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Künstlich neue Heimat schaffen

Der iberische Luchs ist die am meisten gefährdete Raubkatze weltweit. Er lebt hauptsächlich im mediterranen Buschwald Spaniens und Portugals, könnte jedoch schon bald ein neues Zuhause bekommen: Geht es nach Naturschutzexperten, wird die seltene Luchsart in Zukunft auch in Großbritannien angesiedelt.

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Britische Inseln könnten schon bald zu riesigen „Archen Noahs“ werden - Lebensräume, in denen bedrohte Tier- und Pflanzenarten künstlich angesiedelt und beobachtet werden. Forscher sind der Ansicht, dass die Eilande ideale Bedingungen für zahlreiche gefährdete Arten bereitstellten, berichtet die britische Tageszeitung „Independent“.

Drei iberische Luchsjungen schauen aus einer Höhle

Reuters

Der iberische Luchs ist die bedrohteste Katzenart weltweit.

Neben dem iberischen Luchs (auch Pardelluchs genannt) könnten auch der spanische Kaiseradler, der kaukasische Flügelnussbaum, der Alpen-Mohrenfalter und der Pyrenäen-Desman in Großbritannien eine neue Heimat finden.

„Das ist wirklich dringend. Wir müssen eine lange Einkaufsliste von Spezies erstellen, die hier angesiedelt werden können, und die wir beobachten können, so dass eingegriffen werden kann, wenn es nötig ist“, sagte Chris Thomas, Naturschutzexperte an der Universität in New York gegenüber dem „Independent“. Diese Art der Umsiedelung sei „die einzig realistische Naturschutz-Möglichkeit für Arten, die sonst nicht der Bedrohung des Klimawandels entkommen können“.

Alpen-Mohrenfalter auf einer Blüte

Fotolia/Rebel

Der Alpen-Mohrenfalter ist sowohl in Österreich als auch in Ländern wie etwa Albanien, Andorra und der Schweiz beheimatet.

Kaum Aufmerksamkeit für Tausende Arten

„Je länger man das hinauszögert, desto schwieriger und kostspieliger werden die Umsiedelungen in die Kolonisationsgebiete.“ Großbritannien sei dafür ideal, so Thomas. Der Klimawandel stellt für viele Tier- und Pflanzenarten eine reale Bedrohung dar. Während diese Tatsache für große Säugetiere, wie etwa Eisbären und Pandabären, gut dokumentiert und auch bekannt ist, gibt es Tausende andere bedrohte Spezies, die nicht eine derartige Aufmerksamkeit genießen, so der „Independent“.

Manche Spezies schaffen es, sich an die veränderten Bedingungen, wie etwa wärmeres Wetter, anzupassen, andere etwa migrieren auf natürliche Weise aus ihrem Lebensraum. Viele andere sind jedoch bedroht, auszusterben, weil sie etwa natürliche oder von Menschen erschaffene Barrieren nicht überwinden können.

Pilotprojekte in kleinem Stil erfolgreich

Derartige Umsiedelungen, wie sie in Großbritannien geplant sind, hat es bereits in kleinem Stil gegeben: Wissenschaftler in Neuseeland und Australien entwickelten Strategien, gefährdete Spezies auf Offshore-Inseln anzusiedeln, auf denen es keine Räuber, wie etwa Ratten, gibt. So wurden etwa einzelne bedrohte Känguru- und Mäusearten bereits erfolgreich umgesiedelt.

Neue Bewohner können auch zur Gefahr werden

Obwohl mehrere Beispiele zeigen, dass derartige Konzepte erfolgreich sein können, bergen sie auch Risiken: Die angesiedelten Tiere und Pflanzen können zur Plage werden oder das Ökosystem ihrer neuen Heimat stören. Sie können natürlich auch zu Opfern von Raubtieren werden oder Krankheiten und Parasiten einschleppen.

Ein spanischer Kaiseradler sitzt auf einem Stein

APA/EPA/Jorge Zapata

Die Lieblingsbeute des spanischen Kaiseradlers sind Kaninchen, die findet er in Großbritannien im Überfluss.

Thomas sieht darin jedoch keine großen Gefahren: „Obwohl importierte Spezies die Verbreitung und die Häufigkeit von einheimischen Spezies verändern können, führt das üblicherweise nicht zum Aussterben dieser Arten. Während manche einheimische britische Spezies weniger oft vorkommt oder lokal begrenzter vorkommt, ist bisher, so weit ich weiß, noch keine Spezies aufgrund von nicht einheimischen Arten (abgesehen von Menschen) verschwunden.“

Weitgehend „immun“ gegen importierte Probleme

Großbritannien habe wenige einheimische Spezies, erklärt Thomas. Die Vegetation sei durch Menschen enorm verändert worden und scheine „weitgehend immun“ gegen das Aussterben, verursacht durch importierte Arten, zu sein. „Es repräsentiert deshalb eine ideales Ziel für Spezies, die durch den Klimawandel verdrängt wurden“, so Thomas.

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