Neuer Al-Gaddafi-Appell
Auf die Truppen von Libyens Machthaber Muammar al-Gaddafi sind laut Angaben des US-Militärs seit Beginn des internationalen Einsatzes vor etwa eineinhalb Wochen mehr als 700 Luftangriffe geflogen worden. US-Vizeadmiral Bill Gortney unterstrich, dass der internationale Einsatz keine „direkte Unterstützung“ der Opposition sei, die Rebellen aber von den Angriffen profitierten.
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Seit dem 19. März seien 1.602 Lufteinsätze geflogen worden, davon 735 Angriffe, so der Admiral. Gortney zieht aber eine eher ernüchternde Bilanz: Seiner Ansicht nach erzielten die libyschen Rebellen in den vergangenen Tagen trotz der westlichen Luftunterstützung wenige Erfolge. Die Oppositionellen seien nicht stark, sagte Gortney am Montag. Die USA versuchten, mehr über die Rebellen zu erfahren.

Graphi-Ogre/ORF.at (Montage)
„Stoppt barbarische Aggression“
Al-Gaddafi verglich unterdessen den internationalen Militäreinsatz zum Schutz von Zivilisten mit den Kriegszügen der Deutschen unter Adolf Hitler. „Stoppt diese barbarische Aggression gegen Libyen! Lasst die Libyer in Ruhe!“, schrieb Al-Gaddafi in einer Botschaft an europäische und amerikanische Parlamentarier wenige Stunden vor Beginn einer Libyen-Konferenz in London. „Wir sind ein Volk, das hinter seiner Führung steht, wir bekämpfen den Terrorismus von Al-Kaida auf der einen und den Terrorismus der NATO, der Al-Kaida nützt, auf der anderen Seite“, fuhr er fort.
Die internationale Gemeinschaft will in London Möglichkeiten zu einem Libyen ohne Al-Gaddafi ausloten. An der eintägigen Konferenz sollen neben US-Außenministerin Hillary Clinton und UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon auch der Präsident der Afrikanischen Union, Jean Ping, sowie NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen teilnehmen. Vertreten sind zudem alle Länder, die sich an der Durchsetzung der vom UNO-Sicherheitsrat beschlossenen Flugverbotszone über Libyen beteiligen.
Gegenseitige Spaltungsvorwürfe
Libyens Vizeaußenminister Chaled Kaim warf dem Militärbündnis vor, das Land spalten zu wollen. Das wäre der „Beginn eines neuen Somalia“, sagte er dem italienischen Fernsehen. Der Chef des oppositionellen Nationalrates, Mustafa Abdel Dschalil, beschuldigte wiederum die Truppen von Al-Gaddafi, auf eine Teilung des Landes hinzuarbeiten.
Totgesagter Al-Gaddafi-Sohn im TIV
Das libysche TV zeigte in der Nacht auf Dienstag Bilder, auf denen der totgesagte Al-Gaddafi-Sohn Chamis zu sehen ist. Er wird dabei von Anhängern des Regimes auf dem Militärstützpunkt Bab al-Asisija in Tripolis umjubelt. Die Gegner Al-Gaddafis hatten Anfang vergangener Woche berichtet, Chamis, der eine Brigade der Armee befehligt, sei Opfer eines Kamikaze-Piloten geworden.
Mehrere Explosionen nahe Tripolis
Die Gegend um Tripolis wurde nach Angaben von Augenzeugen am Montagabend unterdessen in der Nacht auf Dienstag erneut von mehreren Explosionen erschüttert. Insgesamt neun Detonationen hätten sich in Tadschura unweit der libyschen Hauptstadt ereignet, sagten Bewohner der Nachrichtenagentur AFP. Sie machten Angriffe der internationalen Koalition für die Explosionen verantwortlich.
Die amtliche Nachrichtenagentur JANA berichtete von internationalen Luftangriffen auf Stellungen von Al-Gaddafi-Truppen in den Regionen Mesda, Sorman und Gharjan im Zentrum und im Westen des Landes. Der „westliche Aggressor“ habe dort „militärische und zivile Gelände“ attackiert. Das Staatsfernsehen zeigte Bilder von zerbrochenen Fensterscheiben und mit Blut überströmten Betten in einem angeblich angegriffenen Krankenhaus in Mesda.
Einem Bewohner der Stadt Gharjan zufolge wurden in der Ortschaft Waffen- und Munitionsdepots angegriffen. Die Regionen Gharjan und Mesda dienen den Al-Gaddafi-Truppen nach Angaben der Aufständischen als Stützpunkte bei ihren Offensiven gegen von Rebellen kontrollierte Städte wie Jefren.
Vorstoß der Rebellen gebremst
Insgesamt gelang es Regimetruppen am Montag offenbar, den Vormarsch der Rebellen nach Westen vorerst zu stoppen. Laut Korrespondentenberichten fand um Bin Dschawad, 140 Kilometer östlich von Sirte, ein heftiger Schusswechsel statt. Sirte, die Geburtsstadt von Machthaber Al-Gaddafi, war am Montag weiter unter Kontrolle seiner Einheiten. Zuvor hatten die Aufständischen erklärt, Sirte sei in ihrer Hand.
Die Rebellen hatten am Vortag, unterstützt durch Luftangriffe der westlichen Militärallianz, die Ölstadt Ras Lanuf und später Bin Dschawad eingenommen. Doch am Montag nahmen Regierungseinheiten die Aufständischen auf der Straße von Bin Dschawad nach Nofilia in Richtung Sirte unter Feuer.
Große symbolische Bedeutung
BBC-Reporter Kevin Connolly berichtete aus Bengasi, dass eine „Eroberung“ Sirtes durch die Rebellen - trotz ihrer vergleichsweise geringen strategischen Bedeutung - von „großer Bedeutung“ sein könnte. Denn wenn Rebellen eine Stadt „eroberten“, bedeute das weniger, dass sie Al-Gaddafis Truppen besiegt hätten, sondern dass diese schlicht demoralisiert und nicht zum Kampf bereit seien. Wenn, dann wäre zu erwarten gewesen, dass die Regimetruppen zumindest Al-Gaddafis Geburtsstadt um jeden Preis verteidigen würden, so Connolly. Dass die Rebellen vorschnell die Einnahme der Stadt verkündeten, unterstreicht seine These.
Kämpfe in Misrata
Bereits am Sonntag war das zwischen der Hauptstadt Tripolis und der Rebellenhochburg Bengasi gelegene Sirte Ziel von Luftangriffen der internationalen Koalition gewesen. Unter deren Schutz rückten die Aufständischen von Osten aus weiter in Richtung Westen vor.

Reuters/Youssef Boudlal
Konvoi der Rebellen auf dem Vormarsch
In der Innenstadt von Misrata im Westen - nicht weit von Tripolis - spielten sich am Sonntagabend laut Rebellenangaben Straßenkämpfe zwischen Anhängern und Gegnern des Diktators ab. Französische Kampfjets zerstörten am Sonntag dort sowie östlich der Hauptstadt Tripolis Panzer und ein größeres Munitionsdepot - Video dazu in iptv.ORF.at.
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