Teilzeit in der Chefetage ist nicht lebbar und zudem ein finanzieller Nachteil.“ Es gehe vielmehr darum, Wege zu finden, Kinder und Erwerbstätigkeit besser zu vereinbaren. „Kind und Karriere und Frauenquoten im Aufsichtsrat sind Exotenthemen.“

Simone Leonhartsberger, ORF.at

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